Recruiting-Strategie entwerfen statt Papierakten wälzen
Dies ist ein Gastbeitrag von Matthias Kunisch, Geschäftsführer forcont business technology gmbh
Neue Technologien mit künstlicher Intelligenz (KI) sind in aller Munde – auch im HR-Bereich. Es wird etwa diskutiert, wie intelligente Tools beim Recruiting helfen können. In der Praxis sind allerdings die meisten Personalabteilungen längst nicht so weit. Ein Großteil der Zeit fließt immer noch in administrative Aufgaben, genauer gesagt: das Suchen, Finden, Bearbeiten und Ablegen von Papierdokumenten.
Wichtige Kernaufgaben, beispielsweise eine Recruiting-Strategie zu entwerfen und umzusetzen, kommen somit zu kurz. Dies hat eine Umfrage unter einigen Teilnehmern des forpeople day am 4. April in München gezeigt, bei dem sich rund 50 Personalverantwortliche zum Thema digitaler Wandel austauschten. Eine wichtige Erkenntnis: Das Potenzial, mittels Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen mehr Zeit zu gewinnen, ist im HR-Bereich noch lange nicht ausgeschöpft.
Nicht wenige Personalmanager schieben die digitale Transformation ihres Bereichs vor sich her, aus Angst vor dem vermeintlichen Mammutprojekt und aufgrund mangelnder Unterstützung im Unternehmen. „Diese Sichtweise ist zu pessimistisch“, sagt Thomas Fahrig, HR-Experte bei forcont. „Personalverantwortliche sollten die Digitalisierung vielmehr als Chance begreifen, um dokumentenbasierte Abläufe zu optimieren und somit wertvolle Zeit freizusetzen.“ Allein für das Suchen und Finden von Dokumenten verlieren Unternehmen durchschnittlich 15 Prozent ihrer zeitlichen Ressourcen.1 Bei der Automatisierung sollten Unternehmen sich als Ziel setzen, die gesamte Prozesskette des Mitarbeiterlebenszyklus‘ abzudecken – von Bewerbung und Einstellung über Onboarding und Weiterbildung bis hin zum Ausscheiden aus der Organisation. Dabei ist es sinnvoll, zunächst diejenigen Prozesse anzugehen, die am meisten Zeit verschlingen. So lässt sich schnell ein deutlicher Effekt erzielen.
Tragfähige, digitale Grundlagen schaffen
Daran arbeitet momentan auch der Debeka Krankenversicherungsverein a. G. Erste Prozesse sind bereits optimiert: „Mit der Einführung eines neuen Zeitwirtschaftssystems konnten wir im vergangenen Jahr die betroffenen Prozesse rund um die Themen An- und Abwesenheit digitalisieren und effizienter gestalten“, sagt Marius Hutzl, Mitarbeiter der Abteilung Personal (im Grundsatzbereich). „So haben wir einen nützlichen Mehrwert geschaffen, der uns auch ein Stück weit näher an unsere Mitarbeiter bringt und die Zufriedenheit in der Belegschaft fördert.“ Effiziente Workflows zu definieren und diese mit digitalen Lösungen zu automatisieren, ist Voraussetzung für alle nachfolgenden Optimierungen. „Erst wenn dieser Grundstein gelegt ist, können HR-Abteilungen sinnvoll überlegen, wie sie ihre digitale Transformation weiter gestalten, etwa mit neuartigen Technologien auf Basis von künstlicher Intelligenz“, so Thomas Fahrig.
Effizientes Informationsmanagement
Das Thema Zeitmangel beschäftigt auch Ines Zacher, Abteilungsleiterin Personalservice und Vergütung bei der GEMA: „Die größten Zeitfresser in unserer täglichen Arbeit ergeben sich momentan noch daraus, dass Mitarbeiter uns permanent viele Informationen zurufen. Diese müssen wir erst einmal zusammenfassen und verteilen – auch, weil wir an unseren verschiedenen Standorten sehr dezentral organisiert sind. Ich wünsche mir mehr Zeit, um uns um echte Mitarbeiterbelange kümmern zu können und um die Führungskräfte besser zu betreuen.“ Die GEMA ist deshalb dabei, ihre HR-Prozesse nach und nach zu optimieren. Im ersten Schritt hat die Verwertungsgesellschaft ihre Papierakten in ein digitales Personalaktensystem überführt und in diesem Zuge diverse Workflows automatisiert, wie etwa das Erstellen und Versenden von Dokumenten. Die gewonnenen Ressourcen will die GEMA vor allem in das Recruiting investieren.
HR-Manager wird zum Vertriebler
„Die meisten HR-Abteilungen stehen unter hohem Zugzwang“, sagt Thomas Fahrig. „Eine der großen Herausforderungen ist das Recruiting. Geeignete Fachkräfte zu gewinnen und zu halten, ist für Unternehmen heute viel aufwendiger als noch vor einigen Jahren. Damit verändert sich auch das Berufsbild des HR-Verantwortlichen, der ein Stück weit zum Vertriebler wird. Um sich in dieser neuen Rolle zurechtzufinden, brauchen Personalmanager den nötigen Freiraum.“ Ines Zacher bestätigt: „Die richtigen Mitarbeiter zu finden und für unser Unternehmen zu begeistern, uns die Zeit nehmen zu können, um die passenden Kandidaten auszuwählen – das wird ein hartes Brett, das wir noch zu bohren haben.“
Datenschutz gewährleisten
Im Kontext der Digitalisierung und der neuen EU-DSGVO ist Datenschutz ein weiteres Thema, das Personalverantwortliche besonders umtreibt. Dr. Nina Springer, Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin bei der Wirtschaftskanzlei Eversheds Sutherland, erklärt: „Unternehmen sollten zunächst eine Bestandsaufnahme machen und – den Grundsatz der Datensparsamkeit beachtend – ihre Personalakten kritisch daraufhin überprüfen, welche Dokumente vernichtet werden müssen oder gar nicht erst in eine Personalakte hätten Eingang finden dürfen.“ Letzteres betrifft beispielsweise Gehalts- oder Prämienlisten, die die Namen von mehreren Mitarbeitern beinhalten. Wenn Unternehmen ihre Personalakten digitalisieren wollen, gilt es zu definieren, welche Dokumente aktuell und zukünftig in der Personalakte vorhanden sein müssen und dürfen. Zudem ist sicherzustellen, dass das Handling von Personaldokumenten persönlichkeitsrechts- und datenschutzkonform erfolgt.
Die Frage, ob das Papier aus der HR-Abteilung gänzlich verschwinden kann – wie es bei einer vollständigen Digitalisierung des Unternehmens der Fall wäre –, ist aus juristischer Sicht eine zweischneidige Angelegenheit. „Die deutsche Gesetzgebung gibt bei bestimmten Verträgen vor, dass diese schriftformwahrend abzuschließen sind“, so Dr. Springer. „Das wäre nicht mehr gewährleistet, wenn diese Art von Verträgen, insbesondere befristete Arbeitsverträge, nur noch digital vorlägen. Hier müssen Unternehmen die Vorteile einer vollständigen Digitalisierung und das Risiko, in Einzelfällen rechtliche Konsequenzen tragen zu müssen, gegeneinander abwägen.“
Weitere Informationen unter:
http://www.forcont.de
1 Personalwirtschaft, Ausgabe 12/2013, Special „Digitale Personalakte“, S. 30 ff.
Über den Autor:
Der studierte Diplom-Mathematiker Matthias Kunisch ist Geschäftsführer der forcont business technology gmbh, ein auf Enterprise Content Management (ECM) spezialisiertes Softwarehaus, und seit 1976 in der IT-Branche tätig. Matthias Kunisch ist für die strategische Ausrichtung des Unternehmens und die Produktentwicklung verantwortlich. Unter seiner Leitung entwickelte forcont frühzeitig Cloud-Angebote für ausgewählte dokumentenzentrierte Anwendungen, die sich heute erfolgreich am Markt bewähren. Von 2012 bis 2018 war er zudem Vorstandsmitglied des Kompetenznetzwerkes Cloud Ecosystem e.V. forcont bietet standardisierte Produkte für digitales Personalmanagement, Vertragsmanagement und mobiles Dokumentenmanagement sowie individuelle digitale Aktenlösungen zur Optimierung dokumentenzentrierter Geschäftsprozesse. Zudem leistet das Softwarehaus den kompletten Service im ECM-Umfeld von SAP.
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