Wie Europa künftig zahlen soll


EU-Kommission setzt auf überweisungsbasiertes Bezahlen

Visa und Mastercard, Apple Pay und Google Pay, PayPal: Viele der modernen Bezahlmethoden, die den Geldtransfer im E-Commerce und anderen internetbasierten Produkt- und Dienstleistungsangeboten, aber zunehmend auch im stationären Handel ermöglichen, werden von amerikanischen Konzernen zur Verfügung gestellt. Als Hüterin europäischer Interessen hat sich die EU-Kommission zum Ziel gesetzt, eine Alternative zu etablieren. Die Basis dafür: SCT Inst, die SEPA-Überweisung in Echtzeit.

„Der Zahlungsverkehr bildet das Lebenselixier der europäischen Wirtschaft“, so ordnet die EU-Kommission in ihrer „EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr“ den Fluss der Geldströme ein. Wie dieser Fluss Wasser auf die Mühlen von Europas Finanzdienstleistern bringen soll, davon handelt das 33-seitige Strategiepapier. Instant Payments, also die europaweit einheitliche Echtzeitüberweisung, soll die universelle Grundlage der Zahlungsströme sein, doch für regionale Zahlungsdienste stehen die Schleusen weiterhin offen. Zugleich sollen Bürger auch künftig mit Bargeld flüssig sein, wenn sie das bevorzugen.

Werden Instant Payments schon Ende 2021 für Banken zur Pflicht?

Karten und Konten werden auch in Zukunft die zwei wesentlichen Elemente im Zahlungsverkehr bleiben, auch wenn dieser zunehmend digitalisiert wird. Immer wieder weist die Kommission auf die Beschleunigung des innereuropäischen Geldtransfers durch Instant Payment (SCT Inst) hin, doch mit der Umsetzung zeigt sich das Gremium nicht zufrieden. Kurzfristig soll die Verbreitung des Verfahrens überprüft werden.

Bei weitem nicht alle Banken bieten diesen Service diskriminierungsfrei an: Oft können Zahlungen nur empfangen werden, aber nicht versandt. Außerdem machen nicht wenige Institute SCT Inst unattraktiv, indem sie es stark bepreisen, obwohl es bereits in der Richtlinie zur Einführung hieß, es sollen keine Premium-Zuschläge erhoben werden. Wenn die aktuell laufende Überprüfung der Verbreitung von Instant Payments zu dem Ergebnis kommt, dass eine allgemeine Teilnahme der Banken an SCT Inst noch nicht gewährleistet ist, stellt die Kommission bereits für Ende 2021 eine Verpflichtung in Aussicht.


Autor: Henning Brandt



Henning Brandt ist als Head of Communication für die Öffentlichkeitsarbeit des Payment Service Providers Computop verantwortlich. Nach Stationen in Journalismus und Public Relations spricht und schreibt er seit 2015 über Themen wie E-Commerce, internationale Zahlungsabwicklung und die Zukunft des Payments.


TIPS für schnelles Clearing

Schnelles, europaweites und währungsübergreifendes Clearing ist die Voraussetzung für Instant Payments im SEPA-Raum. Mit den bisherigen Entwicklungen ist die Kommission nicht zufrieden, sie erwartet daher eine Teilnahme aller SCT Inst-Beteiligten, die über TARGET2 erreichbar sind, an TIPS, dem TARGET Instant Payment Settlement des Eurosystems. Mit eindeutigeren Vorgaben hätte sich die EZB, wie auch beim Open Banking, viel Zeit und Ärger erspart – jetzt setzt die EU-Kommission ein Ausrufezeichen. Zurzeit eignet sich der schnelle Banktransfer jedoch nur eingeschränkt als universales Zahlungsinstrument, denn die Zahlung geht nur in eine Richtung, vom Absender zum Empfänger, und ist das Geld erstmal weg, bekommt man es auch nicht wieder.

Darum möchte die Kommission einen Rückkanal schaffen, der für mehr Verbrauchervertrauen sorgen soll. Wenn ähnlich wie bei Lastschrift oder Kreditkarten ein Rückruf der Überweisung möglich ist, werden sich mehr Konsumenten für diesen Zahlungsweg entscheiden. Wer letztlich die Entscheidung über eine berechtigte Rückerstattung trifft, darüber schweigt sich das Papier jedoch aus. Hier kommen auf Banken möglicherweise neue Prozesse zu, entsprechend dem Chargeback-Verfahren bei Kreditkarten.

Interessant ist an dieser Stelle auch „Request to Pay“ (RTP). Was wie ein Zahlungsverfahren wirkt, ist im Grunde nur ein Nachrichtenkanal. Darüber kann ein Zahlungsempfänger einen Kunden auffordern, eine Zahlung auszuführen, entweder sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt. RTP kann im Rahmen des eBilling ausgelöst werden und die elektronische Rechnung in die Nachricht integrieren. Wird der Prozess um Autorisierung und Reservierung ergänzt, wie es für 2022 erwartet wird, so kann die entsprechend „aufgeladene“ Überweisung mit vielen der cleveren Funktionen einer Kreditkarte durchaus mithalten.

Bezahlen muss mobil sein

Die mobile Zahlungsauslösung steht im Zentrum der Pläne für das künftige Bezahlen. Mit Verfahren wie dem SEPA-Proxy-Look-up wurde schon gut vorgearbeitet, doch zum Bedauern der Kommission wird es zu wenig genutzt. Immerhin wäre damit ein EU-weiter Geldtransfer über Smartphones möglich werden – datenschutzkonform ohne Austausch von Kontoinformationen wie der IBAN – wenn es denn zum Einsatz käme. Für die Auslösung mobiler Zahlungen im Handel möchte das EU-Gremium technologieoffen bleiben. Die Abschottung der NFC-Schnittstelle bei Apples iPhones passt da nicht ins Bild, was das Papier elegant umschreibt. NFC soll schließlich eine Schlüsseltechnologie sein, während Bluetooth, aber auch der QR-Code ihre Berechtigung haben. Hier würde die Kommission die Entwicklung eines einheitlichen europäischen Standards begrüßen. Allerdings zielen aktuelle Aktivitäten einiger europäischer Player eher auf die Übernahme des dort sehr erfolgreichen chinesischen Standards von Alipay.


„Die schönsten digitalen Zahlungsverfahren bleiben Zukunftsmusik, wenn der Verbraucher sie nicht antrifft.“


Die Annahmepflicht für digitale Zahlungen rückt näher

Die schönsten digitalen Zahlungsverfahren bleiben Zukunftsmusik, wenn der Verbraucher sie nicht antrifft. Hier adressiert die EU-Kommission die Banken, aber auch den Handel und vor allem die öffentlichen Institutionen, die häufig noch weiter hinterher hinken. Für 2022 kündigt das Strategiepapier darum eine Studie an, ob kleinere und mittlere Unternehmen, aber auch die Verwaltung in den Mitgliedsländern digitale Zahlungsmöglichkeiten ermöglichen. Sollte das Ergebnis unbefriedigend sein, sei eine Verpflichtung zur Annahme durchaus denkbar.

Verpflichtend angenommen werden soll auch weiterhin das Bargeld. Die EU-Kommission sieht zwar Digitales Zentralbankgeld (CBDC) auf dem Weg und wird daran auch mit der EZB zusammenarbeiten. Bargeld muss jedoch weiterhin allgemein zugänglich sein und akzeptiert werden. Rund 30 Millionen Erwachsene in der EU haben kein Bankkonto, sie sollen nicht stärker als ohnehin schon durch die Digitalisierung von Dienstleistungen ausgeschlossen werden.

Einer Ausbreitung von „No-Cash“-Einzelhändlern sollen die Mitgliedsstaaten entgegenwirken und für ein Mindestmaß an Geldausgabestellen sorgen. Mit diesen Vorschlägen zielt das Gremium um Ursula von der Leyen auf eine selbstbewusste europäische Zahlungslandschaft, die den Vorsprung amerikanischer Konzerne einholen und zugleich die chinesischen Anbieter in Schach halten soll, die mobiles Bezahlen bereits für Hunderte Millionen Menschen bereitstellen.

Doch im Onlineshop, an der Ladesäule oder im Bioladen brauchen die Konsumenten keine Konzepte, sondern Zahlungsmethoden. Darum richten sich die Augen derzeit auf die neue European Payment Initiative EPI, in der sich 22 Banken und Zahlungsdienstleister aus Europa zusammengefunden haben, um aus technischen Prozessen Zahlungsinstrumente zu machen. Das Gemeinschaftsunternehmen unter der Leitung von Martina Weimert tritt an, um eine gemeinsame Marke aufzusetzen und, ausgehend von Person-to-Person-Zahlungen, in den nächsten Jahren überweisungsbasierte Karten und Wallets zu entwickeln. So soll die europäische Zahlungsalternative schließlich auch ein Markengesicht bekommen.

EPI arbeitet an der europäischen Payment Brand

Hinter den Kulissen gehen die Verhandlungen aber schon weiter: Sollen erfolgreiche nationale Instrumente wie die Deutsche Girocard, iDEAL in den Niederlanden oder Cartes Bancaires aus Frankreich im EPI-Angebot aufgehen oder es ergänzen? Die EU-Kommission legt sich nicht fest: so sehr sie sich ein einheitliches europäisches Zahlungssystem wünscht, will sie lokalen Champions nicht unbedingt den Stöpsel ziehen. Europa bleibt vielfältig, auch im Zahlungsverkehr.

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