Crowdsourcing als Antwort auf den Fachkräftemangel in der IT
Erst im April diesen Jahres schlugen Arbeitgeber Alarm: Noch nie war der Fachkräftemangel so hoch, deutschen Firmen mangelt es vor allem an Experten aus technischen Berufen. Im April fehlten Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge 314.800 Arbeitskräfte in MINT-Berufen, also aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Vor allem Spezialisten für Big Data, Cloud Computing, Machine Learning und Künstliche Intelligenz (KI) werden händeringend gesucht, aktuell fehlen laut dem Branchenverband Bitkom 55.000 IT-Fachkräfte. Hinzu kommt: Die Vielfalt der Kompetenzen, die heute gerade in hochkomplexen Modernisierungsprojekten benötigt werden, lassen sich kaum noch in internen IT-Abteilungen abdecken. Eine Lösung um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und damit die Digitalisierung und den wirtschaftlichen Wachstum weiter voranzutreiben, könnten Crowdsourcing sein. Beim Crowdsourcing werden Projektaufträge von Unternehmen an eine Gruppe von Experten (Crowd), die auf einer entsprechenden Plattform zusammen kommt, ausgelagert (Outsourcing).
Größter Personalmarktplatz der Welt
Ein Beispiel für eine solche Plattform ist Topcoder. Mit über einer Million Experten ist Topcoder der weltweit größte Personalmarktplatz für Designer, Entwickler, Programmierer, Data Scientists sowie KI-Experten. Hier kommen Fachleute und Freiberufler zusammen, um gemeinsam komplexe Probleme zu lösen. Die Plattform verkauft Community-Services an Unternehmen und bezahlt Community-Mitglieder für ihre Arbeit an den Projekten. Unternehmen stellen ihre IT-Probleme auf der Plattform ein und Entwickler, die irgendwo auf der Welt sitzen, können Lösungsvorschläge einschicken und damit Geld verdienen. Anschließend sucht der Kunde sich die für ihn am besten passende Lösung aus und muss auch nur diese bezahlen. Der Entwickler löst in der Regel nur Teilaufgaben und erfährt nicht, auf welches Projekt sich seine konkrete Aufgabe bezieht. Ist ein Projekt finalisiert, sind jedoch alle Lösungen für alle Teilnehmer einsehbar.
Für Unternehmen hat diese Art der Experten-Rekrutierung den Vorteil, dass sie so Datenwissenschaftler und Entwickler, die in den nachgefragten Bereichen ausgebildet wurden und die notwendigen Fähigkeiten und Zertifizierungen haben, gezielt finden können. Zudem bietet der Personalmarktplatz den Unternehmen einen On-Demand-Zugang zu den Menschen und Qualifikationen, die sie in dem Moment brauchen, um weiterhin im Wettbewerb bestehen zu können. App-Designer, Entwickler und Datenwissenschaftler aus der ganzen Welt konkurrieren auf der Plattform mittlerweile mit kreativen Codes, Algorithmen und Lösungen um die besten Aufträge – und sind bereit, sofort mit der Umsetzung zu beginnen.
Das beste aus beiden Welten: Die Hybrid Crowd
Aufgrund der gestiegenen Nachfrage der Unternehmen ist Topcoder noch einen Schritt weiter gegangen und hat mit seiner Tochterplattform „Hybrid Crowd” einen einzigartigen Marktplatz geschaffen, der die Expertise der Mitglieder der weltweiten Topcoder-Community mit den Netzwerken technischer Talente verbindet, die es in jedem Unternehmen gibt. Wurden bisher Freiberufler und Angestellte als getrennte Einheiten betrachtet, kombiniert Hybrid Crowd die Vorteile beider Lager, um die Produktivität und Geschwindigkeit weiter zu steigern. Die Hybrid-Crowd-Plattform entstand durch die Integration von Topcoder mit der internen Crowdsourcing-Plattform von Wipro, TopGear, die es den Wipro-Projektmanagern ermöglicht, auch Wipro-Mitarbeiter außerhalb ihrer Projektteams in ihre Arbeit mit einzubeziehen. Mehr als 30.000 Wipro-Mitarbeiter haben sich TopGear angeschlossen, das nun als private Community auf der Topcoder Hybrid-Crowd-Plattform untergebracht ist. Topcoder und Hybrid Crowd stellen somit Eckpfeiler einer kontinuierlichen digitalen Transformation da, die dem Fachkräftemangel entgegenwirkt und auch die deutsche Wirtschaft ankurbeln kann.
Mit der „Hybrid Crowd“ hat Topcoader einen Marktplatz für die Expertise seiner Mitarbeiter geschaffen.
Mit der Hybrid Crowd können Kundenteams ein noch breiteres Spektrum an digitalen Dienstleistungen anbieten und Anforderungen „Just-in-Time” erfüllen. Experten können auch neue Fähigkeiten erlernen und Anerkennung erlangen, indem sie an Crowdsourcing-Wettbewerben teilnehmen. Die Kunden profitieren vom Zugang zu einem breiten Pool bestens zertifizierter Fachexperten mit Erfahrung in AI und Cognitive Computing. Für die teilnehmenden Unternehmen lohnt sich das auch finanziell, im Vergleich zu herkömmlicher Software-Entwicklung liegen die Kosten nicht selten um bis zu 33 Prozent niedriger.
Internationale Unternehmen sind Vorreiter
In den vergangen Jahren griffen IT-Dienstleistungsunternehmen für die Projektarbeit vor allem auf traditionelle Modelle wie den Einsatz von Software-Ingenieuren zurück. Diese Modelle stehen aufgrund des Preisdrucks im IT-Dienstleistungsgeschäft und des Protektionismus in den globalen Wachstumsmärkten zunehmend vor Herausforderungen. Aus diesem Grund hat sich beispielsweise IBM mit Topcoder zusammengetan, um die Ul für ihre Mood Marbles App zu entwerfen und zu bauen, die die Stimmung eines Teams während eines Projekts einfängt und visualisiert. Crowdsourcing lieferte in weniger als acht Wochen einen fertigen Code an das Entwicklerteam von IBM.
Ein weiteres Beispiel: BMC wandte sich an Topcoder um eine App zu entwickeln, die als „Mobile Concierge“ für die Besucher ihres Executive Briefing Centers (EBC) dient. In nur fünf Monaten stand die MyEBC-App für Apple- und Android-Geräte zum Download bereit.
Und die Harvard Medical School hat mit Hilfe der Topcoder-Community ein hochkomplexes Problem im Bereich der DNA-Sequenzierung gelöst, konkret ging es um die Berechnung des Abstands zwischen DNA-Strings. Mit einem einzigen Topcoder-Algorithmus wurde die Berechnungszeit von 260,4 Minuten auf 16 Sekunden verkürzt.
Die wirtschaftliche Zukunft vorantreiben
Internationale Großunternehmen haben die Vorteile von Crowdsourcing bereits erkannt und vergeben Projekte oder komplexe Herausforderungen immer häufiger über Internet-Plattformen an externe freiberufliche Wissenschaftler in der ganzen Welt, die sich oftmals auch gemeinsam der Lösungssuche annehmen. Mit Hilfe von Crowdsourcing konnten in den vergangen Jahren Lösungen für die Data-Science-Probleme von Forschern, Unternehmen und Agenturen in den Bereichen Advanced Robotics, Bio-Landwirtschaft, DNA-Sequenzierung, Umweltschutz, Pharma-Testing, Präzisionsmedizin und vielen anderen Gebieten gefunden werden. Führende IT- und High-Tech Unternehmen können dadurch Projekte im Bereich der neuen Technologien fördern und geeignete Talente finden. Insbesondere bei komplexen Herausforderungen sind sie nicht mehr darauf angewiesen, dass ein entsprechender Mitarbeiter vor Ort ist und Qualifikationen vorweist, die am Arbeitsmarkt kaum noch verfügbar sind.
Vor allem bei kleineren und mittelständischen Firmen muss sich dieses Konzept jedoch erst noch etablieren – dabei könnten gerade KMU enorm von Plattformen wie TopCoder profitieren, da sie nicht mehr mit den Größen ihrer Branche einen nahezu aussichtslosen Kampf um die seltenen Fachkräfte ausfechten müssen. Am Mangel an qualifizierten Mitarbeitern müssen Projekte zur Digitalen Transformation in Zukunft auf jeden Fall nicht mehr scheitern.
Weitere Informationen unter:
https://www.topcoder.com/
Dies ist ein Gastbeitrag von Matt Needham, General Manager Europe Topcoder
Danke für die Artikel. Klingt alles logisch. Warum sind allerdings keine deutschen KMUs unter den Kunden von Topcoders zu finden? Die Frage gilt auch hinsichtlich kaggle und anderen Crowdsourcing Plattformen. Ich sehe großen Potenzial, aber warum nutzen KMUs dieses nicht?