Klimadaten und Investmentprozesse einfach integrieren
Dies ist ein Gastbeitrag von Naciye Atalay, Prof. Dr. Rüdiger Hahn und Dario Foese unter Mitwirkung der Universitäten Hamburg und Kassel sowie der Radboud University und des WWF. Die Autoren gehen der Frage nach, warum sich die Finanzbranche bei der Integration von Klimadaten in Investmentprozesse weiterhin so schwer tut. In einem Pilotprojekt zeigen die Autoren Alternativen auf.
Nachteilige Auswirkungen des Klimawandels auf unternehmerische Tätigkeiten sind bereits heute in Form von physischen Risiken, Reputationsrisiken, regulatorischen Risiken und so weiter absehbar. Entsprechend erfordern solche Risiken bereits heute eine Berücksichtigung in der Unternehmensstrategie.
Tools, wie Investoren eine zielgerichtete Klimastrategie enwickeln und berücksichtigen, sind bereits vorhanden: Die Task Force on Climate-related Disclosures (TCFD) gibt zum Beispiel Empfehlungen, wie Klimarisiken und Chancen von Banken und Finanzmarktdienstleistern in Geschäftsprozessen berücksichtigt werden können. Eine solche Integration erfordert auch, dass Klimakennzahlen von Wertpapieren und Krediten erfasst werden – was jedoch noch nicht gängige Praxis in der Branche ist. Viele Asset Manager und Banken beschränken sich lediglich darauf, die regulatorischen Mindestanforderungen im Rahmen des Reportings oder des Risikomanagements umzusetzen.
Um ein Verständnis von Gründen für die unzureichende Nutzung von Klimadaten in Investmentprozessen zu erhalten, wurden im Rahmen eines vom BMBF geförderten Forschungsprojekts 50 Tiefeninterviews mit Expert*innen aus Finanzwirtschaft und Unternehmen durchgeführt, um Beweggründe, Motivation und Hürden im Umgang mit Klimadaten in Investmentprozessen zu erforschen. Präsentiert werden im Folgenden fünf Konfliktfelder, die eine umfangreiche Klimadatenintegration hemmen.
Unternehmensbezogene Information über die ESG-Performance und zu klimarelevanten Themen tragen zum Abbau von Informationsasymmetrien bei und sind daher für die Informationseffizienz und damit Funktionsfähigkeit der Kapitalmärkte wichtig. |
Eine verpflichtende unternehmensbezogene Offenlegung von Treibhausgasemissionen führt im Vergleich zu freiwilliger Offenlegung zu signifikant stärkerer Emissionsminderung betroffener Unternehmen. |
Unternehmensbezogene Treibhausgasemissionen gehen in die Unternehmensbewertung ein, wobei Unternehmen mit besonders hohen Emissionen niedrigere Marktwerte aufweisen. |
Interne Prioritäten: Der Klimawandel ist zwar ein wichtiges Thema in der Finanzbranche, jedoch wird aktuell die Umsetzung einer Klimastrategie nicht priorisiert.
Klimaaspekte werden noch nicht branchenübergreifend in Investmentprozesse integriert. Doch warum sind Investor*innen noch unentschlossen, wenn es darum geht, materielle Emissionen in ihren Entscheidungen zu berücksichtigen? Zum einen fehlt vielen Investor*innen nach eigener Aussage das Know-How darüber, welche Klimadaten relevant sind, wie Emissionsgrenzen gezogen, Daten erfasst oder interpretiert werden. Es besteht die Herausforderung, materielle, vergleichbare und zuverlässige Emissionsdaten zu erhalten. Zum anderen ist der Prozess des Datenmanagements zeitintensiv und komplex. Der Erwerb von Klimadaten über externe Ratingagenturen ist möglich und üblich, aber mit Kosten verbunden. Zudem legen die Expertengespräche nahe, dass aktuell schlichtweg die Bereitschaft fehlt, interne Ressourcen – sowohl personelle als auch finanzielle – zu mobilisieren, um Klimainformationen umfassend im Research und bei der Auswahl der einzelnen Investments zu berücksichtigen. Dies steht im Widerspruch zu der betonten Dringlichkeit des Klimawandels – denn die Interviewpartner*innen lassen keinen Zweifel daran, dass der Klimawandel eine wichtige Herausforderung der Finanzbranche darstellt.
Investmentzeithorizont: Der Investmenthorizont ist kurzfristig, sodass die langfristig zu erwartenden Auswirkungen nicht in heutigen Entscheidungen berücksichtigt werden.
Ein maßgeblicher Faktor, der die Entscheidung zu mehr Klimadatenintegration beeinflusst, ist der Investmentzeithorizont. Denn der mitunter recht lange Zeithorizont von Nachhaltigkeitsrisiken kollidiert mit der eher kurzfristig renditeorientierten Perspektive der konventionellen Finanzmarktakteure. So werden kurz- oder mittelfristige Risiken und Veränderungen effizient und schnell im Rahmen des Asset Managements eingepreist. Langfristige Unsicherheiten werden hingegen weniger stark berücksichtigt. Klima- beziehungsweise allgemein Umweltrisiken manifestieren sich oftmals erst, wenn Investitionen und Projekte bereits abgeschlossen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass vorhandene Tools wie Szenarioanalysen und Stresstests methodische Herausforderungen und Datenlücken aufweisen, sodass die Anfälligkeit von Investitionen für physische und transitorische Risiken schwer vorherzusagen ist.
Datenverarbeitung: Die Datenbeschaffung und Verarbeitung ist komplex und geht zulasten von Transparenz und Vergleichbarkeit.
Damit Investor*innen Umweltaspekte in ihren Investmententschiedungen berücksichtigen können, benötigen sie Daten, die über die traditionelle Bonitätseinschätzung hinausgehen. Die Beschaffung von Informationen zur Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen ist in aller Regel wesentlich aufwendiger als die Nutzung finanzieller Kennzahlen. Quantitative und qualitative Daten zur Nachhaltigkeitsperformance können Corporate Social Responsibility (CSR)-Berichten entnommen werden. Anders als für Geschäftsberichte sind für diese Berichte jedoch keine unabhängige Prüfung oder einheitliche Bilanzierung vorgeschrieben. Die Berechnungsmethoden der verschiedenen Klimaprotokolle, die von Unternehmen für die Offenlegung ihrer Klimadaten genutzt werden können, geben keine spezifischen und verbindlichen Regeln vor, wie Emissionen kalkuliert und Emissionsgrenzen gezogen werden sollen. Dies verleitet unter Umständen Unternehmen dazu, Kennzahlen und Informationen zu beschönigen und für Investoren bleiben Bemessungsgrundlagen und Abgrenzungen unklar.
Somit ist es eine Herausforderung für Analysten, unternehmerische Klimadaten auszuwerten und miteinander zu vergleichen. Ein Großteil der Finanzdienstleister nutzt das breite Angebot verschiedener Ratingagenturen und erwirbt die notwendigen Klimainformationen in Form von Ratings. Nachhaltigkeitsratingagenturen sammeln relevante Nachhaltigkeitsdaten und Leistungsindikatoren und werten sie mit Blick auf die unterschiedlichen Erhebungs- und Bilanzierungsmethoden aus. Die aus unternehmerischen CSR-Berichten, durch Fragebögen, direkten Gesprächen mit Unternehmen und öffentlich zugänglichen Informationen erlangten Daten fließen in hauseigene ESG (also Environmental, Social & Governance)-Ratingprodukte ein. Die Ergebnisse können je nach Datenquelle und Bewertungsmethodik der Agenturen teilweise erheblich voneinander abweichen. Für das Investmentfondsmanagement erscheint dieser Vorgang oftmals undurchsichtig – vor allem bei fehlenden Fachkenntnissen im Klima- und Umweltbereich. Der Zugang zu unbearbeiteten und vergleichbaren Primärdaten erleichtert es dem Asset Management, Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeitsgesichtspunkte zu bewerten – vorausgesetzt, dass ein Grundverständnis für Klimakennzahlen vorhanden ist. Wie die Interviews jedoch verdeutlichen, fehlt vielfach noch die Expertise sowie die nötigen Ressourcen, um sich dem Thema anzunehmen. Daher greift der Großteil der Investor*innen auf Ratingprodukte zurück, wobei Datennutzer*innen auch eigene Informationen hinzuziehen und die Daten re-interpretieren, um so eine Informationsbasis für Investmententscheidungen zu schaffen, die den eigenen Nachhaltigkeitsansprüchen genügen – oft jedoch zulasten von Transparenz und Vergleichbarkeit.
Anreize für klimaresiliente Investitionen schaffen | Kurz- und langfristige Perspektiven annähern: Datenbasis stärken |
• Regulatorische Impulse setzen und Anreize schaffen • Negative und positive Externalitäten in die Bepreisung einbeziehen, z.B. durch Ausweitung des Zertifikatehandels oder Einführung eines CO2-Preises | • Angemessene Informationsbasis schaffen, um ein besseres Verständnis für langfristige Klimarisiken zu erreichen • Ausweitung der Berichtspflicht im Rahmen der CSR-Berichtserstattung |
Standardisierte Erhebungs- und Berichtsmethoden | Szenario-Analysen und Klimastrategien |
• Klare Datenverarbeitung, Transparenz und Vergleichbarkeit gewährleisten • Standardisierte Bilanzierungsregeln und Berichtsformate in allen Klimaberichten | • Größerer Fokus auf vorausschauende Klimainformationsformate • Szenario-Analysen und klimabezogene strategische Positionierungen nach TCFD Vorgaben können einen einheiltichen Standard schaffen |
Datenformat: Den Investoren liegen vorwiegend historische Kennzahlen vor, die jedoch nicht ausreichen, um die Zukunftsfähigkeit von Investitionen zu bewerten.
Gerade um die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen und Projekten zu bewerten, benötigen Analyst*innen Informationen über Klimastrategien und Szenarioanalysen. Mit Szenarioanalysen lassen sich anhand von komplexeren Modellen Investitionserfolge und Unternehmensstrategien hinsichtlich verschiedener Klimaprognosen evaluieren. Dies ist notwendig, damit Unternehmen die Risiken und Chancen zukünftiger Klimaentwicklungen verstehen und das Geschäftsmodell auf Resilienz prüfen können.
Immer mehr börsennotierte Unternehmen geben Einblick in ihre Klimazielsetzung und unternehmerischen Emissionsreduktionsziele. Durch die Formulierung der Strategien werden Ambitionen sicht- und messbar und bieten Investor*innen eine gute Datengrundlage, um zu ergründen, ob Unternehmen für ein mögliches Investment infrage kommen.
Auch wenn es mittlerweile zum Standardrepertoire großer Unternehmen gehört, unternehmenseigene Klimastrategien zu entwickeln, gibt es insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen noch Aufholbedarf. Erste Modelle werden zwar für unternehmensinterne Zwecke entwickelt und genutzt, jedoch nicht umfangreich an externe Stakeholder kommuniziert. Zum Bedauern der Investor*innen, denn Klimaszenarioanalysen und die Zielsetzungen bezüglich der Emissionsreduktion sind Informationen, die nicht nur über den Status Quo berichten, sondern auch erahnen lassen, in welcher Tiefe sich Unternehmen mit der eigenen Klimabilanz auseinandersetzten. Die ausschließliche Betrachtung von historischen Kennzahlen zur Klimaperformance ist für eine angemessene und zukuntsorientierte Bewertung nicht ausreichend.
Fehlendes Angebot und fehlende Nachfrage wird sowohl auf Unternehmens- als auch Investorenseite beklagt.
Dass aktuell noch zu wenig Klimadaten in Investmentprozessen berücksichtigt werden, führen Investor*innen auf mehrere Faktoren zurück: Unternehmen würden aktuell noch nicht die Daten in Form und Umfang bereitstellen, die für eine klimabezogene Analyse gebraucht sind. Darüber hinaus sei der Wunsch der Anleger*innen nach Investmentprodukten mit Klimabezug einfach noch zu gering – selbst wenn sich immer mehr Kund*innen mit den ESG-Aspekten ihrer Anlagen beschäftigen. Ähnlich sieht es aus der Unternehmensperspektive aus: Hier sei weder die Nachfrage der Investor*innen nach Klimadaten groß genug, noch würden Unternehmen im ausreichenden Ausmaß nach Produkten fragen, die eine umfangreiche Klimadatenerhebung voraussetzen. Erschwerend kommt hinzu, dass ein Großteil der Unternehmen aktuell noch nicht verpflichtend über Nachhaltigkeitsaspekte berichten müssen. Vor diesem Hitergrund überarbeitet die Europäische Kommission aktuell die CSR-Berichtsrichtlinie. Es ist davon auszugehen, dass die endgültige Verabschiedung des Gesetzes im kommenden Jahr erfolgt. Auch für Investoren ist in diesem Zuge von einer Verschärfung der Berichtspflichten auszugehen. In der Tat bereiten sich viele Finanzdienstleister auf die kommenden regulatorischen Pflichten im Rahmen der Offenlegungsverordnung vor. Dies schlägt sich bisher jedoch selten in realen Änderungen in Investmentprozessen nieder, da hier weiterhin vielerorts noch keine Klimadaten berücksichtigt werden. Besonders konventionelle Asset Manager und Asset Owner agieren bei der klimaverträglichen Ausgestaltung ihrer Investments zurückhaltend. So bleibt unklar, ob die zaghafte Berücksichtigung von Klimadaten in Investmentprozessen am fehlenden Angebot unternehmerischer Klimadaten scheitert, an den noch zu lockeren Regulierungsvorhaben oder an der fehlenden Nachfrage der Finanzmarktakteure nach Klimainformationen – es bleibt ein Henne-Ei-Problem.
Das Projekt CRed „Klimaberichterstattung als Instrument zur CO2-Reduktion“ wird im Rahmen der Forschung für Nachhaltige Entwicklung (FONA) des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Das dreijährige Projekt wird gemeinsam von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (Projektkoordination), dem Forum Nachhaltige Geldanlagen, der Universität Hamburg, der Universität Kassel, dem WWF Deutschland und der Radboud University (Nijmegen, Niederlande) durchgeführt. Es untersucht den Beitrag von Klimaberichterstattung zur CO2-Reduktion und erarbeitet Empfehlungen zur Verbesserung von Klimaberichterstattung, um eine CO2-neutrale Wirtschaft zu fördern.
Die Autoren:
- Naciye Atalay, Forum Nachhaltige Geldanlagen
- Prof. Dr. Rüdiger Hahn, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
- Dario Foese, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
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