Pro und Contra zur KI-Abgabe

Gastbeitrag von Prof. Dr. Christoph Juhn:

Wie sinnvoll ist eine Sondersteuer auf künstliche Intelligenz?

Vor fast einhundert Jahren prophezeite der britische Ökonom John Maynard Keynes, dass Menschen 2030 nur 15 Stunden pro Woche arbeiten müssten, um gut zu leben – Technologie sei Dank. Zwar hat sich die durchschnittliche Wochenarbeitszeit hierzulande nicht um mehr als die Hälfte reduziert, tatsächlich haben aber Roboter und andere (clevere) Maschinen sehr viele standardisierte Tätigkeiten übernommen. Mit dem Aufstieg der generativen KI bangen selbst Menschen mit kognitiven, hoch qualifizierten Tätigkeiten um ihre Jobs. Eine Entwicklung, die auch der deutsche Staat kritisch verfolgt. Schließlich bedeutet ein erheblicher Rückgang von Lohnsteuerzahlungen ein potenziell massives Loch in den öffentlichen Finanzen. Aus den Reihen der linken Parteien kam daher der kontrovers diskutierte Vorschlag einer Präventivmaßnahme: eine Sondersteuer auf künstliche Intelligenz, die Gelder in die Staatskasse spülen soll. Doch ist das sinnvoll?

Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmen- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung.

 

Maschinen mit eigener Steuernummer?

Auch wenn die Technologie hinter ChatGPT, Google Gemini und Co. revolutionär sein mag, die Idee einer Steuer auf (intelligente) Maschinen ist es nicht. Wann immer technischer Fortschritt Arbeitsplätze und damit potenzielle Einnahmen des Staates gefährdet, kocht die Debatte einer solchen Abgabe wieder hoch – und das seit den 1960er Jahren. In Zeiten der zunehmenden Digitalisierung brachte 2017 etwa auch Bill Gates die Maschinensteuer wieder ins Gespräch. Er schlug vor, dass Unternehmen, die Roboter nutzen, um (standardisierte) Tätigkeiten auszuführen, die sonst ein Mensch erledigt, eine entsprechende Abgabe entrichten. Zwar erwog auch das EU-Parlament damals eine Roboter- oder Computersteuer, verwarf sie aber letztendlich. Mit dem Hype um KI geht die Diskussion nun in eine neue Runde. Angesichts von Berechnungen des IWF zu Beschäftigungseffekten ist das auch wenig verwunderlich. Neue Technologien haben das Potenzial, 60 Prozent der Jobs in hoch entwickelten Ländern zu ergänzen oder komplett zu übernehmen, wobei der KI-Einsatz nur bei etwa der Hälfte mit höherer Produktivität oder gesteigerter Effizienz einhergehen dürfte. Bei anderen – beispielsweise den Mathematikern, den Programmierern oder den Buchhaltern – sieht es in puncto Arbeitsplatzerhalt nicht ganz so rosig aus.

KI-Steuer gegen soziale Ungleichheit

Auch wenn es angesichts des aktuellen Haushaltsstreits kein konkretes Vorhaben für die Umsetzung einer KI-Steuer gibt, unterstreicht der Co-Chef der SPD-Linken, Sebastian Roloff, gegenüber dem Handelsblatt: „Die Idee der KI-Steuer gleicht dem Konzept der Maschinensteuer.“ Das heißt: Um möglichen Millionen- oder sogar Milliardenlöchern in der Staatskasse zuvorzukommen, könnte eine entsprechende Abgabe dazu dienen, die durch künstliche Intelligenz erzielten Produktivitätssteigerungen und wirtschaftlichen Vorteile sozial gerecht auszugleichen. Unternehmen, die stark in intelligente Systeme investieren und dadurch hohe Gewinne erzielen, schaffen eine Ungleichheit im Vergleich zu menschlichen Arbeitskräften, die tendenziell benachteiligt werden. Eine Steuer, so das Argument, könnte diese Disparität möglicherweise ausgleichen und wettbewerbsfähige Bedingungen schaffen. Auch der Staat würde dahingehend von der Implementierung profitieren, dass die Einnahmen sich zur Finanzierung öffentlicher Aufgaben und der Instandhaltung der Infrastruktur verwenden ließen, die durch die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung unter Druck geraten.

Von Regeln, Normen und fehlenden Definitionen

Ganz so einfach gestaltet sich die Erhebung einer neuen Steuer in der Praxis jedoch nicht. Seit August 2024 ist innerhalb der Europäischen Union zwar der sogenannte AI Act und damit das weltweit erste Gesetz zum Umgang mit künstlicher Intelligenz in Kraft, allerdings bleiben bei dem Rechtsrahmen wesentliche Fragen offen. Das Regelwerk klassifiziert entsprechende Technologien in vier Gruppen: inakzeptables, hohes, begrenztes und minimales bzw. kein Risiko. Technologien, die beispielsweise dem Social Scoring oder der biometrischen Identifizierung dienen, fallen in die erste Kategorie und sind damit grundsätzlich verboten. Hochrisikosysteme, wie im Bereich der zivilen Luftfahrt oder der kritischen Infrastruktur, unterliegen einer strengen Kontrolle. In der dritten Kategorie finden sich generative KI-Modelle. Dazu zählen beispielsweise Chatbots oder LLMs zur Erstellung von Texten, Audios oder Bildern. Sie durchlaufen eine gründliche Prüfung und unterliegen, neben Transparenzanforderungen bezüglich der verwendeten Daten, einer allgemeinen Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte. Bei Technologien, die gemäß EU-Verordnung kein oder nur ein minimales Risiko darstellen, sieht das Gesetz keine weiteren Kontrollmechanismen vor. Für Spam-Filter oder Videospiele gelten freiwillige Verhaltenskodizes. Was das New Legislative Framework vermissen lässt, ist eine belastbare Definition von künstlicher Intelligenz. Der AI Act spricht lediglich von einem „maschinengestützten System, das für einen in unterschiedlichem Grade autonomen Betrieb ausgelegt ist und das nach seiner Betriebsaufnahme anpassungsfähig sein kann“ (Gesetz über künstliche Intelligenz, Art. 3 Abs. 1, 2024). Neben hoch entwickelten, spezialisierten Technologien schließt diese Einordnung auch weitverbreitete Tools wie Foto-Filter und Saugroboter ein.
Zur Umsetzung einer KI-Steuer bedarf es jedoch einer genauen Differenzierung. Das beginnt mit der Frage: Welche Formen von künstlicher Intelligenz sollen unter welchen Bedingungen besteuert werden? Als mögliche Lösung dieses Dilemmas brachte der Vize-Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Andreas Audretsch, im Gespräch mit dem Handelsblatt zwar vor, nur jene Großkonzerne besteuern zu wollen, die KI selbst vermehrt einsetzen oder verkaufen. Allerdings wirft dieser Vorstoß in einer zunehmend globalisierten Welt neue Fragen auf. Steuerlich relevant dürfte dabei vor allem sein, ob der Unternehmenssitz oder das Land, in dem die Umsätze generiert werden, maßgeblich sein soll.

Steuer als Innovationskiller

Problematisch ist in der aktuellen KI-Steuerdebatte aber nicht allein die schwammige Rechtslage. Kritische Stimmen meldeten sich vor allem aus der Wirtschaft. So bewertete beispielsweise der Handelsverband Deutschland eine solche Abgabe als falschen Ansatz. Es komme derzeit vielmehr darauf an, den Einsatz künstlicher Intelligenz zu fördern und Unternehmen in ihrem Engagement zu unterstützen, heißt es in einer Meldung. Ähnlich fällt auch das Urteil des IWF aus. Als Industriestandort sei Deutschland darauf angewiesen, den technologischen Fortschritt zu unterstützen, um im internationalen Wettbewerb seine Führungsposition zu halten. Eine KI-Steuer würde Anreize für Investitionen nehmen und Innovationen ausbremsen. Dadurch verlöre der Wirtschaftsstandort insgesamt an Attraktivität, was laut Expertenmeinung des IWF Abwanderungen ins Ausland und Arbeitsplatzverluste nach sich zöge. Es müssten eher Maßnahmen für den Joberhalt getroffen werden. So empfiehlt der IWF gezielte Up- und Reskilling-Programme, die Arbeitskräfte für neue Tätigkeiten qualifizieren, und flexible Bildungspläne an Schulen und Universitäten, um Absolventen besser auf die veränderten Bedingungen des Arbeitsmarkts vorzubereiten. Zudem plädieren die Wirtschaftsexperten für eine Umverteilung von Steuerlasten, die Senkung der Lohnsteuer sowie eine Anhebung der Besteuerung von Kapitalerträgen. Zusätzlich könnte auch die gezielte Förderung von Branchen mit hohem Arbeitskräftebedarf, wie Pflege und Betreuung, dazu beitragen, sowohl die drohende Massenarbeitslosigkeit als auch den Fachkräftemangel zu bekämpfen.

Weitere Informationen unter https://www.juhn.com

 

Zum Autor:
Prof. Dr. Christoph Juhn ist Professor für Steuerrecht, Steuerberater und besitzt einen Master of Laws. Seine Schwerpunkte in der Gestaltungsberatung liegen auf Umwandlungen und Umstrukturierungen, Unternehmen- und Konzernsteuerrecht, internationalem Steuerrecht, Unternehmenskäufen/-verkäufen (M&A), Beratung für Berater sowie der laufenden Steuerberatung. Nachdem er 2011 seinen LL.M. an der Universität zu Köln erwarb, wurde er 2013 zum Steuerberater bestellt. Im Jahr 2020 promovierte er zum Dr. jur. im internationalen Unternehmen- & Umwandlungssteuerrecht und wurde noch im selben Jahr zum Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule Bonn berufen. Parallel dazu gründete er – nach Anstellungen in zwei Steuerberatungsgesellschaften – im Jahr 2015 die JUHN Partner GmbH und 2017 die JUHN BESAU GmbH. Unter @juhnsteuerberater betreibt der Steuerprofi einen erfolgreichen YouTube-Kanal.

Kurzprofil: JUHN Partner ist eine Kanzlei mit Standorten in Bonn, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Köln und Dubai, die sich besonders auf die Steuerberatung von Kapital- und Personengesellschaften spezialisiert hat. Ihr Ziel: steueroptimierte Gesamtlösungen für Unternehmen, Gesellschafter und Geschäftsführer. Dazu betreut ein interdisziplinäres 60-köpfiges Team rund um den Gründer, geschäftsführenden Partner und Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule, Prof. Dr. Christoph Juhn, Mandanten sowohl bei der Steuergestaltung als auch in der laufenden Beratung. Mit ihrem kaufmännischen und juristischen Wissen prüfen die Experten nicht nur die Steuereffizienz bestehender Unternehmensstrukturen und schaffen bei Bedarf maßgeschneidert optimierte Lösungen, sondern stehen im Rahmen langfristiger Partnerschaften für sämtliche nationalen oder internationalen Steuerfragen zur Verfügung. Dabei begleiten sie Organisationen sowie Anteilseigner etwa bei Umwandlungsvorgängen oder Unternehmensverkäufen, erstellen Jahresabschlüsse und Steuererklärungen oder übernehmen die monatliche Finanz- und Lohnbuchhaltung.

Portraitfoto von Prof. Dr. C. Juhn / Bildquelle_©JUHN Partner GmbH