Digital Banking

Traditionelle Hausbanken sind nicht länger in der Lage, sämtliche Bedürfnisse ihrer Kunden exklusiv zu bedienen. FinTechs erobern unbesetzte Nischen und auch die Giganten der Digitalisierung dringen in den Markt. Im Wettbewerb gilt es, sich auf seine Kernkompetenz zu besinnen und Neues als Chance wahrzunehmen.

Immer mehr Institute folgen einem Trend, der sich in der Wirtschaft seit einigen Jahren abzeichnet und durch die immer größer werdende Welt der Start-ups verstärkt wird – der Lockerung des Dresscodes.

Galten Anzug und Krawatte früher als besonders vertrauensstiftend, ist mit diesem Erscheinungsbild seit der Bankenkrise oft das Bild des windigen Verkäufers konnotiert. Das wichtigste, was ein Finanzkaufmann in einer sich zunehmend automatisierenden Welt seinen Kunden vermittelt, ist kein Produkt. Von der Vermögensanlage bis zum Kredit lässt sich heute alles online ohne „teure“ Menschen abschließen. Im Wettbewerb mit Maschinen besteht die Kernkompetenz des Bankiers in der Vermittlung von Vertrauen. Der lockere Dresscode soll helfen, die Distanz zum Kunden zu reduzieren.

Den Ursprung hat dieser Stil zweifellos bei den Helden des digitalen Zeitalters. Als Steve Jobs seine prophetischen Worte sprach – „Today Apple is going to reinvent the phone“ – tat er dies in Bluejeans, schwarzem Pullover und Sneakern. Tim Cook besitzt zwar längst nicht die Anziehungskraft seines Vorgängers, hielt aber mit Entwicklungen wie Siri sowohl Kunden als auch Anleger auf Kurs. Seit Neuestem kann die digitale Assistentin auch Banking: „Hey Siri, überweise 10 Euro an Max Mustermann für die Kinokarten“, könnte dabei der Befehl lauten. Sofern schon einmal Geld an Herrn Mustermann überwiesen wurde, ist Siri damit in der Lage, in der Banking-App das komplette Überweisungsformular samt IBAN und Verwendungszweck auszufüllen. Nur die TAN-Eingabe muss noch selbst getätigt werden. Neben Apple drängen auch die anderen GAFA-Unternehmen (Google, Apple, Facebook, Amazon) in die Finanzbranche. Ebenso wie Apple Pay ermöglicht auch das Android-Pendant Google Pay das Bezahlen via Smartphone an der Kasse.

Amazon-Go-Filialen schaffen Kassensysteme sogar komplett ab. Eine auf dem Smartphone installierte App vernetzt sich mit der ausgeklügelten Technik im Geschäft, die genau erkennt, welche Waren der Kunde einsteckt. Nach Verlassen des Ladens erhält dieser nur noch eine Push-Benachrichtigung, einen digitalen Kassenbon. Zusätzlich setzen sich die Unternehmen auch im Online-Commerce an die Schnittstelle zwischen Händler und Kunden, indem sie bei Bezahlungen per App Rabatte anbieten oder als Identitätsdienst die Registrierung beim Onlineshop mit nur einem Klick ermöglichen.

Schon vor den GAFAs erhielt die Digitalisierung in Turnschuhen Einzug in die Bankenbranche. Der wachsende Markt der FinTechs erobert von Banken vernachlässigte Nischen und erschafft neue Geschäftsmodelle, die sich am Kundennutzen orientieren. Oftmals kooperieren sie dabei mit Banken und bauen auf deren Vertrauensvorsprung und Kundenpool. Banken wiederum sind durch die FinTechs schnell in der Lage, ihren Kunden neue Dienstleistungen anzubieten, und sichern sich damit Wettbewerbsvorteile. Trotz Kooperationen hat die Digitalisierung der Branche einen Zeitenwandel herbeigeführt, der sich nicht nur in der Kleidung niederschlägt.

Traditionelle Hausbanken sind nicht länger in der Lage, sämtliche Bedürfnisse ihrer Kunden exklusiv zu bedienen. Vergleichsportale ermöglichen das einfache Abwägen und Beziehen von Bankdienstleistungen. Neue Finanzierungsformen wie etwa das Crowdfinancing lassen Banken komplett in den Hintergrund, als Abwicklungspartner mit Bafin-Lizenz, rücken.
Einen Sonderweg schlägt das FinTech CRX-Markets ein. Der Lösungs­anbieter für die Supply-Chain-Finanzierungen optimiert die Geld­um­schlags­­dauer, indem er auf seiner Handelsplattform verbriefte Forderungs- und Verbindlichkeitsbündel im Auktionsverfahren Banken und alternativen Investoren per Auktion anbietet.

Analog zu Vergleichsportalen wird zwar auch hier die Abhängigkeit von einzelnen Finanzierungsquellen verringert. Doch in ihrer Rolle als Investor entstehen auch Vorteile: „Traditionelle Finanzierer wie Banken können sich durch die Teilnahme an einem technologiegestützten Supply-Chain-Programm auf ihre Rolle als Finanzpartner fokussieren“, erklärt CEO Frank Lutz. „ Asset-Manager, Pensionfonds und Family-Offices erhalten demgegenüber Zugang zu neuen Assetklassen im kurzfristigen Bereich, mit attraktiven Renditen.“

Komplett ohne Banklizenz fungieren Kryptowährungen wie Bitcoin. In seinem legendären White Paper akzeptiert Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto die Rolle der Finanzinstitute im Online-Handel, die „als zu vertrauende dritte Parteien dienen, um elektronische Zahlungen zu verarbeiten“, doch geprägt von der Finanzkrise und staatlich finanzierten Bankenrettungen, schuf er eine Alternative. Weder das Mysterium um Herrn, Frau, Gruppe oder CIA-Abteilung Satoshi Nakamoto noch die Berg- und Talfahrt der Währung wirken dabei allerdings sonderlich vertrauenswürdig. Sein Vermächtnis ist die zugrunde liegende Technologie, die Blockchain.

„Ihr Novum: Sie ermöglicht den Besitz und die Veräußerung beliebiger digitaler Güter ohne externe Prüfinstanzen“, erläutert Christopher Weßels, IT-Architekt und Blockchain-Experte bei der Fiducia & GAD IT AG. Er beschäftigt sich intensiv mit der Frage, auf welche Weise eine Bank in dezen­tralen Blockchain-Ökosystemen einen originären Mehrwert stiften kann. Eine Anbindungsmöglichkeit sieht er beispielsweise in der Fertigungsindustrie. „Hier können alle Beteiligten, von den Zulieferern über die Produktion bis hin zum Handel, in einer Blockchain miteinander kommunizieren und Verträge abwickeln“, so Weßels. „Die Chance der Banken ist es, sich mit Finanzdienstleistungen wie Legitimation, Absicherung oder Auslandszahlungsverkehr in diese Blockchain-Netzwerke einzuklinken. Die Beteiligten könnten dann über die ganze Wertschöpfungskette hinweg sehen, wie viele Teile bereits geliefert wurden, welche Zolldokumente schon vorliegen, wer bürgt, was schon bezahlt ist.“

Die Blockchain ist damit sogar mehr als das Business Casual des Internets. Sie schafft für Banken unwiderlegbare Sicherheiten in der Online-Welt und unterstützt ihre Rolle als Vertrauensbroker.

Autor

Andreas Fuhrich

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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