„Die Technologien wirken aufeinander“
„Raus aus dem Keller“: Wir sprachen mit Prof. Dr. Volker Gruhn, Vorsitzender des Aufsichtsrats der adesso SE, zur Rolle der Cloud und der gesamten IT für die Unternehmen.
Herr Gruhn, die Cloud ist die Infrastruktur für die digitale Transformation. Aus Ihrer Sicht gehört die Cloud sozusagen raus aus dem Keller, wie die ganze IT, und muss als „Native“ bezeichnet werden. Was verstehen Sie darunter?
Cloud entwickelt sich zur Standardeinstellung der IT. Es ist nicht ein Thema unter vielen, sondern der Dreh- und Angelpunkt für das Entwickeln, Ausliefern und Betreiben. Keine neue Idee – aber jetzt offenbart die Cloud ihre ganze Schlagkraft. Stand am Anfang das einfache Verschieben von Anwendungen, gibt jetzt „Cloud Native“ die Marschroute vor: Unternehmen setzen bei Entwicklung und Infrastruktur von Beginn an auf die Möglichkeiten der Cloud.
Hinter dem Begriff verbergen sich eine Reihe von Architekturen, Prozessen und Werkzeugen. Fachleute nutzen typischerweise Microservices, die auf Docker-Containern laufen und die sie über Kubernetes orchestrieren und richten DevOps-Prozesse für das Entwickeln und Ausliefern auf Cloud-Plattformen ein. Werden die Prozesse richtig eingesetzt, realisieren Unternehmen schnell Vorteile: Das Abfedern eines erhöhten Bedarfes, das Garantieren eines zuverlässigen Betriebes oder das Reduzieren von Kosten sind nur einige davon.
Wir erleben derzeit, dass die Cloud vielen Technologien zu einem enormen Sprung verhilft. KI, IoT und ähnliches wären ohne die Cloud kaum denkbar. Die gegenseitige Beschleunigung der Technologien ist feststellbar. Was sind Ihre Erfahrungen bei Ihren Gesprächen mit den Kunden?
In einer Diskussion fiel der Begriff der „technologischen Verdichtung“. Der beschreibt die Situation sehr passend. Ob Cloud, Data Science, Telekommunikation oder Robotik: Die Technologien wirken aufeinander, sie beeinflussen sich gegenseitig. Was unsere Kunden bewegt: In dieser Gemengelage müssen sich die IT-Verantwortlichen zwei Aufgaben gleichzeitig stellen. Einerseits müssen sie „den Laden am Laufen halten“. Sie sorgen für robuste und kosteneffiziente Anwendungen. Systeme müssen funktionieren, Daten verfügbar sein, die Kommunikation stehen. Andererseits sollen sie die Chancen erkennen, die Technologien eröffnen, Geschäftsmodelle und Prozesse grundsätzlich neu denken.
Um diesen beiden Verantwortungen gerecht zu werden, empfehlen wir Unternehmen, sich mit den Rollen des Chief Digital Officer (CDO) und Chief Information Officer (CIO) zu beschäftigen. Traditionell kümmert sich der CIO um Themen wie ERP- oder CRM-Systeme und den Betrieb. Auf der Agenda des CDO steht neues, datengetriebenes Business. Gemeinsam entfalten sie die volle Schlagkraft der IT: Sie schaffen diese Geschäftsmodelle, die auf cloudbasierter IT-Infrastruktur aufbauen. Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Unternehmen mit dieser Aufstellung gut gewappnet sind.
„Wer sich im Jahr 2022 noch fundamental gegen den Cloud-Einsatz stellt, braucht wirklich gute Argumente“, stellt Volker Gruhn dar.
Welche Bereiche lassen sich Ihren Erfahrungen nach vergleichsweise einfach verlagern und wo sind herausfordernde Aufgaben?
Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Wie der Weg in die Cloud genau aussieht, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Aber ohne eine strategische Planung führen alle Wege in die Sackgasse. Zunächst existieren Cloud-Konzepte nicht im luftleeren Raum. Sie sind eingebunden in bestehende Organisationen und vorhandene Prozesse. Welche Rolle Cloud-Technologien spielen und wie sie diese Rolle ausgestalten, ergibt sich aus der übergeordneten IT-Strategie eines Unternehmens.
Dann gilt es, die Details der IT-Landschaft zu verstehen. Die Beteiligten verschaffen sich einen Überblick über die genutzten Anwendungen. Sie analysieren die dazugehörigen Entwicklungs- und Betriebsprozesse. Gleichzeitig bewerten sie die Bedeutung der Systeme für die IT und den unternehmerischen Erfolg. Mit diesem Wissen und diesen Prioritäten erarbeitet das Team für jede einzelne Applikation einen Cloud-Plan. Hier steht den Expertinnen und Experten eine Bandbreite von Optionen zur Verfügung – von „Lift & Shift“ bis „Cloud Native“. Jede Alternative bringt ihre spezifischen Vor- und Nachteile mit. Vor dem Hintergrund von Datenschutz, Verfügbarkeit und Kosten wählen die Beteiligten für jede Anwendung die passende Cloud-Form aus.
Lange war „Sicherheit“ in der Cloud ein Thema. Nun beginnt ein Umdenken. Können Sie uns Ihre Einschätzung geben, was empfehlen Sie, wenn Sie an Sicherheit und Cloud denken?
Es stimmt, in Diskussionen über Cloud-Technologien war der Einwand „aber die Sicherheit!“ ein Totschlagargument. So würgten Bedenkenträger Ideen und Initiativen direkt ab. Aber auch wir spüren den erwähnten Sinneswandel in Unternehmen. Wer sich im Jahr 2022 noch fundamental gegen den Cloud-Einsatz stellt, braucht wirklich gute Argumente. Bei den sogenannten Hyperscalern, also große Cloud-Anbieter wie Microsoft, Amazon oder Google, können Unternehmen aus einer breiten Angebotspalette wählen. Zahlreiche Konfigurationsmöglichkeiten erlauben es den Verantwortlichen, die Leistungen auszuwählen, die exakt zu den eigenen Anforderungen – und damit auch Sicherheitsanforderungen – passen: von garantierten Verfügbarkeiten bis zu Updates bei Sicherheitslücken.
Hyperscaler beschäftigen sich rund um die Uhr mit Cloud-Themen. Sie haben das notwendige IT-Know-how an Bord und setzen auf neuste Technologien. Den gleichen Grad an Sicherheit zu liefern und gleichzeitig Anforderungen an beispielsweise flexibles Arbeiten – mit vertretbarem Aufwand – zu erfüllen, dürfte vielen IT-Abteilungen schwerfallen.
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