Krisen besser meistern
Vier Strategien für mehr Agilität in der produzierenden Industrie
In turbulenten Zeiten wie der aktuellen Pandemie oder der Flutkatastrophe im Juli scheint der Begriff „betriebliche Agilität” omnipräsent. Die großen Tech-Unternehmen und Beratungsfirmen zeigen sich erwartungsgemäß agil und anpassungsfähig. Doch es ist unwahrscheinlich, dass Produktionsbetriebe mit ihren Fertigungsanlagen und über viele Standorte verstreuten Teams von den gleichen Fähigkeiten profitieren können.
Was aber bedeutet betriebliche Agilität aus Sicht eines produzierenden Unternehmens und wie erreicht man sie?
Es geht weniger darum, wie schnell oder wie umfangreich angestrebte Veränderungen umgesetzt werden. Vielmehr geht es um eine effiziente Kommunikation innerhalb großer und dezentral organisierter Unternehmen.
Egal ob Lieferketten durch eine Pandemie gestört werden, ob die Maschinen stillstehen, weil das Firmengelände und Produktionsanlangen überflutet wurden, wie im Juli beim Autozulieferer ZF und dem Kupferspezialisten Aurubis, oder ob die Nachfrage in Folge von Turbulenzen auf den Weltmärkten einbricht: Produktionsbetriebe müssen den unternehmensweiten Informationsfluss über alle Standorte hinweg sicherstellen. Denn Agilität hängt vom ungehinderten Fluss wichtiger Informationen sowie vom direkten Kontakt zu und zwischen den Mitarbeitenden ab.
Die gute Nachricht: Herstellungsbetriebe sind in der Regel an Störungen im Produktionsablauf gewöhnt und dadurch krisenerprobt. Lieferschwierigkeiten, Änderungen bei gesetzlichen Bestimmungen, schwankende Märkte und zunehmend auch Naturkatastrophen gehören zum Alltag. Aus der notwendigen Anpassung wurde praktisch eine selbstverständliche Routine. Die schlechte Nachricht: Die Pandemie belastet die Branche auf eine nicht gekannte Art und Weise. Agilität ist in dieser Situation wichtiger denn je, aber gleichzeitig auch schwieriger umzusetzen.
„Kommunikation ist das Fundament, das jedes Unternehmen festigt und alle Bereiche und Mitarbeiter zusammenschweißt.“
Agilität hilft, Krisen zu bewältigen
Seit Beginn der Pandemie mussten viele Industrieunternehmen ihren Betrieb praktisch über Nacht einstellen, um ihn später ebenso schnell wieder hochzufahren. Die Umsetzung des Social Distancing und der erforderlichen Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen erschwerten die Wiederinbetriebnahme. Allein für den organisatorischen Ablauf bedeutet das einen enormen Mehraufwand, vom Produktionsbetrieb ganz zu schweigen. Herstellungsbetriebe oder Bauunternehmen, die aufgrund von Gesundheitsauflagen ihre Tätigkeit entweder einschränken oder vollständig einstellen mussten, können ihre Arbeit nicht einfach ins Homeoffice verlagern.
Die Mitarbeitenden sind voneinander und vom Unternehmen abgeschnitten und haben keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Ressourcen wie Gerätschaften oder Informationen. Vielen Unternehmen fehlt ein Notfallplan für eine solche Situation. Um den Anschluss nicht zu verpassen, sind Ideenreichtum, Einigkeit bei den Geschäftszielen sowie schnelles und entschlossenes Handeln gefragt. Produktionsbetriebe sind gezwungen, ihre Pläne, Strategien und grundlegenden Geschäftsziele zu überprüfen – und in vielen Fällen zu revidieren. Kurz: Produzierende Unternehmen brauchen neue Strategien für mehr betriebliche Agilität und sie müssen in kurzer Zeit innovative Konzepte entwicklen.
Pandemie beschleunigt die Digitalisierung
Zu alledem beschleunigt die Pandemie den Trend der Digitalisierung. Das bedeutet eine Verlagerung weg vom persönlichen und hin zum digitalen Austausch. Beziehungen zu Kunden, Lieferanten, Mitarbeitenden und zum gesamten Netzwerk eines Unternehmens verändern sich. Und die Krise zeigt uns, dass eine digitale Umgebung effizienter, praktischer und individualisierbarer ist als analoge Szenarien.
Das Ausmaß, in dem einige Produktionsbetriebe bereits auf die Situation reagiert haben, ist beispielhaft: Wir wissen von Spirituosenherstellern, die zur Produktion von Handdesinfektionsmittel übergingen, oder von Sportartikelherstellern, die ihre Anlagen für die Fertigung von Gesichtsmasken umrüsteten. Mit etwas Kreativität und Initiative ist Agilität auch in Krisenzeiten möglich. „Business as usual“ hat mit den ersten COVID-19-Fällen jedenfalls ausgedient und es ist fraglich, ob wir jemals zur gewohnten Normalität zurückkehren. Die konkreten Herausforderungen beim Meistern einer Krise gestalten sich für jedes Unternehmen anders. Auf eines sind sie aber alle gleichermaßen angewiesen: mehr Agilität.
Das Fundament betrieblicher Agilität
Die folgenden Strategien unterstützen Unternehmen in Krisensituationen dabei, schnelle Veränderungen und betriebliche Organisation unter einen Hut zu bringen:
- Informieren Sie in Echtzeit. Mitarbeitende sind auf schnelle und aktuelle Informationen angewiesen, ob es sich nun um Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen, neue Arbeitsabläufe, Anpassungen der Geschäftsziele oder um andere Aspekte handelt, die geklärt werden müssen. Je schwieriger der Zugang zu diesen Informationen ist, desto unübersichtlicher wird die Mitarbeiterkommunikation.
Das Bereitstellen von Informationen in Echtzeit garantiert, dass Mitarbeitende auf alle akuten Fragen sofort eine Antwort finden. In Krisensituationen lässt sich so verhindern, dass die Kommunikation zusammenbricht. Versuchen Sie, so transparent wie möglich zu kommunizieren und den Informationszugang so einfach wie möglich zu gestalten.
- Identifizieren Sie Informationsengpässe. Durch die Pandemie wurden bereits bestehende Informationsengpässe in Unternehmen verstärkt oder es wurden neue geschaffen. Die Analyse, wie interne Kommunikation funktioniert — also wie Informationen durch eine Organisation fließen — hilft dabei, Engpässe zu identifizieren und Lösungsansätze zu erkennen.
Ein guter Zugang zu Informationen aller Art und auf allen Ebenen beschleunigt und verbessert die Entscheidungsfindung. Vor Corona gaben 86 Prozent der befragten Unternehmen an, dass gewerbliche Mitarbeitende mehr Einblicke ins Unternehmensgeschehen benötigten. Diese Zahl ist seither noch gestiegen.
- Setzen Sie Inputs aus der Belegschaft um. Ihr größter Wettbewerbsvorteil sind Ihre Mitarbeitenden, die sich immer am Puls des Geschehens befinden. Führungskräfte, die Ideen und Perspektiven von Mitarbeitenden ignorieren, laufen Gefahr, Warnzeichen bei den Betriebsabläufen und innovative Ideen zu übersehen. Informationen müsse in einem Unternehmen nicht nur frei fließen können, sondern auch breit gestreut sein — vom Austausch unter vier Augen bis hin zu unternehmensweiten Kommunikationsmaßnahmen.
- Schaffen Sie neue Touchpoints. Das Feedback von außerhalb des Unternehmens — von Kunden oder Lieferanten — ist für die betriebliche Agilität sehr wertvoll. Solche Rückmeldungen helfen Unternehmen dabei auszuloten, wie sie die betriebliche Flexibilität verbessern können, ohne die Geschäftspartner zu verstimmen.
Nehmen Sie solche Inputs von außen also ernst und holen Sie sie aktiv ein. Digitale Touchpoints wie Bewertungsseiten oder Feedback-Portale erleichtern es Außenstehenden, Anregungen, Lob oder Beschwerden anzubringen. Unternehmen könne daraus Schlüsse für die nächsten Schritte ziehen.
Fazit
Nur wenn alle an einem Strang ziehen, ist betriebliche Agilität möglich. Jedes Unternehmen kann sich schnell und erfolgreich weiterentwickeln, solange es als Einheit funktioniert. Kommunikation ist das Fundament, das jedes Unternehmen festigt und alle Bereiche und Mitarbeitenden zusammenschweißt.
Über den Autor
Daniel Sztutwojner ist Chief Customer Officer und Mitgründer von Beekeeper, der Mitarbeiter-App für Ihre gewerblichen Teams. Die mobile Plattform von Beekeeper vereint Kommunikation und Tools und steigert damit Agilität, Produktivität und Sicherheit. Daniel Sztztwojner setzt sich dafür ein, Unternehmen zu mehr betrieblicher Effizienz zu verhelfen. Seine Karriere begann mit einem Studium der angewandten Mathematik, gefolgt von mehr als acht Jahren Erfahrung in der Verkaufs- und Kundenberatung.