“Die Corona-Pandemie zwingt Gründer nachhaltiger Startups, sich zu fokussieren”

Dies ist ein Gastbeitrag von Vincent Zimmer, Managing Director ICME Invest und Mentor bei RESPOND, ein Programm der BMW Foundation Herbert Quandt mit Unterstützung von UnternehmerTUM

Die aktuelle Situation stellt die Geschäftsmodelle von Startups auf eine harte Probe: Gerade für junge Unternehmen, die noch über keine umfangreichen Rücklagen oder einen über Jahrzehnte aufgebauten, gefestigten Kundenstamm verfügen, kann die Corona-Pandemie schnell zur Existenzbedrohung werden. So besteht bereits unter “normalen” Bedingungen ein harter Wettbewerb unter jungen Unternehmen, in dem circa 90 Prozent aller Startups scheitern. Gerade in Zeiten der Krise prüfen Investoren zudem noch genauer, an welchen Firmen sie sich beteiligen. Gleichzeitig können gerade Krisen Menschen motivieren, über den Tellerrand zu blicken, Neues zu wagen und über sich hinauszuwachsen – beispielsweise, wenn eine geplante Gründung aufgrund eines Arbeitsplatzverlustes angegangen wird.

Bildquelle / Lizenz: ICME Healthcare 

2020 – eine schwierige Zeit für Finanzierungsrunden?

Eine besondere Herausforderung für Unternehmen in der aktuellen Krise: Sie findet branchenübergreifend und weltweit statt – also ist nahezu kein Ausgleich durch einen Fokus auf andere Produkte oder Märkte möglich. Zudem werden durch die Pandemie andere Krisen und drängende Probleme unserer Zeit überschattet, beispielsweise die Klimaerwärmung. Während das Thema – und damit verbundene Produkte und Lösungen – zuletzt zunehmend in die öffentliche Wahrnehmung gerieten, tritt es nun in den Hintergrund. Gleichzeitig boomen verschiedene Gesundheitsprodukte oder -Anwendungen. Das bedeutet eine hohe Unsicherheit in den Märkten und somit auch bei den zu erwartenden Umsätzen. Für nachhaltige Startups ist es zudem eine Herausforderung, dass viele Ressourcen in den gewaltigen Infrastrukturprojekten gebunden sind und somit nicht für die Finanzierung von Innovationen oder deren Markteinführung bereitstehen.

Auch Investitionen stehen auf der Kippe: Zahlreiche Startups befürchten Finanzierungsengpässe, wie eine aktuelle Studie des Bitkom zeigt. So benötigt die Mehrheit der Startups in Deutschland in den kommenden zwei Jahren frisches Kapital. Gerade einmal zwei Prozent geben an, dass sie keinen Finanzierungsbedarf haben, 71 Prozent benötigen neue Mittel – durch die Corona-Krise sehen viele eine deutlich gesunkene Chance für erfolgreiche Investments. Das könnte gerade nachhaltige Geschäftsmodelle treffen: So sahen laut dem Green Startup Monitor nachhaltige Startups die Kapitalbeschaffung bereits vor der Pandemie als eine besondere Herausforderung an.

Chancen nutzen und den Fokus schärfen

Das Marktumfeld ist also nicht einfach. Umso wichtiger ist es für die jungen Unternehmen, aktuelle Chancen zu erkennen und zu nutzen. Dabei können erfahrene Gründer helfen: So engagiere ich mich als Mentor des Accelerator-Programms RESPOND, ein Programm der BMW Foundation Herbert Quandt mit Unterstützung von UnternehmerTUM, um Gründer mit praktischem Know-how zu unterstützen. Mich motiviert es besonders, Gründer mit Visionen und ihren wirkungsorientierten Geschäftsmodellen zum Erfolg zu verhelfen. Als Mentor kommt es dabei darauf an, sich nicht in einem “Kaleidoskop” an möglichen Themen zu verlieren oder sich gar von eigenen Interessen leiten zu lassen, sondern zu schauen, an welchen Punkten Unterstützung wirklich benötigt wird. Konkret nehme ich derzeit insbesondere die Organisationsprozesse in den Fokus sowie die Finanzplanung und die Unternehmenskultur. Kontakte zu vermitteln gehört natürlich auch zu den Aufgaben als Mentor. Gerade aber die Mischung aus eigenen Erfahrungen und fachlichem Know-how hat mir selbst als Mentee immer am besten weitergeholfen. Kein Gründungsprozess verläuft gleich, daher ist der Erfahrungsaustausch keine Einbahnstraße, auch als Mentor kann man von den jungen Gründerteams lernen und sich inspirieren lassen. Mentoring ist für mich, nachdem ich selbst viel Unterstützung erfahren habe, auch eine gesellschaftliche Verpflichtung. Nicht zuletzt, da ich Herausforderungen, vor denen Gründer im Bereich Nachhaltigkeit stehen, selbst nur zu gut kenne: Seit ich im März 2015 Kiron Higher Education gegründet habe, eine Non-Profit-Organisation, um Flüchtlingen durch eine Blended-Learning-Plattform Zugang zu universitärer Bildung zu geben. Dazu musste ein neuer Markt erschlossen und ein passgenaues digitales Tool entwickelt werden – Herausforderungen, vor denen zahlreiche Gründer nachhaltiger Geschäftsmodelle stehen. Gerade bei impactorientierten Gründungen sollte Vernetzung groß geschrieben werden, denn: Es gibt nicht die eine Lösung, die alle Probleme dieser Welt beseitigt. Vielmehr müssen zahlreiche Initiativen ineinandergreifen, um die aktuellen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Herausforderungen zu meistern.

Vorsorge für die Zeit nach der Krise

Ich bin überzeugt: Gerade nachhaltige Ideen haben Zukunft – und werden sich zunehmend auch bei Investoren durchsetzen. Kurzfristig hoffe ich deshalb auf mehr Unterstützung vom Staat, damit möglichst wenig Unternehmen insolvent werden. Mittelfristig sollten Gründerteams die Zeit nutzen, um interne Aufgaben zu erledigen, die in der schnellen Aufbauphase oftmals zu kurz kommen und Fragen zu klären, wie: Wie wollen wir wachsen und zusammenarbeiten? Haben wir nicht nur eine Strategie, sondern auch passende KPIs, um unser Unternehmen auf Kurs zu halten und frühzeitig umsteuern zu können? Ich empfehle auch scheinbar “langweilige” Themen wie Controlling, Organisationsprozesse und Qualitätsmanagement gerade jetzt anzugehen. Hier lässt sich aus eigener Kraft viel bewegen und mit weniger Ressourcen viel erreichen.

Ich habe zudem auch erlebt, dass Krisen ein Chance sind, das Team noch stärker auf die eigene Vision einzuschwören. Alle müssen zusammenrücken und auch im Recruiting wird man gezwungen, nur Entscheidungen zu treffen, hinter denen man zu 100 Prozent steht. Das ist natürlich manchmal hart und es ist wichtig, aus dem Krisenmodus auch wieder herauszukommen. Gelingt dies jedoch und wird vor allem gut kommuniziert, so sehe ich dies als große Chance. Nachhaltige Startups sollten also die Motivation nicht verlieren, Finanzierungsrunden tendenziell an das Jahresende verschieben, wenn wieder mehr Planungssicherheit herrscht, und die Zeit effektiv nutzen, um an dem Geschäftsmodell, ihrem Produkt und ihrem Auftritt zu feilen – weshalb Accelerator-Programme, wie RESPOND, gerade jetzt eine gute Möglichkeit darstellen, sich für die Zeit nach der Krise zu rüsten.

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