Crowdfunding für Soziales

Meike Bürvenich arbeitet als stellvertretende Leiterin der Kommunikation für die GLS Treuhand und ist dort hauptverantwortlich für die Plattform gemeinschaftscrowd. Im Interview mit der TREND REPORT-Redaktion erläutert sie die Idee hinter „Social-Crowdfunding“ und zeigt Wege auf, wie soziales Engagement und Digitalisierung zusammenwirken können.

Maike Bürvenich glaubt, dass die Digitalisierung soziale Förderung direkter macht - die Projekte aber extrem gut „kommunizieren können“ müssen.

Meike Bürvenich glaubt, dass die Digitalisierung soziale Förderung direkter macht – die Projekte aber extrem gut „kommunizieren können“ müssen.

Welche Idee steckt hinter der gemeinschaftscrowd?
Die GLS Treuhand fördert als Verein als auch mit ihren sieben Stiftungen gemeinnützige Vorhaben. Mit der gemeinschaftscrowd ist daneben eine Crowdfunding-Plattform entstanden, auf der Menschen für gemeinnützige Projekte spenden oder selbst als gemeinnütziger Verein oder Organisation Geld für Ihr Projekt sammeln können. Die Idee der gemeinschaftscrowd ist es, mit Geld etwas Positives und Nachhaltiges in der Welt zu schaffen und so Geld zu einem sozialen und gesellschaftlichen Gestaltungsmittel werden zu lassen.
Die Plattform wurde von der GLS Treuhand im Juni 2015 gegründet und ist eng mit der Idee der GLS Treuhand verbunden. Seit der Gründung 1961 als gemeinnütziger Verein entwickeln wir Schenkungskultur und unterstützen Menschen in ihren individuellen Schenkungsvorhaben. Ganz im Sinne der Idee, dass Geld im Fluss bleiben sollte, geben wir es weiter, nämlich dorthin, wo es gebraucht wird: Im letzten Jahr konnten wir 12,7 Mio. Euro durch Spenden, Schenkungen und Erbschaften an 825 gemeinnützige Projekte weltweit vergeben. Die gemeinschaftscrowd knüpft an dieser Idee mit digitalen Mitteln an: Gemeinsam ermöglichen, was alleine nicht geht. Dahinter steht unsere Überzeugung, dass Schenkgeld notwendig ist, um gesellschaftliches Engagement zu stärken und freie Entwicklungsräume in der Gesellschaft zu schaffen. Gemeinnützige Projekte, ehrenamtliches Engagement und Stiftungen schöpfen Werte für Wirtschaft und Gesellschaft und erfüllen wichtige öffentliche Aufgaben.

Wie funktionierte die Plattform?
Gemeinnützige Organisationen können sich auf der Plattform registrieren und ihr Crowdfunding-Projekt mit Wort, Bildern und einem kurzen Pitch-Video vorstellen. In den meisten Fällen kommen die Starterinnen und Starter eines Projektes oft mehrere Monate im Voraus auf uns zu. Gemeinsam besprechen wir die Projektidee, eine realistische Fundingsumme und den Zeitplan. Sind alle bereit, schalten wir das Projekt öffentlich. Bevor Menschen das Projekt jedoch finanziell unterstützen können, muss das Projekt noch eine kleine „Hürde“ überwinden, die sogenannte Fanphase. Innerhalb von 14 Tagen gilt es für den Starter, ausreichend Fans zu gewinnen. Hier zeigt sich, ob das Thema bei der „Community“ ankommt. Gleichzeitig kann in dieser Phase Feedback von Fans eingesammelt werden. Hat das Projekt die Fanphase erfolgreich durchlaufen, geht es in die 33 Tage andauernde Finanzierungsphase. Hier gilt das Crowdfunding-typische Alles-oder-Nichts-Prinzip: Bei Erreichen der festgelegten Projektsumme bis zum Stichtag wird das Projekt umgesetzt. Die Unterstützerinnen und Unterstützer erhalten vom Projektstarter noch ein meist ideelles „Dankeschön“ mit Bezug zum Projekt und natürlich eine Spendenquittung. Wird die Zielsumme nicht erreicht, erhalten die Unterstützer*innen ihr Geld zurück und der Starter geht leer aus.

Was ist wesentlich für den Erfolg eines Projekts?
Neben einer frühzeitigen und sorgfältigen Vorbereitung eines Projekts gibt es ein weiteres Erfolgskriterium: die Kommunikation des Projektstarters mit der eigenen Zielgruppe. Denn die Starter*innen müssen ihre eigene „Crowd“ und die Kanäle, über die kommunizieren, selbst mitbringen. Im besten Fall sind dies langjährig aufgebaute Netzwerke, Multiplikatoren und Partner, die bereit sind, die Aktion mit zu bewerben. Der notwendige personelle und zeitliche Ressourceneinsatz während des Projektzeitraums wird manchmal unterschätzt. Ein Crowdfunding-Projekt ist kein Selbstläufer. Wichtig ist, dass die Projektinitiatoren es schaffen, ihr Anliegen authentisch und verständlich zu vermitteln. Die Idee muss bei der Crowd „zünden“.

Welche Projekte können sich bewerben?
Volljährige Mitglieder von gemeinnützigen Vereinen und Institutionen können Projekte einreichen. Der Vorstand des jeweiligen Vereins oder der Institution muss bestätigen, dass er das geplante Projekt befürwortet. Eine von uns bereit gestellte Checkliste hilft zusätzlich bei der Projektvorbereitung. Die Ziele des Vereins müssen zu unseren ethisch-ökologischen und sozialen Werten passen und einer von zwölf Förderkategorien zugeordnet werden können, wie etwa „Soziales“. In diese Kategorie fällt beispielsweise das Crowdfundingprojekt des „hawe Haus am Weg“. Die Einrichtung gibt Kindern im Alter von 0 – 12 ein Zuhause auf Zeit, wenn sie in eine Notsituation geraten sind. Damit für die Kinder gekocht werden kann, brauchten sie eine „Zwergenküche“ und das dafür nötige Geld konnte über die gemeinschaftscrowd eingesammelt werden.

Polemos bringt Menschen miteinander in Kontakt. Das gemeinsame Gestalten der Arbeitsumgebung schafft die Basis für eine neue Form der Zusammenarbeit.

Polemos bringt Menschen miteinander in Kontakt. Das gemeinsame Gestalten der Arbeitsumgebung schafft die Basis für eine neue Form der Zusammenarbeit.

Können Sie Trends beobachten, welche Projekte besonders erfolgreich sind?
Insgesamt waren seit Start der gemeinschaftscrowd 40 Projekte online. Davon sind bisher 30 Projekte erfolgreich finanziert worden, eine sehr zufriedenstellende Quote! Betrachtet man die Kategorien, so teilen sich die Bereiche Bildung, Kunst & Kultur sowie soziales Engagement den ersten Platz zu fast gleichen Teilen. Dies könnte man als Indikator dafür sehen, dass genau in diesen Bereichen öffentliche Gelder fehlen und Bürger*innen selbst aktiv werden, um die notwendigen Projekte und Entwicklungen ins Leben zu bringen.

Haben auch Unternehmen die Möglichkeit, Projekte zu unterstützen? Und wenn ja, wie?
Natürlich können auch Unternehmen Projekte mit einer Geldsumme unterstützen, entweder anonym, privat oder mit der Firmenadresse. Wann Beiträge zum Crowdfunding als Spende abzugsfähig sind, ist nicht wenig komplex. Beim klassischen Spenden-Crowdfunding darf das Unternehmen keinerlei Gegenleistung dafür bekommen. Wir raten dazu, im Vorfeld den eigenen Steuerberater zu kontaktieren, um auf Nummer sicher zu gehen. Dies sollte übrigens auch Projektstarter*innen vor Einstellung eines Projektes unbedingt tun.

Wenn Sie die Entwicklung der Plattform in den letzten Monaten zusammenfassen müssten, wie würde Ihre Zusammenfassung aussehen?
Zuletzt hatten wir vier erfolgreich finanzierte Projekte auf der Plattform, eines davon mit der höchst möglichen Fundingsumme von 30.000 Euro. Es handelte sich dabei um das Kunst und Kultur-Projekt POLEMOS von „Schloß Freudenberg“, bei dem die Projektinitiatoren sich bis zum letzten Tag ins Zeug gelegt haben, um diese hohe Finanzierungshürde zu schaffen. Am Ende haben sie sogar mehr erreicht als erwartet und das Projekt wurde zu 117 Prozent überfinanziert. Solche Momente feiern wir im Team, denn natürlich fiebern wir bei jedem einzelnen Projekt mit! Es gibt so viele Menschen mit tollen, ungewöhnlichen gemeinnützigen Ideen und ebenso viele, die dafür mit kleinen und großen Beträgen spenden – das begeistert uns jedes Mal aufs Neue.

Konstruktion: Ob drinnen oder im Freien – Die 136 Module von POLEMOS setzen sich zu einem Panzer in Originalgröße zusammen.

Konstruktion: Ob drinnen oder im Freien – Die 136 Module von POLEMOS setzen sich zu einem Panzer in Originalgröße zusammen.

Wie könnte Ihrer Meinung nach die Digitalisierung gesellschaftliches Engagement in den kommenden Jahren verändern?
Die Digitalisierung erleichtert das Fundraising und ermöglich einen direkten Kontakt mit Unterstützerinnen und Unterstützern. Dadurch rücken aber auch mehr Projekte in den Fokus potentieller Spenderinnen und Spender und machen es nötig, sich zu einem gewissen Teil zu vermarkten. Wir bemerken auch eine erhöhte Sensibilisierung und Mobilisierung von Menschen für drängende gesellschaftliche Themen. Diese Themen gelangen mittlerweile leichter an die Öffentlichkeit und bringen einerseits neue Formen des Engagements hervor und anderseits die Unterstützung von Projekten. Bewegungen wie etwa www.die-offene-gesellschaft.de oder www.kleinerfuenf.de machen sich digitale Formate erfolgreich zunutze, um Menschen für ihre Ideen zu aktivieren. Was sich nicht verändern wird und wir immer stärker wahrnehmen ist bei aller Digitalisierung die Wertigkeit des persönlichen Kontakts, des Aufeinandertreffens und der „echten“ Kommunikation auf Augenhöhe. Hierbei entstehen die nachhaltigsten Kooperationen und die verlässlichsten Unterstützerinnen und Unterstützer für die gemeinsame gute Sache.

Weitere Informationen unter:
www.gemeinschaftscrowd.de

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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