Leben und Werben in Smart Cities

Gastbeitrag von Dr. Kai-Marcus Thäsler

Songdo City – das ist kein fiktiver Ort in einem Hollywood-Blockbuster, sondern weltweit DIE Smart City Vorzeigestadt. Effizienter, grüner, ökologischer, sozialer, wirtschaftlicher, moderner und smarter. Weltweit spielen technologiebasierte Entwicklungskonzepte rund um digitale Innovationen in urbanen Räumen eine immer größere Rolle. In der Planstadt Songdo, an der südkoreanischen Küste, ist alles und jeder permanent miteinander vernetzt.

Ein Experiment. Eine intelligente Stadt, die das Leben der Menschen ressourcenschonend, umweltfreundlich und komfortabler machen soll. Dazu nutzen die Menschen eine Smart Card mit Multifunktion wie ÖPNV-Nutzung, Krankenversorgung, Wohnungszugang, Bezahlmittel und Bankdienste. In den Häusern werden individuelle Verbrauchsdaten erhoben, anhand derer der Energieverbrauch optimiert wird. Ampeln und Laternen reagieren auf die aktuelle Verkehrslage bzw. Passantendichte. Der Müll wird per Rohrpost unterirdisch entsorgt. Die Vernetzung spart etwa 30 Prozent Energie und Ressourcen gegenüber konventionellen Städten.

Neben Songdo City, gibt es weitere prominente Vorreiter der intelligenten Stadt wie Singapur, Dholera (Indien), Fujisawa (Japan) und Masdar (Vereinigte Arabische Emirate). Auf Platz 1 des Smart City Index der easypark group, Marktführer im Handyparken, steht Kopenhagen. Berlin und Hamburg sind immerhin auf Platz 13 und 14, noch vor London, Paris und New York.

Europa und Deutschland werden smart

Digitalisierung, Klimawandel und Energiewende – all das spiegelt sich in Smart City-Projekten wider. Auch in Europa gibt es bereits viele spannende Projekte. In Glasgow wird die Hitzeabstrahlung der Industriegebäude zum Beheizen von Wohnhäusern genutzt. Die spanische Stadt Santander startete 2010 eine EU-geförderte Initiative für sensor-gesteuerten Verkehr und Abfallmanagement. Im europäischen Vorzeigeland Estland ist schon lange vieles digital: von der Steuererklärung über die Gesundheitsdaten, das Unterrichtsmaterial bis hin zur Verwaltung – alles ist papierlos. Und in Tallinn fahren schon autonome Minibusse.

In Deutschland gibt es keine komplett intelligente Smart City, aber schon einige innovative Projekte. Bottrop in der InnovationCity Ruhr hat seit 2010 bereits über 200 Projekte für den Klima- und Strukturwandel initiiert. BMW etwa hat eine App für Autofahrer entwickelt, die Ampelphasen auf dem Display des Autos anzeigt, damit die Geschwindigkeit angepasst werden kann. Die Stadt Frankfurt am Main will mit seinem Masterplan „100 Prozent Klimaschutz“ bis 2050 der Energieverbrauch um 50 Prozent reduzieren und zugleich die Energieversorgung zu 100 Prozent auf erneuerbare Energien umstellen. Die Verkehrsleitzentrale in Darmstadt nutzt Daten aus dem Straßenverkehr, etwa wie viele Autos an welcher Ampel durchfahren und wie die Ampeln getaktet sind, um ihren Verkehrsfluss zu steuern und die CO₂-Bilanz zu verbessern.

“Smarte” Start-Ups

Auch im Start-up-Bereich gibt es kreative Ideen für Mobilität und Ressourcenschonung in smarten Städten. Mit der App “ParkHere” können Münchener durch sensorgesteuerte Echtzeit-Daten einen Parkplatz suchen. “SM!GHT” ist die intelligente Straßenlaterne des baden-württembergischen Energieversorgers EnBW, die nicht nur Licht spendet, sondern auch als Ladestation für E-Fahrzeuge, WLAN-Hotspot und Notrufsäule fungiert. In Kassel investiert man ebenso in intelligente Verkehrssteuerung: Ampeln und Autos kommunizieren miteinander, sodass unnötiges Beschleunigen oder Bremsen vermieden wird und der Verkehr möglichst reibungslos fließt.

Data-Sharing Ökonomie

All diese Bespiele beruhen auf intelligenten Systemen, die Daten auswerten und auf Basis großer Datenmengen. Data-Sharing ist also ein wichtiger Erfolgsfaktor. Je mehr geteilt wird, desto umfassender und smarter wird die Stadt oder Region. 2030 werden in Ballungszentren voraussichtlich so viele Menschen leben wie heute auf der ganzen Erde. Das Bevölkerungswachstum und die Urbanisierung erfordern nachhaltiges und verantwortungsvolles Ressourcenmanagement. Eine Aufgabe, die alle etwas angeht. Echte Smart Cities können nur entstehen, wenn Forschung, Wirtschaft, Politik und Verwaltung zusammenarbeiten.

Die Rolle der Werbetreibenden

Aber nicht nur die Politik investiert in Projekte, auch Anbieter aus der Wirtschaft wie Cisco, IBM oder Siemens treiben die Entwicklungen voran. Große Marken und Werbetreibende haben schon längst ihre Fühler in Richtung Smart City Projekte ausgestreckt. Zum einen, weil durch die Vielzahl an digitalen Flächen im öffentlichen Raum für sie Potential besteht, nicht nur traditionelle Werbeflächen zu bespielen, sondern sich auch neue Möglichkeiten ergeben, ihrer Zielgruppe intelligenten Mehrwert zu bieten. Zum anderen, weil jegliche Konzepte auf Nutzer- bzw. Verhaltensdaten beruhen, die Werbetreibende besitzen und monetarisieren können. Hierbei spielen nicht die Daten einzelner Personen eine Rolle, sondern die Daten verschiedener Zielgruppen insgesamt. Das Bild einer Smart City in der man an einem übergroßem Screen vorbeiläuft und ganz individuell angesprochen wird, stammt tatsächlich aus Hollywood-Filmen. Tatsächlich sollen solche Screens Echtzeit-Mehrwert bieten und in nicht allzu ferner Zukunft in Smart City Projekte eingebunden sein.

Kooperationen sind der Schlüssel für die Entwicklung von Smart Cities

Hier in Deutschland gibt es trotz einzelner Projekte noch keinen ganzheitlichen Ansatz für eine echte Smart City. Was noch fehlt, ist die Verknüpfung von Akteuren und Konzepten. Deutsche Kommunen und Unternehmen müssen viel intensiver zusammenarbeiten, um wirklich smarte Städte zu entwickeln. Wir brauchen hierzulande viel mehr Kooperationen und Plattformen für den Austausch von Ideen, Konzepten und Daten.

Über den Autor

Dr. Kai-Marcus Thäsler ist Geschäftsführer von Posterscope Germany, der Out-of-Home Consultancy des Dentsu Aegis Networks. Davor war er beim Außenwerber Ströer maßgeblich an der Digitalisierung des Öffentlichen Raums beteiligt: Er verantwortete den Aufbau des Out-of-Home-Channels, Europas größtem Netz von Public Screens. Ursprünglich ist Thäsler Journalist. Er war unter anderem Nachrichtenchef des Fernsehnachrichtensenders n-tv und Chefredakteur von n-tv.de. Für die Nachrichten-Website erhielt er 2001 den Grimme Online Award. Nebenbei hält er Vorlesungen in Medien- und Werbepsychologie an der Fachhochschule für Ökonomie und Management.