Virtual Studio vs. On-Location
Holger Berthues, Geschäftsführer, Laudert GmbH + Co. KG erläutert im Hintergrundgespräch wie „Virtual Production“ reale und virtuelle Welten im Studio zur universellen Location verschmelzen lässt.
Herr Berthues, was ist „Virtual Production“ und wie funktioniert sie?
Virtual Production beschreibt die Integration eines Studio-Sets in eine 3D-Szene in Echtzeit. Ein reales Model oder Produkt werden live mit einer virtuellen Szene zusammengeführt, woraus Produktbilder und Produktpräsentationen entstehen.
Aus dem Filmbereich ist gemeinhin die Greenscreen-Technologie dafür bekannt, wobei auch dort mittlerweile vermehrt auf LED-Technik gesetzt wird. Mit dem Virtual Studio by Laudert haben wir die Vorteile der virtuellen Filmproduktion so adaptiert, dass daraus ein idealer Fotografie-Workflow entsteht. Wir haben einen Ansatz entwickelt, der auf farbunabhängigem Keying basiert, wodurch wir weder räumlich begrenzt sind, wie bei LED-Wänden, noch Probleme mit dem Greenspill, also mit grünen Reflektionen durch Greenscreen haben. Das erhöht die Flexibilität und Verlässlichkeit unserer Produktionen enorm.
Wir sind davon überzeugt, dass die Virtual Production einen sehr großen Teil der Location-Fotografie in kürzester Zeit ablösen wird.
Was macht die „Virtual Production“ so interessant?
Rein als Substitut für die Location Fotografie betrachtet werden durch die Virtual Production bereits zahlreiche Vorteile im Bereich der Flexibilität, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit – je nach Projekt – spürbar. Shootings sind komplett wetter- und jahreszeitunabhängig möglich. Logistik und Transportaufwände werden minimiert – was auch eine Kostenreduktion sowie eine Reduktion des CO2-Ausstoßes bedeutet.
Shooting-Tage sind auch entzerrt möglich und spontan planbar. Die virtuellen Locations sind unendlich nutzbar und nach eigenen Wünschen erstell- und veränderbar – und innerhalb eines Shootings lässt sich quasi per Mausklick die Location ändern. Und: Auch nach dem Shooting sind Korrekturen und Anpassungen möglich.
Weiterhin zeichnet sich die Virtual Production durch ihren sehr kreativen Prozess aus. Model, Art Direction und Kunde können mit Feedback schon weit vor dem Shooting sowie in Echtzeit an der Gestaltung der virtuellen Szene und letztendlich des finalen Bildes teilhaben.
Weitergedacht bringt das Virtual Studio by Laudert zusätzliche Vorteile mit sich: Es kann direkt in die E-Commerce-Fotografie eingebunden werden. Mit denselben Warenmustern entsteht in nur einem Studio der gesamte Bild-Bedarf und kann so mit einem stringenten und effizienten Workflow abgebildet werden.
„Virtual Production wird einen sehr großen Teil der Location-Fotografie in kürzester Zeit ablösen.“
Holger Berthues, Geschäftsführer, Laudert GmbH + Co. KG
Welche Technologien stecken dahinter?
Der Set-Aufbau im Virtual Studio by Laudert ist, auch im Vergleich zu LED und Greenscreen, enorm schlank. Alles, was benötigt wird, ist eine Workstation, eine Fotokamera mit Tracking sowie Tracking-Kameras um das Set herum. In der Workstation wird die virtuelle Szene live gerendert. Alle Bewegungen der Fotokamera werden erfasst und mit der berechneten 3D-Position aus den Tracking-Kameras mit der virtuellen Szene zusammengefügt. Die virtuelle Welt basiert auf der Game Engine „Unreal Engine“. Fotografen, Model und Kunden können direkt am Set verfolgen, wie die Szene „On Location“ aussieht.
Durch die Ausgabe der exakten Kamerapositionsdaten ist es uns möglich, in High-End-Rendersoftware die finale Bildqualität merklich zu erhöhen. Gleichzeitig werden zahlreiche intrinsische und extrinsische Daten mitgeschrieben, die den Post-Production-Prozess erheblich erleichtern.
Für welche Aufnahmen und Zielgruppen eignet sich das „Virtual Studio“?
Letztendlich sind der Technologie selbst keine Grenzen gesetzt – auch weil noch viel zusätzlich Entwicklungspotenzial darin steckt. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten wird das Virtual Studio insbesondere dann zum großen Vorteil, wenn die kreierten virtuellen Szenen mehrfach genutzt werden können. Ob es dabei um Strandszenen, städtische Aufnahmen, Industrie-Umgebungen oder futuristische, fiktive Welten geht, ist egal.
Produkte können über die Virtual Production sowohl am Model als auch nur mit weiteren Requisiten geshootet werden. Damit ist die Technologie insbesondere für sämtliche Unternehmen interessant, die physische Produkte anbieten.
Heruntergebrochen könnte man sagen: Alle Produkte, die mit einem gewissen artistischen Anspruch in Szene gesetzt werden sollen, können über das Virtual Studio geshootet werden.
„Alle Produkte, die mit einem gewissen artistischen Anspruch in Szene gesetzt werden sollen, können über das Virtual Studio geshootet werden.“
Gibt es schon Kundenbeispiele?
Wir haben schon einige Projekte mit Kunden umgesetzt. Bisher kann man sagen: sie hinterließen bleibenden Eindruck. Stories sowohl zur Otto-Tochter, der Witt-Gruppe als auch zu GINA LAURA finden sich auf unserer Webseite. Beide Unternehmen zeichnen sich durch ihren Mut aus, neue Technologien für sich zu gewinnen. In den Shootings ging es virtuell sowohl an den Beach Club, als auch in historische Stadtkerne – zwei sehr unterschiedliche Szenarien, die die Flexibilität des Virtual Studio by Laudert unterstreichen und unendlich erweiterbar sind, indoor wie outdoor.
Welche Vorteile haben Ihre Kunden davon?
Wie bereits angedeutet, profitieren Kunden auf sehr unterschiedlichen Ebenen vom Virtual Studio. Die grundsätzliche Flexibilität und kreative Freiheit in der Bildgestaltung ist ein Punkt. Für andere Unternehmen spielen insbesondere Faktoren wie die spontane Shooting-Möglichkeit oder die enorme Planungssicherheit und der geringe Logistik-Aufwand eine besondere Rolle. Gerade bei saisonalen Artikeln kann dies entscheidend sein. Durch die Einheitlichkeit des Looks der Bilder entsteht zudem ein kohärenter Markenauftritt. Und auch wirtschaftlich zahlt sich das Virtual Studio aus – was eigentlich für jedes Unternehmen ein wichtiger Aspekt ist.
Zu guter Letzt wäre da noch der Faktor Nachhaltigkeit, dessen Bedeutung heute schon sehr hoch wird – und in den kommenden Jahren weiter zunehmen wird.
Welche nachhaltigen Vorteile sind das?
Mit dem Virtual Studio entfallen die hohen Reise- und Logistik-Aufwände für Ware, Models, Crew und Equipment. Ihm steht lediglich der Render-Aufwand der Szene gegenüber, der im Vergleich aber wesentlich geringer ausfällt. Natürlich sind für eine Detailberechnung viele Faktoren entscheidend. Nicht jedes Location-Shooting ist gleich. Eine Beispielrechnung für die CO2-Ersparnis haben wir unter anderem in unserem kostenfreien Whitepaper integriert. Dazu würde ich gerne anmerken, dass davon auszugehen ist, dass der in der Rechnung veranschlagte CO2-Preis weiter ansteigen wird.
Was den reinen Ausstoß angeht, stehen in der Beispielrechnung über 47 Tonnen CO2 für das Location-Shooting weniger als 8 Tonnen CO2 für das Shooting per Virtual Studio gegenüber.
Was raten Sie Handelsunternehmen im Kontext einer nachhaltigen E-Commerce-Strategie?
Auch wenn allgemeingültige Ratschläge immer schwierig sind: Gerade im E-Commerce trifft ein hoher Qualitätsanspruch auf sehr schnelle und volatile Märkte. Wichtig ist es, Content zu kreieren, der den User führt. Einzelne Highlights wecken Aufmerksamkeit, aber der Kunde bleibt nur, wenn er sich auch in der Masse der Einzelprodukte zurechtfindet – ein elementarer Bestandteil der User Experience.
Und weil der Preisdruck gerade im E-Commerce besonders hoch ist, geht es auch darum, eine Content-Produktion sicherzustellen, die Workflow-gesteuert und effizient ist und sich nahtlos in die gesamten Unternehmensprozesse eingliedert, ganz egal ob es um Moods, Produktabbildungen oder Produktbeschreibungen geht.
Wohin wird sich Ihrer Meinung nach die CGI-Technologie in Zukunft entwickeln?
CGI ist heute in der Lage, fotorealistische Abbildungen der Realität zu schaffen. Gleichzeitig ist es aber eine unglaublich kreative Technologie, weil sie weit über die Realität hinaus Möglichkeiten eröffnet. Wir werden immer neue Wege finden, diese Flexibilität zu nutzen – was wir ja nun auch mit unserem Virtual Studio zeigen, indem wir die Realität mit der Virtualität in Echtzeit zusammenführen.
In Verbindung mit künstlicher Intelligenz sind personalisierte Modelle oder Avatare (Stichwort Metaverse) denkbar, die Kunden auf einer sehr emotionalen und Ebene ansprechen. Wir investieren selbst viel in Forschung und Innovation in diesem Bereich.
„Virtual Production: Die Zukunft der Location-Fotografie „
Welche Trends machen Sie aus?
Der aktuelle Trend in unserem Bereich ist sicherlich das angesprochene Virtual Studio. Wir stehen hier am Anfang einer Entwicklung, die die gesamte Fotografie im Bereich der Handelskommunikation verändern wird – durch den Einsatz von CGI.
Etwas übergeordnet nimmt natürlich das Metaverse viel Raum in Zukunftsdiskussionen ein. Dass ein riesiger Konzern wie Meta sich bereits ganz dieser Technologie verschreibt, obwohl wir noch weit vor einem monetarisierbarem „Produkt“ stehen, ist enorm spannend. CGI wird im Metaverse eine erhebliche Rolle spielen – denn der virtuelle Raum muss ja durch grafische Darstellungen erlebbar gemacht werden.
Wie wirken sich die neuen Technologien auf Markt und Gesellschaft aus?
In der Produktkommunikation wird CGI von Kundenseite häufig gar nicht wahrgenommen – weil der Content, der daraus entsteht, fotorealistisch ist und als Fotografie interpretiert wird. Der Markt selbst profitiert von den neuen Möglichkeiten der Content-Kreation durch höhere Flexibilität und Kreativität sowie zahlreichen interaktiven Möglichkeiten, Kunden die eigenen Produkte vorzustellen. Mit der Virtual Production kommt nun eine neue Möglichkeit hinzu.
Welche gesellschaftlichen Auswirkungen ein Metaverse hätte, lässt sich nur erahnen. Wir beschäftigen uns intern wie extern mit diesen Fragen, um mit eigenen Innovationen vordenken und teilhaben zu können.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung und die digitale Transformation dabei?
Innovationszyklen werden immer kürzer, und Technologien wie CGI und KI entwickeln sich immer schneller und vielfältiger und wachsen zusammen: Die digitale Transformation lenkt, wie wir als Menschen Gesellschaft, Kultur und Handel wahrnehmen und darin interagieren. Und damit bestimmt sie auch, in welchem Kontext neue Innovation vorangetrieben wird. Technologie ist spitz gesagt ein integraler Bestandteil unseres gesellschaftlichen Seins – so interpretiere ich das jedenfalls. Und die Signifikanz von Technologie nimmt in allen Bereichen weiter zu.
Als Deutschlands zweitgrößte inhabergeführte Digitalagentur nehmen wir Digitalisierung als Teil unserer eigenen DNA wahr. Dieses Mindset verbunden mit unserer ausgeprägten Prozess-Expertise ist Basis unseres Erfolgs.
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