Multi-Unternehmens-Management

Dies ist ein Gastbeitrag von Dr. Robert Scholderer, der sich der Frage annimmt, wie man mit Services und „Umbrella Management“ in Zeiten verschwimmender Organisationsformen und Aufgaben in den Unternehmen mehr erreichen kann.

Die digitale Transformation sorgt für zahlreiche Herausforderungen, auch auf inhaltlicher Ebene in der Unternehmensorganisation. Eine Abgrenzung in die klassischen Abteilungen macht immer weniger Sinn. Nicht zuletzt immer digitalere Geschäftsmodelle verlangen nach einer „agileren Organisation“, in der die klassischen Zuständigkeiten mehr und mehr verschwinden.

Die Unternehmensausrichtung konnte man früher auf zwei Punkte reduzieren: Entweder fällt die Entscheidung für die Rolle „Spezialist“ oder „Generalist“. Genau dieses „Oder“ gibt es nun nicht mehr. Vielmehr sind Spezialisten mit einem klaren Profil gefragt, die mit Generalisten-Leistungen auch an Kundenprojekte angrenzende Themen lösen können. Genau hier gibt es unterschiedliche Lösungsmodelle, die entsprechende Herausforderungen an das Unternehmens-Management stellen. Dieser Artikel soll zeigen, wie Generalunternehmen und Nischenanbieter zusammenwachsen bzw. sich auf dem Markt behaupten können.

Häufig, und weil eben kostenlos in der Initialphase, bekannte Modelle sind Partnerschaften, Projektverträge oder Kooperationsvereinbarungen. Man sucht sich einen Partner am Markt, der über Fähigkeiten verfügt, die man selbst nicht hat. Dadurch, dass diese Möglichkeiten günstig sind, gibt es sie in zahlreicher Form. Ihr Wirkungsradius ist genau abgegrenzt, dennoch bleiben sie ein beliebtes Mittel, um auf dem Markt größere Projekte abzuwickeln. Wer über diese kostenlosen Möglichkeiten hinausgeht und die kostenintensiven Bereiche in Erwägung zieht, kommt zur Gründung von Schwester- oder Tochtergesellschaften, macht Assetdeals und geht Beteiligungen ein. Alle Modelle ob kostenlose oder kostenintensiv halten mehrere Herausforderungen breit. Dadurch, dass die kostenintensiven zur Effizienzsteigerung ein größeres Potential tragen, werden diese im Weiteren hier verfolgt, denn die Vermischung von Strukturen findet hier am stärksten statt.

Die nächsten Abschnitte zeigen neuralgische Punkte auf, die durch das Verschwimmen von Unternehmensgrenzen viel intensiver gesteuert werden müssen.

Marketing & Vertrieb

Dr. Robert Scholderer

Das Marketing ist meist isoliert auf ein Unternehmen und dessen Schwerpunkt ausgelegt. Durch andere allokierte Gesellschaften oder Zukäufe müssen die zentralen Themen viel stärker geregelt werden. Das Kundenmanagement rückt mit der folgenden Frage in den Fokus? Haben alle Gesellschaften den gleichen Stand, welche Aktionen, Arbeiten, Lösungen oder Projekte bei dem Kunden stattfindet. Natürlich erwarten Kunden eine Haus-interne Abstimmung. Für das Business Development sind solche Informationen absolut relevant. Das Kundenmanagement umfasst ebenfalls auch den Gebietsschutz. Mit jeder Gesell- oder Partnerschaft gibt es andere Vertriebs- und Provisionsmodelle. Diese Themen benötigen plötzlich ein Management und sorgen für zusätzlichen Mehraufwand. Die Mehraufwände erstrecken sich auch in das Markenmanagement und die Markensicherung. Mit jeder Gesellschaft, jedem Logo, jedem Produktname steigt der Aufwand diese zu sichern.

Infrastruktur

Nehmen mehrere Unternehmen an der Wertschöpfungskette teil, so werden auch mehr technische Ressourcen benötigt, die man sich dann aufteilt. Bis man eine kontinuierliche Verrechnung und auch Ressourcenverwaltung hat bedarf es einiges an Aufwand. Zum Einsatz kommen Systeme (z.B. CMDB) mit denen man nachvollziehen kann,

  • welche Ressource liegt wo,
  • wer hat auf welche Ressourcen Zugriff und
  • wem gehört welche HW bzw. SW.

Zu diesen Ressourcen zählen neben den bekannten Themen wie Notebooks ergänzend Lizenzen, Domain Management, Accounts auf externen Plattformen etc. Je mehr Ressourcen geteilt werden, umso größer wird der Aufwand dies zu dokumentieren. Die Bedeutung dieser Tätigkeit zeigt sich, wenn eine Gesellschaft oder ein Mitarbeiter den Verbund verlässt. Dann müssen Zugänge gesperrt werden. Wer dann nicht weiß, wo Zugriffe möglich sind, der ist seitens der Unternehmenssicherheit einem hohen Risiko ausgesetzt.

Personal-Projekt-Management

Beim Personal-Projekt-Management wird hier ein Ressourcen-Management für Projekte bzw. Aufgabenbereiche verstanden. Agile Rahmenwerke wie SCRUM oder andere ermöglichen es, dass Mitarbeiter einer Gesellschaft mit anderen darüber verbunden sind und entsprechende Rollen im Rahmenwerk parallel zu den eigentlichen operativen Rollen einnehmen. Damit sind die Unternehmens-Strukturen immer weniger transparent und dies hat Auswirkungen für das Personal-Management. Folgende Punkte treten noch stärker als bei einzelnen Gesellschaften hervor:

  • Wer ist in welchem Projekt tätig
  • Wer ist über- oder unterfordert
  • Wer hat den Skill und kann unterstützen

Eigentlich kann nur ein übergreifendes Personal-Projekt-Management dieses Problem lösen. Dadurch, dass es aber Weisungsbefugnisse gibt, kann dies nicht lückenlos umgesetzt werden. Somit muss man sich entscheiden, ob man Lücken in Kauf nimmt oder ob z. B. Prokuristen zum Einsatz kommen, die diesen Umstand kompensieren können.

Der angrenzende Bereich Personalverwaltung, die den Mitarbeiter-Bedarf bei Löhnen, Urlauben, Weiterbildungen etc. steuern, liefert dem Personal-Projekt-Management zu und muss sich selbst auch einer komplexeren Verwaltung stellen.

Produkt-Management

Das Produkt-Management hat im Multi-Unternehmen-Management eine besondere Rolle. Die produzierten Produkte werden in unterschiedlichen Kombinationen erstellt. Dahinter verbirgt sich immer ein sogenannter Produktlifecycle. Anhand zweier Beispiele soll aufgezeigt werden, um wieviel komplexer der Produktlifecycle wird:

Beispiel 1 Softwareprodukt: Für die Herstellung des Softwareprodukts sind folgende Punkte zu klären:

  • Wer hält das Anforderungsmanagement
  • Wer programmiert
  • Wer wirkt ggf. inhaltlich mit
  • Wer assistiert
  • Wer übernimmt die Vermarktung

Beispiel 2 Veranstaltungen: Die Umsetzung eines z.B. internationalen Kongresses bedarf es folgender Klärung dieser Unternehmens-übergreifenden Punkte

  • Wer macht das Kongressmanagement
  • Wer implementiert die Technik
  • Wer supportet bei Problemen
  • Wer betreibt die Technik
  • Wer tritt als Veranstalter auf
  • Wer vermarktet die Veranstaltung
  • Wer wirkt inhaltlich mit

Die beiden Beispiele zeigen, dass jeder Bereich im Produktlifecycle aufgeteilt wird, um am Ende den gewünschten erfolgreichen Wertbeitrag (Veranstaltung, SW-Produkt) zu erhalten.

Legal

Ein im operativen Umfeld wenig sichtbarer Bereich ist der vertragliche Teil. Je mehr die Unternehmensgrenzen verschwimmen, umso diffiziler müssen Regelungen ausgearbeitet werden. Dies beginnt vom Datenschutz bis zum Kundenvertrag, der mehrere Mitwirkende bei der Wertschöpfung inkludiert. Folgende Punkte sind zu beachten, da hier ein Mehraufwand entsteht:

  • DSGVO: Übergreifender Datenschutz zwischen allen Gesellschaften
  • Haftung-AGB: Wer ist in der Haftung etc.
  • Lizenzübertragbarkeit: Einkauf bei Fa. X und genutzt von Fa. Y
  • Vertragshandling von Kundenprodukten

Die Herausforderung steckt in der Durchgängigkeit der juristischen Passagen, die dann auch noch über alle Leistungsträger hinweg implementiert werden müssen.

Controlling

Mit jedem Beitragenden in der Wertschöpfungskette wird die Verrechnung schwieriger. Die Anzahl von Protagonisten steigt und erfordert eine genaue Abrechnung. Die bereits oben genannten Punkte kumulieren sich in der Verrechnung. Von der Provision bis zur Arbeitsstunde und einer eingekauften Lizenz sind viele Aspekte zu berücksichtigen.

Zwischenfazit

Eine wie bisher geartete Trennung in „Ressorts“ wird immer schwieriger. Natürlich gibt es die klassischen Bereiche wie oben gezeigt. Aber wie in diesem Artikel diskutiert erhalten die klassischen Bereiche neue Steuerungsthemen und werden innerhalb ihres Bereichs immer stärker segmentiert, da sie z.B. über ein Outsourcing ergänzt werden.

Wie kann vor diesem Hintergrund eine Organisation, die all diesen Anforderungen Rechnung trägt, eine integrierte Lösung aussehen?

Lösung 1: Servicekopplung

Ein Verbund muss zukünftig in Services denken. Die Kopplung von Services ist deutlich einfacher als die oben gezeigte detaillierte Einzelbetrachtung. Über den Mechanismus „Service“ werden die Mehrwerte, Einsatzzwecke und auch Einsatzorte klar. Insbesondere sind die Qualität in Form von Kennzahlen und die Aufgabenteilung via Zuständigkeitsmatrizen konkret beschrieben.

Lösung 2: Umbrella-Management

Trotz der Vereinfachung über die Servicekopplung verbleiben einzelne Bereiche wie z.B. inkl. Legal und Controlling, die sich zwar als spezifische Service abbilden lassen, dabei leider im Wagen bleiben. Abhilfe schafft ein Umbrella-Management, das alle Aspekte im Blick behält. Dieses Umbrella-Management wird umgesetzt über z.B. Prokuristen, die in mehreren Gesellschaften als Handlungsbevollmächtigte eingesetzt werden.

Abschließend betrachtet sind die beiden Lösungswege ein Erfolgsgarant, um sich auf dem Markt zu behaupten. Während die Services am Markt ausgerichtet und unterschiedlich gebündelt / gekoppelt werden, stellt das Umbrella-Management einen geordneten Betrieb sicher. Genau diese Kombination ermöglicht ein effektives Wirtschaften und einen nachhaltigen Betriebsaufbau. Die Scholderer GmbH und deren angrenzenden Unternehmen hat dieses Konzept selbst implementiert und berät andere Unternehmen, wie diese Methodik erfolgreich angewendet werden kann.

Autor: Robert Scholderer
Robert Scholderer ist Gründer und Geschäftsführer studierte Mathematik und Informatik in München, promovierte in Karlsruhe und habilitierte sich an der TU Ilmenau, wo er auch als Dozent tätig ist. Seit Januar 2021 ist er Vorsitzender des IT Management Service Forums (ITSMF) in Österreich. Er ist Autor der Fach-Bestseller „IT-Servicekatalog“ und „Management von Service Level Agreements“, seine Seminare und Vorträge haben mehr als 1.000 Teilnehmer besucht.