Führen in unsicheren Zeiten: Was wir von Neuro-Leadership für die Zukunft lernen können

Gastbeitrag von Kathrin Krügel, Gründerin von Refra|me Coaching & Consulting.

 

Unsicherheit ist längst keine Ausnahme mehr, sondern die neue Normalität. Globale Krisen, geopolitische Spannungen, technologische Umbrüche und gesellschaftliche Veränderungen stellen Führungskräfte täglich vor Herausforderungen, die sich mit klassischen Managementmethoden kaum noch lösen lassen. In dieser sogenannten VUCA-Welt – geprägt von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität – müssen Führungskräfte nicht nur Entscheidungen unter Unsicherheit treffen, sondern auch Orientierung geben, wo Klarheit schwer zu erreichen ist.

Gefordert ist ein neues Führungsverständnis, das über funktionale Rollenbilder hinausgeht. Neuro-Leadership – ein Begriff, der moderne Führung neu denkt – stellt die eigene Haltung, Selbstreflexion und die Fähigkeit zum konstruktiven Umgang mit Unsicherheit in den Mittelpunkt.

Kathrin Krügel – Business Coach und Gründerin von Refra|me erläutert: „Gerade in unsicheren Zeiten wird Führung zuallererst zur Frage der Selbstführung. Führungskräfte, die sich ihrer eigenen Emotionen, Bedürfnisse und Reaktionsmuster bewusst sind, können auch in herausfordernden Situationen handlungsfähig bleiben.“

 

Führen ohne Kontrolle – Vertrauen als Schlüsselkompetenz

In dynamischen Kontexten können Führungskräfte nicht mehr alles wissen oder steuern. Die Kontrolle über sämtliche Prozesse, Aufgaben oder Ergebnisse aufrechterhalten zu wollen, führt nicht nur zu Überforderung, sondern blockiert auch die Eigenverantwortung im Team.

Neuro-Leadership setzt hier einen anderen Fokus: Vertrauen wird zur zentralen Führungswährung. Führungskräfte müssen lernen, Verantwortung zu teilen, Rahmen zu setzen statt Vorgaben zu diktieren, und eine Vertrauenskultur zu fördern, in der Mitarbeitende eigenverantwortlich agieren können. Vertrauen bedeutet dabei nicht, sich zurückzuziehen, sondern präsent zu bleiben – als Orientierungspunkt, der Halt gibt, wenn äußere Sicherheiten fehlen.

Selbstführung als Voraussetzung für gute Führung

Gerade in unsicheren Zeiten wird Führung zuallererst zur Frage der Selbstführung. Führungskräfte, die sich ihrer eigenen Emotionen, Bedürfnisse und Reaktionsmuster bewusst sind, können auch in herausfordernden Situationen handlungsfähig bleiben. Wer sich selbst führen kann, bleibt auch unter Druck klar, handlungsfähig und ansprechbar für andere.

Dazu gehört die Fähigkeit, Unsicherheiten auszuhalten, Ambivalenzen anzunehmen und eigene Erwartungen zu reflektieren. Neuro-Leadership fordert Führungskräfte auf, sich nicht an scheinbaren Sicherheiten festzuklammern, sondern bewusst mit Ungewissheit zu arbeiten und diese auch im Team zu thematisieren.

Gerade die Fähigkeit zur Resilienz, also zum inneren Gleichgewicht in angespannten Situationen, hängt eng mit unserem Körper- und Stressgedächtnis zusammen. Wer hier gezielt ansetzen will, profitiert von neurobiologisch fundierten Ansätzen wie dem Neurocoaching.

Psychologische Sicherheit – der unterschätzte Erfolgsfaktor

Mitarbeitende brauchen in unsicheren Zeiten vor allem eines: psychologische Sicherheit. Studien zeigen, dass Teams dann leistungsfähig bleiben, wenn sie in einem Umfeld arbeiten, in dem Fehler offen angesprochen werden dürfen, in dem Kritik möglich ist und in dem Diversität von Meinungen ausdrücklich gewünscht wird.

Neuro-Leadership versteht Führung als Schaffen eines solchen sicheren Rahmens – durch Authentizität, Transparenz und eine wertschätzende Kommunikationskultur. Die Führungskraft wird damit weniger zur Expertin für alle Antworten, sondern zur Gestalterin von Lernräumen, in denen sich neue Lösungen entwickeln können.

Neuro-Leadership als Schlüssel zum Verstehen von Führung und Verhalten

Neuro-Leadership liefert hier einen fundierten Bezugsrahmen:

Als interdisziplinärer Ansatz zur Weiterentwicklung von Führungskompetenz überträgt Neuro-Leadership neurowissenschaftliche Erkenntnisse systematisch auf Führungsverhalten, Entscheidungsprozesse und Organisationsentwicklung.

Konkret nutzt Neuro-Leadership Erkenntnisse der modernen Hirnforschung, um besser zu verstehen, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir führen, entscheiden, kommunizieren oder mit Veränderung umgehen. Dank bildgebender Verfahren wie dem MRT können Forscher:innen heute sichtbar machen, welche Gehirnareale bei bestimmten Verhaltensweisen, Gedanken oder Gefühlen aktiv sind – etwa bei Stress, Motivation, Vertrauen oder Konflikten.

Diese Erkenntnisse machen sichtbar, wie eng Denken, Fühlen und Handeln verknüpft sind – und wie sehr unbewusste, oft automatisierte Reaktionsmuster unser Führungsverhalten beeinflussen. Wer das versteht, kann gezielter Selbststeuerung entwickeln, empathischer kommunizieren und Veränderung gehirngerecht begleiten.

Zukunftsfähige Führung beginnt mit der Bereitschaft, neu zu denken

Gute Führung beginnt im Gehirn – bei sich selbst und bei anderen.

Wer versteht, wie unser Denken, Fühlen und Handeln neurologisch zusammenhängen, kann bewusster führen, empathischer kommunizieren und Veränderung gehirngerecht gestalten.

Gerade in einer Zeit, in der emotionale Reizüberflutung, kognitive Komplexität und soziale Unsicherheit zunehmen, liefert Neuro-Leadership eine fundierte Basis, um menschliches Verhalten besser zu verstehen – und Führung wirksamer und menschzentrierter auszurichten.

 

 

Über die Autorin

Kathrin Krügel ist die Gründerin von Refra|me Coaching & Consulting und begleitet Unternehmen sowie Führungspersönlichkeiten in dynamischen Zeiten. Ihr Ziel: innere Orientierung, emotionale Stabilität und persönliche Wirksamkeit fördern – gerade dann, wenn Veränderungen und Komplexität zunehmen. Ihr Ansatz verbindet neurowissenschaftliche Erkenntnisse mit praktischer Führungsexpertise. Im Mittelpunkt stehen Themen wie Selbstführung, Resilienz und emotionale Intelligenz. Diese Kompetenzen sieht sie als entscheidend für gesunde Führungskulturen und langfristige Transformationen. Mit Refra|me schafft sie Räume für Entwicklung, in denen Führungspersönlichkeiten wie Organisationen ihre Stärken neu entdecken und den Wandel bewusst gestalten können.

Website: https://refra-me.de/

 

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