Welche Recruiting-Maßnahmen von Social Media über Homepage bis hin zu Stellenausschreibungen sich für kleine und mittelständische Unternehmen eignen, weiß Frank Schieback, CMO bei SELLWERK, dem Netzwerk des deutschen Mittelstands.
Die Meldungen über den bestehenden Fachkräftemangel reißen nicht ab. Kaum eine Branche bleibt verschont. Tausende Arbeitskräfte fehlen auf dem Markt und das trotz des stetigen Umdenkens auf Unternehmensseite und dem steigenden Angebot an Mitarbeiterbenefits. Der Grund: fehlendes Employer Branding und geeignete Recruiting-Maßnahmen, um die Talente von heute und morgen zu erreichen.
Gerade KMUs schöpfen noch nicht das volle Potenzial der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus. Doch die voranschreitende Digitalisierung lenkt auch hier die Entwicklung in die richtige Richtung, wie der index Recruiting-Report 2022 zeigt. Welche Handlungsempfehlungen sich für kleine und mittelständische Unternehmen auf Grundlage dieser Daten ergeben, weiß Frank Schieback, CMO bei SELLWERK, dem Netzwerk des deutschen Mittelstands. So steht und fällt alles damit, dass sich die Firmen nicht nur als Dienstleister, sondern eben auch als Arbeitgeber verstehen und dies nach außen präsentieren, um neue Talente anzuziehen.
Eine harte Nuss: Schwierigkeiten im Mittelstandsrecruiting
Eine Kundenumfrage von SELLWERK aus dem Jahr 2021 zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Unternehmen im Mittelstand regelmäßig neue Mitarbeitende suchen. Hierbei ist für 36 Prozent der zeitliche Aufwand die größte Herausforderung. Die Mitarbeitersuche ist schließlich lange kein leichtes Unterfangen mehr und nimmt sowohl temporäre als auch monetäre Ressourcen in Anspruch. Laut Zahlen des Barometers Personalvermittlung 2022 geben ganze 97 Prozent der befragten Unternehmen an, Probleme bei der Gewinnung von Fachkräften zu haben. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So sorgt zum einen der demografische Wandel dafür, dass junge Expert:innen die Lücke der sinkenden Zahl an Erwerbsfähigen nicht schließen können. Zum anderen entstehen durch technische Innovationen und Entwicklungen neue Berufsfelder, die spezialisiertes Fachwissen erfordern. Für kleine und mittlere Unternehmen kommt zudem erschwerend hinzu, dass durch die zunehmende Akademisierung viele Ausbildungsberufe an Attraktivität verlieren.
Up to date bleiben: Sichtbarkeit und Aktualität von Stellenausschreibungen
Um diesen Herausforderungen und dem ernster werdenden Fach- und Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken, müssen vielfältige Recruiting-Maßnahmen her. So reagieren 66 Prozent der Unternehmen mit einem stärkeren Schalten von Stellenanzeigen in verschiedenen Medien. Um das meiste aus den Stellenausschreibungen herauszuholen, gilt es einige Punkte zu beachten. Beispielsweise müssen sie leicht auffindbar platziert und regelmäßig aktualisiert werden. Sei es auf einer Job-Unterseite der eigenen Homepage oder auf externen Portalen. Optimierte Stellenausschreibungen auf Google for Jobs sowie regionale Plattformen wie meinestelle.de, wo entsprechende Suchfilter gewählt werden können, tragen zu einer größeren Reichweite bei und vermeiden stärkere Streuverluste. Werden Stellenausschreibungen zudem mit einem Jobwidget auf der eigenen Website eingebunden, führt dies ebenfalls zu einer höheren Sichtbarkeit sowie zu einem mobil-optimierten Bewerbungsprozess.
Unabhängig von der Plattform sollte ein großes Augenmerk auf die Formalien und das Layout der Ausschreibung gelegt werden. Stellenausschreibungen als unscharfe Fotos oder PDFs sind in jedem Fall zu vermeiden, da sie Jobsuchende abschrecken. Zudem werden diese auf Mobiltelefonen oftmals nicht richtig angezeigt. Wer also Talente finden möchte, muss sich gut im World Wide Web aufstellen, denn laut index Recruiting Report werden im Durchschnitt 38 Prozent der Arbeitnehmer:innen durch Online-Stellenanzeigen gewonnen. An zweiter Stelle liegt mit 20 Prozent die Karriereseite. Knapp 18 Prozent des Personals fanden die befragten Unternehmen mithilfe klassischer Print-Stellenanzeigen. Der Vorteil der eigenen Website im Vergleich zu Annoncen oder Stellenportalen ist zudem, dass keine monatlichen oder sogar Tageskosten entstehen und Interessierte sich neben der Ausschreibung direkt über die Firma an sich informieren können.
Von jung bis alt: Erfolgversprechende Ansprache von Arbeitskräften
Eine weitere Möglichkeit, die Unternehmen einsetzen, um Talente von sich zu überzeugen, ist vielseitige Mitarbeiter-Benefits anzubieten (50 Prozent) sowie die Suche von Quereinsteiger:innen (44 Prozent). Um junge Fachkräfte zu finden, bauen viele Firmen den Einsatz von Azubi- und Schüler-Marketing-Maßnahmen (35 Prozent) sowie Hochschulmarketing (25 Prozent) aus. Gerade in mittelständischen Unternehmen ist die Gewinnung von Auszubildenden ein Top-Thema. Seltener genannt wurde als Aktion dagegen die Suchmaschinenoptimierung der eigenen Karriere-Website. Hier werden Potenziale verschenkt, denn wenn die eigene Seite bei der Google-Suche schlecht zu finden ist, leidet auch die Sichtbarkeit und damit die Anzahl an Kandidat:innen darunter.
New Normal: Digitaler Wandel im Recruiting
Fest steht, nur eine Stellenanzeige zu schalten, reicht nicht mehr. Es bedarf heutzutage einer übergreifenden Employer-Branding-Strategie. Unternehmen müssen sich als attraktive Arbeitgeber in der digitalen Welt zeigen. Dazu gehören unter anderem ein professionelles Unternehmens-Profil sowie ein optimierter und insbesondere digitaler Recruiting-Prozess. Sobald Interessierte auf die ausgeschriebenen Stellen aufmerksam werden und sich bewerben, gilt es, ein strukturiertes Bewerbungsverfahren sicherzustellen. Denn diese sogenannte Candidate Journey trägt schließlich dazu bei, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Vor allem jüngere Kandidat:innen, die es gewohnt sind, ein heute bestelltes Produkt schon am nächsten Tag geliefert zu bekommen, akzeptieren lange Entscheidungsprozesse und eine fehlende Kommunikation immer weniger.
Die übergreifende Außendarstellung beinhaltet zudem auch positive Google Bewertungen. Um diesen Kanal aktiv mitzugestalten, sollten Unternehmen ihre Kund:innen und Bewerber:innen animieren, Bewertungen abzugeben, um Wechselwillige und Jobsuchende von sich zu überzeugen. Arbeitgeberbewertungsportale wie kununu oder glassdoor gewinnen ebenso an Bedeutung. Schließlich bringen sie zahlreiche Vorteile für die Gewinnung von Mitarbeiter:innen mit sich, die von KMUs jedoch noch nicht ausreichend gesehen und genutzt werden. Hier sollten Firmen Zeit und Energie in die Gestaltung aussagekräftiger Unternehmensprofile stecken. Schließlich sind sie neben der eigenen Website die erste Anlaufstelle, um sich über Unternehmen zu informieren.
Von 0 auf 100: Social-Media-Recruiting auf dem Vormarsch
Eine beachtliche Entwicklung, die in der KMU-Personalbeschaffung dagegen an Bedeutung gewinnt, ist das Social-Media-Recruiting. So ist diese Maßnahme erstmals auf Platz eins der Trends fürs nächste Jahr im Recruiting-Report gelandet. Platz zwei belegt der Top Trend der vergangenen Jahre, das Employer Branding, während das Schüler:innen- und Azubimarketing sich an dritter Position einfindet. Diese Tendenz deckt sich mit der Angabe, dass für 73 Prozent der Unternehmen Social Media genauso wichtig ist, wie herkömmliche Jobbörsen. Die klassische Stellenanzeige bleibt dennoch für knapp 80 Prozent der befragten Unternehmen das wichtigste Recruiting-Instrument.
Gekommen, um zu bleiben: Bewerber:innen über soziale Plattformen erreichen
Dass sich Social-Media-Recruiting weiter etablieren wird, um die Generationen Z und Alpha zu erreichen, liegt auf der Hand und wird durch die Umfrageergebnisse bestätigt. Bei allen Betriebsgrößen spielen die Werbungsprozesse über die sozialen Netzwerke in den kommenden zwölf Monaten eine besondere Rolle. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen hat Social Media sogar die höchste Priorität. In den großen Konzernen gehört diese Maßnahme bereits zum Alltag und belegt den dritten Platz im Ranking. Weitere Schwerpunkte für kleine Unternehmen sind die eigene Karrierewebsite und Mitarbeiterempfehlungsprogramme.
Der Blick in die Glaskugel: KI und Social Media auf der Überholspur
Dass seit 2020 der digitale Wandel in Unternehmen um ein Vielfaches schneller vorangetrieben wurde als zuvor, steht außer Frage. Die Nutzung von Social Media Recruiting ist auch dadurch erstmals in die Top-Trends geklettert und wird sich dort voraussichtlich halten. Genauso wird die Vernetzung mit digitalen Maßnahmen auf der eigenen Karrierewebsite sowie externen Plattform weiter in den Fokus rücken. Dass für diese und alle weiteren Maßnahmen Geld in die Hand genommen werden muss, ist den meisten Unternehmen bewusst. Dennoch sind die Recruiting-Budgets angesichts des aktuellen Arbeitsmarkts bei Weitem nicht ausreichend. Denn nicht nur in Stellenanzeigen, sondern auch in die eigene Website, Suchmaschinenoptimierung sowie regionale Stellenbörsen muss investiert werden. Die Technik entwickelt sich immer weiter und auch die künstliche Intelligenz ist nicht zu vernachlässigen. 56 Prozent der Unternehmen stimmen der Aussage zu, dass KI im Recruiting erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Es bleibt somit spannend, wie sich der Arbeitsmarkt im Allgemeinen und speziell das Personalmarketing aufstellen werden.
Über den index Recruiting-Report 2022:
Die Befragung zum index Recruiting-Report 2022 wurde in Deutschland von Dezember 2021 bis Januar 2022 als Online-Umfrage durchgeführt. In jedem teilnehmenden Unternehmen konnte jeweils nur eine Person den Fragebogen beantworten. Damit wurde sichergestellt, dass unterschiedliche Einschätzungen aus einer Firma das Gesamtergebnis nicht verfälschen. Sogenannte „missing values“, also fehlende Angaben, wurden nicht berücksichtigt. Eingeladen wurden Betriebe, die in den vorangegangen sechs Monaten mindestens fünf Stellenanzeigen veröffentlicht haben, also konkreten Personalbedarf hatten.
In Deutschland haben sich insgesamt 568 Unternehmen an unserer Umfrage beteiligt. Knapp 60 Prozent der Teilnehmer:innen kommen dabei aus der Personalabteilung, fast ein Drittel aus der Geschäftsführung. Bei den meisten teilnehmenden Firmen (55 Prozent) sind 2 bis 5 Mitarbeiter:innen im Personalmarketing und im Recruiting tätig. Die Anzahl der Angestellten ist recht ausgeglichen und deckt alle Größenbereiche gut ab: Ein Viertel sind kleine Unternehmen mit weniger als 10 Mitarbeiter:innen. Mittelständische Unternehmen machen den größten Anteil aus (60 Prozent). Der Anteil der Firmen mit über 500 Angestellten beträgt 16 Prozent. Neben Deutschland wurden auch Unternehmen in sieben weiteren europäischen Ländern befragt.
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