Wilder FinTech-Aktionismus
TREND-REPORT-Gastautor André M. Bajorat schreibt über die aktuell stattfindenden nachhaltigen Veränderungen im Banking und über die Chancen klassischer Banken.
Die fortschreitende Digitalisierung ist aktuell in vieler Munde. Im Bereich der Banken ist das aktuelle Wort dafür „FinTech“. Mittlerweile haben wohl auch alle Banker davon gehört und kennen sogar das böse Wort „disruptiv“.
Und wie ist die Reaktion der Banken darauf? Nach einem Abwarten („wird schon wieder weggehen“) im Jahr 2014 scheint 2015 das Jahr des wilden Aktionismus zu werden. Keine Woche ohne eine FinTech-Konferenz oder Ankündigungen von Digitalisierungsaktivitäten einzelner Institute oder sogar von Konsortien verschiedener Banken.
Dabei könnte es so doch so einfach sein, liebe Banken! Meine einfache Vorstellung: Stellt mal kurz eure eigenen Interessen in den Hintergrund und fragt euch, was eure Kunden in der heutigen Zeit von euch erwarten.
Ich gebe gern ein paar Hinweise: Wir Kunden haben uns und vor allem unser Nutzungsverhalten in den letzten Jahren drastisch verändert. In vielen Bereichen (Medien, Mobilität, E-Commerce), aber auch im Bereich der Finanzen. Wir sind euch nicht mehr willenlos treu – vom Knaxkonto bis zur Rente –, sondern wir suchen uns die passenden Angebote für die jeweils aktuelle Lebensphase. Und mehr und mehr nutzen wir dafür auch Angebote von sogenannten Dritten. Dritte in dem Sinne, dass sie keine klassische Bank sind. Es interessiert uns aber ehrlich gesagt auch nicht wirklich, welchen rechtlichen Status die Anbieter haben. Hauptsache das Angebot stimmt und Freunde von uns haben das Angebot auf Facebook oder Twitter empfohlen. Zudem haben wir uns daran gewöhnt, dass wir sehr regelmäßig mit neuen Dingen – auch Innovationen genannt – überrascht werden. Das finden wir inzwischen nicht mehr schlimm, wenn diese unseren Alltag erleichtern.
Und was passiert, wenn ich mal in das Online-Banking meiner klassischen Bank schaue? Ihr glaubt weiter, es gibt nur euch und die eigenen Angebote –einen Blick über den Horizont der eigenen Bank hinaus macht ihr mir nicht möglich. Zudem mutet ihr mir Oberflächen zu, die mehr an Btx-Zeiten, denn an die Generation Y erinnern. Die letzte „Innovation“ mit der ihr mich beglückt habt, war die Einführung von IBAN und BIC (die ich mir nicht mehr merken kann) und die Abschaffung meiner geliebten SMS-TAN „zu Gunsten“ eines Geräts, was aussieht wie ein billiger Taschenrechner aus den 80ern. Diesen soll ich jetzt bei jeder Überweisung vor den Bildschirm halten.
Meint ihr damit durchzukommen? Ich habe ernsthafte Bedenken! Auch wenn ihr mit dem Girokonto bislang noch eines der „klebrigsten“ Produkte überhaupt habt. Aber liegt das wirklich an der Qualität des Produktes Girokonto?
Nein – das Girokonto ist so sehr Commodity wie bereits Strom oder Telefon. Aus meiner Sicht liegt es einzig daran, dass ich mein Konto heute noch nicht per Knopfdruck wechseln kann. Aber auch das wird kommen – und schneller als viele sich das vorstellen können. Und dann? Woran „klebe“ ich dann noch? An der Filiale? An der kompetenten Beratung? An den überzeugenden Produkten neben dem Girokonto? Scheint mir schwierig. Entscheidend wird viel mehr das Erlebnis sein, wie sich die Bank in meinem Alltag anfühlt – und das wird vor allem ein mobiles Erleben sein.
Es ist keine Frage mehr, ob Sie sich verändern müssen; die einzige Frage ist, ob Sie schnell genug sein werden!
Cay von Fournier
Aber, liebe Banken, nicht verzagen. Ihr habt doch so vieles, was ihr nutzen könntet. Die Kundenbeziehung, das tiefe Wissen um den Kunden, Geld und auch große IT-Abteilungen. Warum macht ihr daraus im Sinne des Kunden nicht mehr?
Wandelt euch – öffnet euch gegenüber den Needs eurer Kunden und tut dies, bevor es andere noch erfolgreicher als bereits heute tun. Im E-Commerce habt ihr den Zug bereits fast komplett verschlafen und PayPal konnte in einem der am besten funktionierenden Zahlungsverkehrsmärkte wie Deutschland binnen weniger Jahre zur ePayment-Nummer-1 werden. Eigentlich schade!
Ich sehe eure Rolle nicht notwendigerweise da, wo sie heute im Sinne der Universalbank ist. Eine Rolle, die ihr anscheinend auf Teufel komm raus schützen wollt. Warum denkt ihr nicht mal anders? Vielleicht wie ein Marktplatz oder wie ein guter Kurator, der für seine Kunden wirklich die besten Lösungen findet. Und bitte, habt keine Angst vor der Offenheit der Systeme, sondern stellt euch der Herausforderung der Digitalisierung und überzeugt durch gute Produkte und Leistungen und versucht nicht den Status quo durch Protektion zu beschützen. Auf Sicht fänden wir das als Kunden nicht gut und suchen uns dann wirklich eine echte Alternative zu euch. Ob diese dann noch aus Deutschland kommt oder eher eine internationale Lösung ist, das ist uns als Kunden auch immer unwichtiger. In anderen Bereichen unseres Alltags haben wir uns ja bereits daran gewöhnt, dass die Innovationen eher nicht aus Deutschland kommen.
Weitere Informationen unter:
www.paymentandbanking.com
Über den Autor:
André M. Bajorat ist seit 1996 in der deutschen Internetlandschaft zu Hause. Als ehemaliger Geschäftsführer von Giropay und Mitglied der Geschäftsführung der Star Finanz – der Firma hinter der weit verbreiteten Homebanking-Software Star Money – sowie CEO der NumberFour AG ist er heute als Unternehmer, Berater, Speaker, Business-Angel und Mentor im deutschen Start-up- und FinTech-Umfeld aktiv. Sein Blog www.paymentandbanking.com ist für ihn eine riesige Linksammlung zu den Themen Banking, Payment und Mobile und der wohl führende deutschsprachige Blog im Bereich FinTech. Aktuell setzt er sich gerade als CEO für das FinTech-Start-up figo ein.
Man stelle sich den Erdrutsch vor, wenn es bei Konten einen freien Anbieterwechsel wie bei Mobilfunkverträgen gäbe … Mit automatischer Kontonummernmitnahme …
@egghat
auch wenn ich immer am „Puls der Zeit bin“ und die Kunden die Arroganz der BigPlayer im Bankensektor nicht mehr wollen, wäre die Alternative ein Startup.
Nur diese haben doch in den unterschiedlichsten Bereichen/Branchen gezeigt, dass es nur um turbo-power+Exit geht.
Bei Geld hört der Spass auf und beide Seiten sollten sich bewegen damit endlich „Kontinuität, Vertrauen und Innovation“ vereint werden können
Hallo André, recht hast du mit deiner Aussage aber ich würde dieses Thema nicht nur auf Banken beziehen.
Mit meinem Startup feelix Finanz App https://www.myfeelix.de/ habe ich im letzten Monat einen Vortrag bei den Versicherungsforen Leipziger gehalten.
Neben den Banken erwachen auch langsam die Versicherungen aus ihrem Winterschlaf.
Es gibt hierzu ein tolles Sprichwort „Entweder du gehst mit der Zeit oder du gehst mit der Zeit.“
Viele Grüße
Tilo Hammer
CEO & Founder feelix GmbH
André hatte das Thema ja erst kürzlich im Podcast 🙂
http://paymentandbanking.com/2015/05/29/fintech-podcast-018-versicherungs-fintechs/
wobei kann man aktuell tatsächlich den Versicherungs-Starup-Bereich mit der der Banken vergleichen?
Im Bereich Versicherung ist doch bisher lediglich der „Online-Vertreter/-Makler“ das neue. (ua. auch http://www.clark.de)
Auf Endkundenseite (Bekanntenkreis) ist Skepsis vertreten in Sachen http://www.friendsurance.de &co. – dh. hier stellt sich die Frage ist der Kunden für diese Modelle bereit?