Die Rolle von PIM in der Information Supply Chain

In Vertriebskanälen wie dem Katalog oder dem Einzelhandelsgeschäft war und ist man gezwungen, sich wegen des begrenzten, teuren Platzes auf eine Auswahl von Produkten zu konzentrieren. Ziel ist es, die besonders umsatz- und margenstarken Produkte auszuwählen[1]. Das Internet hat in den letzten beiden Jahrzenten diese Spielregeln verändert: Im Web-Shop und auf Online-Marktplätzen ist der Platz nicht mehr begrenzt.

Eine Theorie des Wirtschaftsjournalisten Anderson folgert hieraus, dass Massenmärkte gegenüber Nischenmärkten an Bedeutung verlieren, also Nischenprodukte, die in traditionellen Vertriebskanälen keine Chance hatten, gemeinsam die Umsatztreiber von morgen sind. In seiner Argumentation bezieht er sich dabei auf das Schaubild der Verkaufsstatistik eines Musikdienstes, bei dem eine große Anzahl weniger gefragter Produkte zusammen mehr Umsatz erzielten als eine geringe Anzahl stark gefragter Produkte[2]. Dieser, in der Verkaufsstatistik sichtbare Rattenschwanz, ist auch der Namensgeber seiner sogenannten „Long-Tail“-Theorie.

Egal, ob Long-Tail oder die als Fat-Tail bezeichneten umsatzstarken Leuchtturm-Produkte, das Geschäft im Internet lehrt uns, dass der Händler gewinnt, der neben guten Produkten und attraktiven Preisen einen guten Produktcontent hat. Getreu der E-Commerce-Weisheit „Content is king“ sollten die Produkte möglichst ausführlich, richtig und gut beschrieben werden. Erst hierdurch weisen Google & Co. möglichst häufig den Weg in den eigenen Shop und Kunden treffen hier wesentlich öfter ihre Kaufentscheidung[3]. Wer schon einmal selber versucht hat, ein Produkt nach dieser Regel zu beschreiben, der weiß wie zeitaufwändig eine solche, manuelle Contenterstellung ist. Was sich für den margenstarken Fat-Tail vielleicht noch lohnt, ist spätestens für den Long-Tail kein brauchbarer Weg mehr. Daher sind Mechanismen zur Einbeziehung weiterer Akteure wie Lieferanten in den Contenterstellungsprozess und zur Automatisierung dieses Prozesses notwendig. Nur so kann eine bezahlbare und gleichzeitig gute Contentquanti- und -qualität gewährleistet werden.

Als möglichen Lösungsweg beschreibt der vorliegende Beitrag den Managementansatz Information Supply Chain sowie die Möglichkeiten eines PIM (Product Information Management)-Systems, einen solchen Ansatz automatisiert zu unterstützen. Zentrale Bestandteile werden anhand von Praxisbeispielen bei einem touristischen Reiseveranstalter und einem Versandhändler erläutert.

Information Supply Chain Management (ISCM)

In Anlehnung an dem aus der Logistik stammenden „Supply Chain Management“ (SCM) beschäftigt sich „Information Supply Chain Management“ (ISCM) mit der optimalen Gestaltung von Informationslieferketten innerhalb von Unternehmen und über Unternehmensgrenzen hinweg. Die drei tragenden Säulen des SCM, Beschaffung, Produktion und Distribution werden für die Informationsflüsse adaptiert und um eine weitere Säule, die Modifikation, erweitert. Konkret beschreibt das ISCM also,

  • wie Daten von vorgelagerten Wertschöpfungsstufen wie Lieferanten beschafft,
  • wie aus diesen Rohdaten nutzbare Produktinformationen produziert,
  • wie diese Daten für die Verwendung in verschiedenen Vertriebskanälen modifiziert und schließlich,
  • wie die Daten in die Kanäle hin zum Kunden verteilt

Die Zielsetzungen des zentralen Managements dieser Informationskette sind teilweise analog zum logistischen Pendant die Durchlaufzeitenverkürzung, die Freisetzung von Kostensenkungspotenzialen und die Steigerung einer operationalen Effizienz[4].

Einbindung der Lieferanten in die Contentbeschaffung

Werfen wir einen Blick auf ein Praxisbeispiel bei einem Reiseveranstalter, um das ISCM und seine Möglichkeiten zunächst auf Beschaffungsseite besser zu verstehen: Der Reiseveranstalter handelt u. a. mit Pauschalreisen, deren Hauptkomponente meist ein Hotelaufenthalt ist. Früher hatten diese Veranstalter für ihre Leuchtturmprodukte in den Zielgebieten eigenes Personal, das von Hotel zu Hotel fuhr, um Fakten über die Anlagen zu sammeln und Fotos zu erstellen. Diese Daten wurden in die interne Contentabteilung übermittelt und in Katalogseiten sowie in Ausleitungen für Web-Shop und Reiseportale manuell umgewandelt.

In den letzten Jahren hat sich dieser Prozess stark verändert, da der Reiseveranstalter vermehrt auf die Potentiale des ISCM-Ansatzes setzt und so die beteiligten Handelsakteure, wie die folgende Abbildung zeigt, aktiv in den Informationsprozess einbindet:

Abb.1: Beispielhafte Darstellung einer Information Supply Chain.

Heute stellt der Reiseveranstalter seinen Lieferanten, also u. a. den Hoteliers ein webbasiertes Lieferantenportal zur Verfügung, in dem sie ihre Produktdaten selbstständig erfassen. In der Touristik handelt es sich hierbei oft um eine manuelle Erfassung von hunderten Fakten über das angebotene Objekt. Am Beispiel Hotel werden in umfangreichen Web-Masken Informationen wie „Entfernung zum Stand“ und „Anzahl der Pools“ abgefragt. Ein analoges Vorgehen findet sich auch bei Versandhändlern wieder, die ebenfalls ihren Lieferanten einen Zugriff im Lieferantenportal gewähren. Hier findet allerdings die Dateneingabe in den seltensten Fällen manuell statt, sondern es wird den Lieferanten die Möglichkeit für einen Import ihrer Fat- und Long-Tail-Produktdaten geboten.

Datenqualitätsmanagement

Spätestens wer externe Akteure in den Datenbeschaffungsprozess einbindet oder wer (teil)automatisiert Produktdaten produziert und verteilt muss die Qualität der Daten messen, um so einer Ausspielung von Daten mit niedriger Qualität vorzubeugen. Diese Messung fängt im Lieferantenportal (s. grüne Schranken in Abb. 1) an, in dem die beschafften Daten automatisch und regelbasiert gecheckt werden. So werden z. B. nur die Produkte in das PIM-System automatisch übernommen, die eine definierte Mindestqualität erfüllen und somit ein sog. „Quality-Gate“ passieren können.

Da die Produktdaten im PIM manuell oder automatisch verfeinert und kanalspezifisch modifiziert werden, muss vor der Ausspielung in die Vertriebskanäle ebenfalls eine Qualitätsprüfung stattfinden. Fehlen notwendige Attribute wie der Preis, sind Texte zu lang oder zu kurz oder ist die Qualität des Bildmaterials nicht ausreichend, darf eine Distribution nicht stattfinden. Dabei können sich die Qualitätskriterien zwischen den Kanälen durchaus unterscheiden: während ein VK-Preis vermutlich in jedem Kanal notwendig ist, werden Attribute zur After-Search-Navigation nur im Online-Shop gebraucht, während eine 300 DPI-Auflösung nur bei Bildern für den Katalog erforderlich ist.

Kann man sich auf seine so definierten Quality-Gates verlassen, können Datenflüsse vom Lieferanten bis zum Kunden nahezu komplett automatisiert werden.

Abb.2: Datenqualitätsregeln können kanalspezifisch konfiguriert werden

Attributsberechnung & Textgenerierung

Lieferanten sollten Produktdaten möglichst granular, also kleinteilig erfassen, auch die Speicherung der Daten im PIM sollte möglichst granular sein. Grund für dieses PIM-Best Practice ist die Vermeidung von Redundanzen bei gleichzeitiger hoher Wiederverwendbarkeit, da so je nach Bedarf die Daten passend zusammengesetzt werden können[5].

Trotzdem werden für Abnehmersysteme wie dem Web-Shop oft zusammengesetzte Attribute oder in Texten aggregierte Daten benötigt. So möchte man z. B. die Zeichenfläche eines Whiteboards als After-Search-Kriterium im Web-Shop verwenden, speichert aber nur Höhe und Breite im PIM. Ebenso sollen vielleicht nicht die granularen Fakten einfach ausgespielt werden, sondern es sollen gut lesbare Texte entstehen. Damit ein derartiger Content keinen manuellen Redaktionierungsschritt benötigt, bedarf es also einer Rule-Engine, die Attribute berechnen und Texte anhand von regelbasierten Templates generieren kann.

So werden aus den von den Hoteliers gelieferten Fakten wie „Entfernung zum Stand“ = 50m automatisch Textbausteine erstellt wie „Das Hotel ist nur wenige Minuten vom Strand entfernt“.

Erstellung eines Master-Produktdatensatzes aus verschiedenen Quellen

Produktcontent lässt sich in einigen Branchen wie z. B. für standardisierte Produkte der Consumer Elektronik auch einkaufen. Arbeitet man als Versandhändler nicht nur mit Herstellern, sondern auch mit Großhändlern zusammen, kommt es oft vor, dass man den Produktcontent eines Produktes von gleich mehreren Lieferanten bekommt. In der Touristik gibt es spezielle Anbieter, sogenannte Bettendatenbanken, die freie Zimmerkontingente melden und über die sich der Content von Long-Tail-Produkten übernehmen lässt. Dies sind nur drei Beispiele in denen man vor der Herausforderung steht, wie man aus dem Produktcontent aus vielen Quellen einen kompletten, sinnvoll integrierten Master-Datensatz erstellt. Wichtig für eine solche „Vermengung“ der Daten ist eine intelligente Logik, die regelbasiert den sogenannten „Best Content“ aus den verschiedenen Quellen auswählt. Bei vielen Attributen klappt dies gut, allerdings sind einem Automat auch natürliche Grenzen gesetzt: So kann bei Medien z.B. zumindest die Aufnahmequalität quantitativ miteinander verglichen und eine Vorauswahl getroffen werden. Bei qualitativen Vergleichen wie beispielsweise welches von zwei identisch aufgelösten Bildern schöner ist oder welcher Beschreibungstext verständlicher und besser lesbar ist, kann dann doch nur vom Menschen ausgewählt werden. Wichtig ist, dass ein PIM-System auf der Erstellung eines Master-Produktdatensatzes aus verschiedenen Quellen unterstützt und die getroffenen Entscheidungen auch nachvollziehbar und im Nachhinein veränderbar macht.

Intelligente Printseitengenerierung

Einige PIM-Systeme bieten integriert oder über externe Plug-Ins die Möglichkeit, Print-Artefakte wie Kataloge automatisch zu generieren. Hierbei werden für Seiten und Produkte regelbasierte Vorlagen, sogenannte Templates erstellt und die Strecke eines Kataloges mit Produkten und Verwendung der Templates beschrieben. Aus diesen Informationen können dann automatisiert DTP-Dokumente erstellt werden, die oft mit nur geringem manuellen Aufwand abschließend gefinished werden und dann in den Druck gehen können.

Abb.3: Beispielausschnitt für Publishing mit einem im PIM integrierten Publishing-Modul

Auf einen Blick

Moderne PIM-Systeme geben heute Unternehmen weit mehr Möglichkeiten als nur händisch den Produktcontent zu redaktionieren und in verschiedene Vertriebskanäle zu verteilen. Vollumfängliche Komplettlösungen, wie beispielsweise die eggheads Suite, binden geschickt die verschiedenen, am Contentprozess beteiligten Akteure ein. Durch eine Vielzahl von Automatismen in diesem unternehmensübergreifenden Prozess, minimieren moderne Händler und Hersteller den Aufwand im gesamten Contentprozess bei gleichzeitiger Erhöhung der Produktdatenqualität. Neben einem offensichtlichen Kosteneinsparpotential lässt sich hierdurch die Time-to-Market-Zeit stark verkürzen, was zusammen mit dem höherwertigen Content einen gewichtigen Wettbewerbsvorteil darstellt.

Wichtig hierbei ist, dass die vielen Automatismen durch den Betreiber selber konfigurierbar und das automatisch getroffene Entscheidungen nachvollziehbar sind. Nur so kann adäquat eine schrittweise Verbesserung der Logiken und damit des im Ergebnis erstellten Contents erzielt werden.

Unser Autor

Eric Dreyer, Direktor Produktmanagement und Mitglied der Geschäftsleitung, eggheads

 

Eric Dreyer ist als Direktor Produktmanagement und Mitglied der Geschäftsleitung verantwortlich für die Produktstrategie und die Produktqualität im Hause eggheads. Zuvor war er bereits einige Jahre Leiter der Entwicklungsabteilung. Der Wirtschaftsinformatiker beschäftigte sich in seiner Di­plom­ar­beit mit der In­te­gra­tion so­zial­er Netz­wer­ke in eCom­merce, er führ­te vier Jahre lang sein ei­ge­nes Un­ter­neh­men zur Ent­wick­lung in­di­vi­du­el­ler eCom­merce Web-­App­li­ka­tion­en und war drei Jahre lang für Inter­shop als Product Manager tätig.

Weiterführende Informationen über das Unternehmen unter:

eggheads GmbH

Quellen:

[1] Vgl. Riekhoff, H.-C.: Retail Business. Perspektiven, Strategien, Erfolgsmuster. 3. Aufl., 2013, S. 134.

[2] Vgl. Anderson, C.: The Long Tail, in: Wired, 12. Jg. Nr. 10, 2004, S.170-177.

[3] Vgl. Stahl, E. u. a.: E-Commerce-Leitfaden. Noch erfolgreicher im elektronischen Handel, 2012, 2ff.

[4] Vgl. D. Spiegelberg, Enterprise Marketing Management, Business, Economics and Law, 2013, S. 11ff.

[5] Vgl. Eisenburger, S.: Kundendaten und Produktdaten fit machen mit Information Supply Chain Management (ISCM), Datengranularität und dem „Golden Record“, https://www.sebastian-eisenbuerger.de/kundendaten-und-produktdaten-fit-machen-mit-information-supply-chain-management-iscm-datengranularitaet-und-dem-golden-record-teil-8-der-serie-automatisiertes-11-marketing-i/, Abrufdatum 2018-05-16.