Genossenschaften: Die unterschätzte Rechtsform
„Wer auf Dauer gleichberechtigt zusammenarbeiten möchte, kommt um die Rechtsform der Genossenschaft nicht herum“. Mit dieser These konfrontierte Ralf W. Barkey, Vorstandsvorsitzender des RWGV Rheinisch-Westfälischer Genossenschaftsverband e. V., die Teilnehmer der Herbstfachtagung 2015 des Berufsverbandes „Die KMU-Berater – Bundesverband freier Berater e. V.“ Anfang November in Bonn. Die Tagung stand unter der Überschrift „Kooperationen: Zukunftssicherung für Unternehmen und Berater“.
Warum sollten kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gerade in der Rechtsform der Genossenschaft kooperieren? Diese Frage beantwortete Barkey mit dem Hinweis auf die entscheidenden Gestaltungsmerkmale der Genossenschaft. Die Rechtsform wurde vor mehr als 150 Jahren als Instrument der „Hilfe zur Selbsthilfe“ für Landwirte und kleine Unternehmen entwickelt. Im Vordergrund stehe nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Förderung des wirtschaftlichen Erfolgs der Mitglieder. Diesem Grundgedanken entspreche auch, dass jedes Mitglied eine Stimme habe. Die Genossenschaft sei eine urdemokratische Rechtsform ohne die Dominanz einzelner größerer Teilhaber. Das führe auch zu Sicherheit gegen Übernahmen, so Barkey.
„Genossenschaften sorgen auch für die Flexibilität einer Kooperation und der Kooperationspartner, denn Beitritt und Kündigung sind durch einfache Willens-erklärung ohne notarielle Mitwirkung möglich“, betont Barkey. Das Eigenkapital der Genossenschaft wird von den Mitgliedern durch Einzahlung eines oder mehrerer Geschäftsanteile eingebracht. Bei Kündigung wird es zum Einzahlungs-betrag wieder ausgekehrt, Genossenschaftsanteile werden also nicht gehandelt.
Ein Wesensmerkmal sei, dass die Mitglieder gleichzeitig die Geschäftspartner der eigenen Genossenschaft seien. Diese besondere Konstruktion beinhalte auch ein Modell, sicher zu kalkulieren, aber bei erfolgreichem Geschäftsverlauf die Mitglieder steuerunschädlich profitieren zu lassen. Die Genossenschaft kann an ihre Mitglieder einen Teil ihrer Überschüsse als „genossenschaftliche Rückvergütung“ zurückgeben, erläutert der Vorstandsvorsitzende des RWGV.
Mit einer Reihe von Beispielen für Neugründungen von Genossenschaften untermauerte Barkey seine Ausführungen. Ein besonderer Schwerpunkt habe in den letzten Jahren bei Erneuerbaren Energien und im medizinischen Bereich bei Ärztegenossenschaften gelegen. Ebenso arbeiten beispielsweise IT-Dienstleister, Ingenieure oder kreative Berufe auf diese Weise zusammen. Als noch relativ neues Thema gründen Unternehmen gemeinsame Kindergärten als Genossenschaft oder arbeiten im Feld der Familienbetreuung auf diesem Wege zusammen.
Barkey verwies zudem auf die lange Tradition der Genossenschaften bei den Volks- und Raiffeisenbanken, im landwirtschaftlichen Bereich und bei den vielen Einkaufsgenossenschaften wie Bäcker oder Dachdecker sowie Rewe und Edeka als genossenschaftlich geführte Unternehmensverbünde.
„Sie haben Ihre Eingangsthese eindrucksvoll belegt“ sagte Thomas Thier, Vorsitzender der KMU-Berater, nach dem Vortrag und der sich anschließenden, lebhaften Diskussion. „Vermutlich habe nicht nur ich die Potenziale der Rechtsform Genossenschaft für Kooperationen gerade von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) deutlich unterschätzt“ so Thier. „Klein bleiben und groß wirken als Wesen einer Kooperation unter KMU scheint mir als Genossenschaft besonders gut funktionieren zu können“ fasste Thier am Ende zusammen. Zumal mit der Mitgliedschaft im Genossenschaftsverband Unterstützung und Hilfestellung beim konkreten Tun und der Rechnungslegung gegeben sei. „Wir haben auch wertvolle Impulse für unsere Beratungsarbeit mitgenommen“ so Thier.
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