Disruption verlangt mutige Entscheidungen
Die TREND REPORT-Redaktion im Interview mit Klaus Schlichtherle, CEO bei Infinigate, über die Rolle der Digitalisierung im Spannungsfeld zwischen Tradition und Disruption, neue Chancen für den IT-Channel und den Stellenwert digitalisierter Plattformen.
Herr Schlichtherle, welchen digitalen Reifegrad offenbaren die Prozesse zwischen Herstellern, Distributoren und Resellern?
Im Umfeld der Cyber Security Distribution ist der Reifegrad relativ gering. Es handelt sich oftmals um kleinere bis mittelgroße Hersteller, die sehr jung sind und sich erst einmal darauf konzentrieren, ihre Produkte schnell zu entwickeln. Der Fokus liegt da nicht auf der Digitalisierung der Prozesse. Als Value Add Distributor helfen wir Herstellern, diese Prozesse zu verbessern und Brücken zu bauen. Ein wichtiger Baustein ist hier sicherlich „Intelligent Automation (IA)“ – eine Sparte der Künstlichen Intelligenz, bei der mittels intelligenter Software standardisierte Prozesse automatisiert werden, sodass eine effizientere, kostengünstigere und flexiblere Geschäftsführung möglich wird. Wer IA erfolgreich implementiert, kann seine Wettbewerbsfähigkeit entscheidend steigern und sich besser an veränderte Marktbedingungen anpassen. Der Vertrieb nimmt im Channel unterschiedliche Formen an: Hyperscaler sind stark digitalisiert, aber in der Regel nicht spezialisiert, während VADs eher spezialisiert, aber im Allgemeinen nicht sehr digitalisiert sind. Infinigate selbst hat sich für Spezialisierung und Digitalisierung entschieden und ist daher in der Lage, seinen Partnern eine schnelle, reibungslose digitale Abwicklung in Kombination mit einem einfachen und digitalen Zugang zu wertschöpfenden Expertendienstleistungen zu bieten – von Datenanalyse und Marketing, bis hin zu Pre- und Post-Sales Support. Wir sind davon überzeugt, dass dies die Formel für die Generierung von Wachstum im aktuellen Umfeld ist und investieren stark in die Schaffung eines wettbewerbsfähigen digitalen Wertangebots in ganz EMEA.
Inwieweit hat sich die Rolle des Vertriebskanals verändert?
Früher hatte der Channel eine im Wesentlichen transaktionale Rolle, die sich darauf konzentrierte, die Produkte und Dienstleistungen der Anbieter über die Reseller an die Endbenutzer zu verkaufen. Heute muss sich der Vertriebskanal von einem Transaktionsvermittler zu einem Partner für das Management des gesamten Kundenlebenszyklus wandeln, dessen Kernstück eine digitale Engine ist, die die Kundenerfahrung beeinflusst, um die Kundenbindung zu erhöhen. Die Digitalisierung ist hier kein Ersatzprozess, sondern ein zusätzlicher Prozess; sie ist eine Ergänzung zu persönlichen Dienstleistungen und kann tatsächlich Zeit für eine bessere persönliche Interaktion mit den Kunden freisetzen, die sich auf Aufgaben und Aktivitäten konzentriert, bei denen eine persönliche Note wirklich helfen kann.
Der Fachkräftemangel, Wissenslücken und fehlende Risikobereitschaft bremsen die Digitalisierung vielerorts. Hinzu kommt, dass es oftmals an einer klaren Strategie fehlt, um das Geschäft wirklich neu zu erfinden, statt ihm nur den digitalen Mantel überzustülpen. Wie lassen sich Kompromissentscheidungen verhindern?
Einen klaren Plan zu haben mit einer detaillierten Zielsetzung, die sich am Machbaren orientieren sollte und in kleineren Etappen vollzogen werden kann, ist zweifellos wichtig. Doch was Disruptionen vor allem voraussetzen, sind mutige Entscheidungen. Wir stehen vor dem kompletten Umbruch des Distributionssystems für Cyber Security – von einem überwiegend Lizenz- und Hardware-getriebenen Geschäftsmodell hinein in eine „as-a-Service“-Welt. Folglich muss man das Alte und Neue separat betrachten und dementsprechend unterschiedliche Strategien erarbeiten. Das neue Geschäft verlangt hohe Investitionen, andere Skill-Sets der Mitarbeitenden, andere IT-Systeme, andere Prozesse, neue Vertriebsmodelle, neue Bonusmodelle und andere KPIs. Das alte Geschäftsmodell ist gekennzeichnet durch Kostenkontrolle, Cash-Cow-Mentalität, klare Service-KPIs beim Kunden und viele weitere Faktoren. Bedeutet: Am Ende des Tages müssen zwei völlig unterschiedliche Geschäftseinheiten und Geschäftsmodelle verfolgt werden – und zwar ohne Kompromisse. Zugegebenermaßen ist dies leichter gesagt als getan…
Doch ohne die Transformation des Werteversprechens und des Bewusstseins aller Beteiligten kann jede digitale Initiative nicht mehr als ein Strohfeuer sein. Wie ist eine digitale Disruption so zu vermitteln, dass am Ende alle an einem Strang ziehen?
Im Wesentlichen wird es darum gehen, konsequent die Verbesserungspotenziale der Digitalisierung im langfristigen Kontext aufzuzeigen und hier insbesondere auch die sich ändernden Anforderungen aller Beteiligten nicht außer Acht zu lassen. Unterstützenden Maßnahmen wie Schulungen, Awareness Trainings und Weiterbildungen spielen hier eine tragende Rolle.
Eine tragende Rolle spielen an dieser Stelle auch die Führungskräfte. Welchen Ansatz muss ein „digitaler CEO“ heute verfolgen?
Der Ansatz sollte sein, dass allen Parteien – Herstellern und Resellern – Verbesserungspotenziale geboten werden. Wir sollten beide Seiten bei der Digitalisierung der Produkte, Abläufe, Prozesse und Systeme unterstützen. Die wichtige Rolle des Aggregators spielt nach wie vor der Distributor. Und dessen Funktion hat sich dahingehend verändert, dass er jetzt die digitale Plattform für den Channel ist.
Welche Strategie verfolgt Infinigate im Bereich dieser digitalisierten Plattformen?
Infinigate hat sich zum Ziel gesetzt, seinen Partnern und deren Kunden eine digitale Welt zu ermöglichen, in der sie auf jede Technologie oder Dienstleistung zugreifen können, unterstützt durch die Expertise eines Spezialisten. Mit Infinigate Digital Connect (ID Connect) steht Partnern ein Portal zur Verfügung, das alle Kundeninteraktionen durch ein umfassendes Portfolio an Tools und Plattformen abdeckt. Innerhalb dieser Plattform können sie auf eine breite Palette digitaler Dienste zugreifen, um alle ihre Bedürfnisse abzudecken – von der digitalen Bereitstellung von Cloud-Abonnement- oder MSP-Programmen, dem Kauf von herkömmlicher Hardware, der Abfrage wichtiger Informationen, wie Bestellstatus, Lagerbestand oder anstehende Verlängerungen, dem Zugriff auf vorgefertigte Marketingkampagnen, den neuesten Anbieterschulungen und vieles mehr. Für uns geht es dabei um zwei Aspekte: Erstens, alle Channel-Teilnehmer zu unterstützen, um die Digitalisierung der Abläufe zwischen ihnen zu verbessern, und zweitens, dieses Modell so schnell als möglich zu skalieren.
Über das Unternehmen:
Die Infinigate Gruppe, die führende Technologieplattform und vertrauenswürdige Beraterin im Bereich Cybersecurity und Cloud, ist in über 100 Ländern vertreten und zeichnet sich durch ein fundiertes technisches Know-how in den Bereichen Cybersicherheit, sichere Netzwerke und sichere Cloud aus. Die lokal zugeschnittenen Dienstleistungen sorgen für eine robuste zentrale Lieferkette und unterstützen Channel-Partner, Managed Security Service Provider und Vendoren in ihrem Wachstum.