Ohne dauerhaftes flexibles Arbeiten gehen Arbeitskräfte verloren
Wir sprachen mit Oliver Ebel, Area VP bei Citrix. Er engagiert sich stark für alle Themen rund um die neue Arbeitswelt. Das Unternehmen hat dazu erst kürzlich eine Umfrage gestartet. Die Quintessenz daraus ist, dass Unternehmen, die nicht flexibel genug rund um Mitarbeiter agieren, für Fachkräfte nicht mehr attraktiv sein werden.
Das Recht auf Homeoffice wird bleiben – und ohne die notwendige Flexibilität bereit zu stellen werden Unternehmen ihre Fachkräfte verlieren. Was sagen Ihre Studienergebnisse dazu?
Von den Teilnehmern unserer Studie denken 71 Prozent, dass Home Office und flexible Arbeitsmodelle auch nach der Pandemie häufiger vorkommen werden. 50 Prozent denken, dass Unternehmen nicht attraktiv für Arbeitnehmer sind, wenn sie derartige Optionen nicht anbieten. 46 Prozent würden sogar ein Stellenangebot ausschlagen, wenn es keine flexiblen Optionen oder Möglichkeiten zur Heimarbeit gäbe. Ein gesetzlich verankertes Recht auf Home Office wünschen sich übrigens 51 Prozent der Befragten.
Diese Zahlen zeigen, welchen Stellenwert Remote Work mittlerweile unter deutschen Arbeitnehmern hat. Unternehmen, die diese Entwicklung nicht mitgehen, riskieren Fachkräfte zu verlieren. Setzen sie hingegen auf umfangreiche Remote-Arbeit vergrößert sich ihr Talent-Pool schlagartig, da nun auch Arbeitnehmer aus entfernteren Regionen, die nicht umziehen wollen oder können, in Frage kommen.
Der Mensch ist trotz allem ein soziales Wesen. Homeoffice und auch Arbeit als solche bestehen nicht nur aus Technologie – auch wenn diese sinnvoll unterstützen kann. Welche Instrumente sind aus Ihrer Sicht dazu geeignet und vor allem, wie müssen Sie eingesetzt werden, um Homeoffice sinnvoll zu gestalten?
Das ist richtig, auch abseits der Technik verlangt uns die neue Situation einige Umstellungen und Anpassungen ab. Es ist wichtig, die eigene Unternehmenskultur weiterzuentwickeln und mit alten – zum Teil ungeschriebenen – Regeln der Präsenzkultur zu brechen. In einigen Branchen galt es bis vor kurzem zum Beispiel noch als unangebracht, vor dem Chef das Büro zu verlassen. Doch wenn Mitarbeiter hier nur Zeit absitzen, gewinnt dabei niemand. Verteiltes Arbeiten zwingt regelrecht zu anderen Kriterien für die Beurteilung von Produktivität. Hier zählt viel mehr der tatsächliche Output als die erbrachte Zeit. Das hat Vorteile für Mitarbeiter, die sich ihre Zeit freier einteilen und selbstständiger arbeiten können. Auf der anderen Seite müssen jetzt vielleicht auch Prozesse erst definiert werden, die vorher eher nebenbei abliefen – denken wir ans Großraumbüro, wo vieles noch per Zuruf geregelt wurde. Da brauchen wir in der jetzigen und zukünftigen Situation natürlich andere Lösungen. Das kann aber auch eine Chance sein, althergebrachte Abläufe effizienter zu gestalten
Eine gewisse soziale Komponente der Büroarbeit kann auch abhandenkommen, wenn Mitarbeiter dauerhaft zuhause arbeiten. Kurze Gespräche in der Teeküche oder gemeinsame Mittagspausen können dann schon fehlen. Unternehmen können ihre Mitarbeiter beispielsweise dazu ermutigen, dass sie sich virtuell zu einer kurzen Kaffeepause verabreden. Wenn sich hybride Arbeitsmodelle auf lange Sicht etablieren, werden wir sicherlich auch einen Wandel des Büros erleben. Dort werden Mitarbeiter zusammenkommen, wenn sie kollaborative Aufgaben erledigen müssen. Dadurch, dass viele Kollegen überwiegend oder dauerhaft von zuhause arbeiten werden, werden in den Büros auch Flächen frei, die sich für neue Gemeinschaftsarbeitsbereiche nutzen lassen.
Letzte Frage: Wie könnte die aktuelle Situation vom Reagieren ins Agieren übersetzt werden und Potenziale zum Wachstum entfaltet werden können?
Im letzten Jahr mussten sich die meisten Unternehmen darauf konzentrieren, zu überleben, Wachstum war da selten ein Thema. Natürlich hoffen wir immer noch alle auf eine möglichst baldige Rückkehr zur Normalität. Allerdings hat sich mittlerweile auch ein gewisser Gewöhnungseffekt an die ungewöhnliche Lage eingestellt. Das sollte es Unternehmen erlauben, den Fokus nicht mehr nur auf die rein operative Seite ihres Geschäfts zu legen, sondern an ihren Strategien für eine Zeit nach der Pandemie zu arbeiten. In dieser Zukunft wird es eine entscheidende Rolle spielen, wie gut es Unternehmen gelingt, ihre hybrid arbeitende Belegschaft einzubinden. Die Unternehmenskultur wird ein immer wichtigeres Kriterium werden, um sich auf dem Arbeitsmarkt von der Konkurrenz abzuheben. Nur Unternehmen, die schon heute beginnen, sich auf diese post-pandemische neue Arbeitswelt vorzubereiten, werden auf lange Sicht wettbewerbsfähig bleiben.