Neue Selbstschutz-Waffen – Technologie befeuert den Absatz
Gastbeitrag von Jörg Sprave
Neue Selbstschutz-Waffen – Technologie befeuert den Absatz
Viele deutsche Waffenhändler berichten von stagnierenden oder sogar sinkenden Absatzzahlen. Dies belegt auch das „Stimmungsbarometer“ des Branchenverbands „VDB“: Die Waffenumsätze waren in 2023 rückläufig. Angesichts Inflation und Wirtschaftskrise üben sich offensichtlich auch viele Jäger und Sportschützen in Kaufzurückhaltung.
Anders dagegen der Bereich des Selbstschutzes. Die Deutschen fürchten sich zunehmend massiv vor Bedrohungen: Krieg, Blackout und öffentliche Unruhen. Vielen Bürgern erscheinen die Zeiten zunehmend unsicher und der Wunsch, im Falle eines Falles nicht wehrlos zu sein, wird wach. Scharfe Waffen kommen aber für viele Bürger nicht in Frage, denn die rechtlichen Hürden für den Erwerb liegen extrem hoch. Das deutsche Waffengesetz gehört zu den strengsten der Welt. Jahrelange aktive Mitgliedschaft in einem Schützenverein oder die schwierige Ausbildung zum Jäger sind Bedingung für den Erwerb einer Schusswaffe. Hinzu kommen hohe Kosten für Waffentresore, Gebühren, Übungsmunition und behördliche Kontrollen.
Daher schauen viele Menschen in Deutschland auf erlaubnisfreie Alternativen. Der „kleine Waffenschein“, der zum Tragen einer Schreckschuss-Waffe berechtigt, erfreut sich großer Beliebtheit. Sehr gut sieht man den „Angstsprung“ 2015/16 in der Grafik (Quelle: VDB) – aber auch danach bleibt die Zahl der Neuanträge weiter auf hohem Niveau.
Schreckschusswaffen sind allerdings nur begrenzt für den Selbstschutz geeignet, da sie einen entschlossenen Angreifer nicht effektiv stoppen können. Viele Bürger wünschen sich deshalb eine „scharfe“ Waffe für den Selbstschutz, ganz ohne einen „Waffenschein“. Solche Produkte gibt es, anders als viele denken sind eben nicht alle wirkungsvollen Waffen erlaubnispflichtig. Die auf diese Weise entstandene Nachfrage nach leistungsfähigen, aber frei verkäuflichen Waffen hat zur Entwicklung ganz neuer Produkte geführt, die sehr spezifisch auf die juristische Situation in Deutschland zugeschnitten sind. Im Mittelpunkt stehen vier besonders interessante Waffentypen: Armbrüste, Bögen, Druckluftwaffen und Messer. Es handelt sich in allen Fällen grundsätzlich um erlaubnisfreie Waffen in Deutschland, wenn auch mit zum Teil drastischen gesetzlichen Einschränkungen.
Armbrüste zum Beispiel sind zwar schon immer tödliche Waffen gewesen, bis zur Erfindung von Feuerwaffen waren sie die bevorzugte Fernwaffe für Kriege und die Jagd. Aufgrund des umständlichen Ladevorgangs und der schwierigen Handhabung sind Armbrüste heute allerdings von nahezu allen waffenrechtlichen Regulierungen ausgenommen. Man muss lediglich volljährig sein. Armbrüste dürfen erlaubnisfrei gekauft und besessen werden. Sogar das Tragen einer geladenen Armbrust in der Öffentlichkeit ist explizit gestattet (wenn auch eher unüblich).
Die Waffenhersteller haben jüngst ein beeindruckendes Maß an Weiterentwicklung betrieben, um Armbrüste geeignet für den Selbstschutz zu machen. Aus Wilhelm Tells klobigen, schwer zu spannenden Einzelschuss-Armbrüsten sind kompakte Schnellfeuer-Waffen geworden, die dank integrierter Spannhebel und Pfeilmagazinen einer Schusswaffe kaum mehr nachstehen. Die schnellsten Modelle erlauben Nachladezeiten von unter einer Sekunde, ganz ohne langes Training. Die rasiermesserscharfen Pfeile durchdringen sogar schusssichere Westen mit Leichtigkeit. Sie sind ohne Werkzeuge innerhalb von Sekunden zerlegbar und somit voll transportabel. Moderne Visiersysteme wie Rotpunkt-Optiken oder Zielfernrohre erlauben präzises Treffen auf bis zu 50 Metern und darüber hinaus. Mit Preisen ab 250 € sind diese Waffen erschwinglich und erfreuen sich auch deshalb großer Beliebtheit.
Moderne taktische Repetierbögen sind zwar nicht für olympische Turniere zugelassen, erlauben aber selbst einem „blutigen“ Anfänger, sieben Pfeile innerhalb weniger Sekunden mühelos ins Schwarze fliegen zu lassen – zu erlernen an einem Nachmittag. Mit Laser-Zielsystem und rasiermesserscharfen Pfeilspitzen ausgestattet sind das hoch effektive und präzise Verteidigungswaffen. Die hochmoderne „Compound“ Technologie arbeitet mit exzentrischen Umlenkrollen und erlaubt extrem hohe Pfeilgeschwindigkeiten bei sehr kompakten Abmessungen. Rechtlich gesehen sind diese Bögen allerdings nicht einmal eine Waffe – man darf so einen Repetierbogen geladen und schussbereit an die Wand hängen.
Die modernen Nachfolger von Opas Knicklauf-Luftgewehr sind großkalibrig, werden mit extrem hoch verdichteter Luft auf Vorrat gefüllt, haben wechselbare Magazine und repetieren wie eine „Pumpgun“. Die Top-Modelle sind sogar automatisch – zieht man den Abzug, fällt ein Schuss. Jedes Mal. Bis zu 19 Schuss sind innerhalb von 4 Sekunden „unterwegs“. Schalldämpfer sorgen für flüsterleise Schüsse. Zwar sind in Deutschland nur „schlappe“ Druckluftgewehre erlaubnisfrei – aber jeder Waffe liegt ein „Exportkit“ bei, das in kurzer Zeit von jedermann eingebaut werden kann und die Waffe dann auf das 100fache der erlaubten Energie bringt. Das ist zwar strafbar, aber die Besitzer erfreuen sich an der Möglichkeit, im Ernstfall Zugriff auf eine wirklich wirkungsvolle Waffe zu haben.
Die letzte Kategorie der modernen Selbstschutz-Waffen sind Messer. Seit nunmehr 20 Jahren darf man allerdings nur noch bestimmte Messer bei sich tragen, zum Beispiel feststehende Messer mit sehr kurzen Klingen oder Zweihand-Klappmesser wie das „Schweizer Offiziersmesser“. Jetzt sind jedoch Modelle erhältlich, welche die vorhandenen Gesetzeslücken geschickt ausnutzen. Solche Messer sind teilweise mit riesigen Klingen ausgestattet, dürfen aber dennoch ganz ohne Grund mitgenommen werden. Es handelt sich dabei meist um Modelle, die zwar technisch gesehen Klappmesser sind, aber Verriegelungen aufweisen und legal geöffnet am Gürtel getragen werden. Dasselbe Messer mit einer feststehenden Klinge darf dagegen NICHT ohne guten Grund mitgeführt werden.
Der Absatz dieser Produkte ist stark wachsend. Die GoGun GmbH in Essen ist spezialisiert auf Waffen für genau diesen Markt – und der Umsatz steigt rasant. Innerhalb von 5 Jahren seit dem Beginn der Geschäftstätigkeit stieg der Nettoumsatz von 2,7 Mio. € auf 20,1 Mio. € – mehr als das 7fache.
Diese Waffen sind frei verkäuflich ab 18 Jahren und werden nirgendwo registriert. Trotz der großen Beliebtheit tauchen sie in den Kriminalstatistiken nicht auf – weil sie für Straftaten ungeeignet sind. Sie sind zu sperrig und auffällig für Kriminelle. Das haben sie mit Jagdgewehren gemein – die übrigens in Österreich aus genau demselben Grund erlaubnisfrei verkauft werden. Straftäter wollen kleine, leicht zu verbergende Waffen mit hoher Magazinkapazität, moderne Pistolen und Revolver. Mit Armbrüsten und Druckluftgewehren können sie nichts anfangen. Natürlich „interessieren“ sich Kriminelle auch nicht für die „Trageverbote“ langer Messer – eine billige Machete aus dem Baumarkt oder ein langes Fleischmesser aus dem Supermarkt tut’s auch. Zielpublikum für die legalen Waffen neuer Konzeption sind die gesetzestreuen Bürger.
Diese Waffen werden zum größten Teil sowohl online beworben als auch verkauft. Der YouTube-Kanal des GoGun-Geschäftsführers und Teilhabers Jörg Sprave hat über 3 Millionen Follower. Neuvorstellungen, Verkaufsaktionen und Beschusstests erreichen das Zielpublikum innerhalb kürzester Zeit. Links zum Store der GoGun GmbH sorgen für ein nahtloses Einkaufserlebnis. Die Kunden bilden eigene „Communities“, sammeln sich auf Facebook, auf WhatsApp und in eigenen Foren.
Hergestellt werden die Produkte überall auf der Welt. Armbrüste kommen aus Taiwan, Druckluftgewehre aus Schweden, Süd-Korea und China, Messer aus Solingen, Italien und auch aus Asien.
Die GoGun GmbH beschäftigt etwa 15 Mitarbeiter am Standort Essen, Neueinstellungen sind beabsichtigt.
FAZIT: Der Markt mit hochentwickelten freien Waffen boomt, getrieben durch die Krisenangst der Deutschen.