New Work – New Learning?
Der Beitrag wurde zuerst im FIR-Newsletter „FIR-Flash 2/2020“ vom 19.05.2020 veröffentlicht und hier aktualisiert
Die Corona-Krise veränderte unsere gewohnte Arbeitswelt fundamental. Die seit Jahren und mit mehr oder weniger Nachdruck vorangetriebene digitale Transformation wurde auf einmal vom vieldiskutierten Zukunftsszenario zur alltäglichen Arbeitswelt. Innerhalb kürzester Zeit hat die digitale Kollaboration klassische physische Arbeitstreffen abgelöst und es wird deutlich, dass persönliche Treffen mit dem damit verbundenen Reiseaufwand vielleicht auch vorher nicht immer notwendig waren. Allerdings ist auch zu erleben, dass der Bedarf nach einer realen und physischen Arbeitswelt wieder deutlich angestiegen ist – parallel mit den Lockerungsmaßnahmen. So wird auch bei Verfügbarkeit von hochwertigen digitalen Kollaborationsmöglichkeiten das persönliche Arbeitstreffen seinen Platz in der Arbeitswelt der Zukunft behalten.
Entscheidend für den Erfolg von Unternehmen wird es zukünftig sein, die richtige Balance zwischen realer und virtueller Arbeitswelt für das jeweilige Einsatzszenario zu finden. So werden digitale Kollaborationsmöglichkeiten bspw. in der Produktion vornehmlich eine unterstützende Rolle einnehmen, während im wissensintensiven Dienstleistungsbereich sich eine Reihe von weiteren Einsatzmöglichkeiten ergeben und ein höherer Digitalisierungsgrad denkbar ist. Abzuwarten bleibt, inwiefern die technologischen Weiterentwicklungen zukünftig physische Treffen auch komplett ersetzen werden können, bspw. durch immersive Arbeitsräume, die auch über haptische oder taktile, gegebenenfalls auch olfaktorische oder gustatorische Schnittstellen (zur Wahrnehmung von Geruch und Geschmack) verfügen.
Erfolgsfaktor Lebenslanges Lernen
Ein zentraler Bereich im Unternehmen, in dem sich neue Möglichkeiten durch digitale Tools ergeben, ist das Lernen. Die digitalisierte Arbeitswelt erfordert ein immer schnelleres und flexibleres Aneignen von Wissen. Vorhandenes Wissen wird rasch wieder obsolet, wodurch lebenslanges Lernen unverzichtbar wird. Bereits heute reichen die im Rahmen einer durchlaufenen Berufsausbildung erworbenen Fähigkeiten und Kompetenzen eines Tätigkeitsfeldes nur noch für rund 10 Jahre. Ähnlich wie bei den eingangs beschriebenen Veränderungen der Arbeitswelt beschleunigt die Corona-Krise die Digitalisierung des Lernens im Unternehmen. 3D-Lernwelten, virtuelle und Augmented Reality-Lösungen sowie Blended-Learning-Konzepte finden sich bereits heute in vielen Unternehmen. Allerdings handelt es sich dabei häufig um plakative Insellösungen, die eine durchgängige didaktische und methodische Konzeption oder auch eine auf die zukünftigen Bedarfe ausgerichtete Kompetenzentwicklung vermissen lassen.
Neue Lern- und Lehrkonzepte – ein Paradigmenwechsel
Neue Lern- und Lehrkonzepte erfordern ein entsprechendes Lernverständnis, bei dem die Arbeitsprozessnähe, Interaktivität und Vernetzung im Vordergrund stehen. So gilt es, Fähigkeiten und Kompetenzen zu vermitteln, die sich auf die zukünftigen Arbeitsaufgaben und -tätigkeiten beziehen. Die Rolle des Lernenden wandelt sich von der des passiven Empfängers hin zum aktiven Nutzer, der eigene Erfahrungen teilt und den Lernprozess selbst organisiert. So können beispielsweise Social-Learning-Konzepte, Kollaboration und Wissensaustausch im Unternehmen unterstützen. Besondere Bedeutung kommt hier dem selbstgesteuerten Lernen zu, das es Mitarbeitern ermöglicht, ihr Wissen und ihre Kompetenzen eigenständig entsprechend ihres individuellen Lernbedarfs weiterzuentwickeln. Wichtig für den Lernerfolg ist es, den richtigen Rahmen zu schaffen, also die Voraussetzungen und Präferenzen des jeweiligen Lernenden zu berücksichtigen, entsprechende individuelle Lernpfade zu definieren und die geeigneten technologiegestützten oder auch präsenz-basierten Lernformen für die jeweiligen Inhalte auszuwählen.
Hier wird auch ein weiterer Paradigmenwechsel beim Lernen deutlich: Anstatt die Kompetenzentwicklung defizitär an den aktuellen Bedarfen im Unternehmen auszurichten, gilt es bereits heute die Kompetenzen zu definieren, die für die jeweiligen Mitarbeiter(gruppen) in Zukunft relevant sein werden und diese proaktiv zu entwickeln! Dies geht mit dem Aufbau eines zukunftsorientierten und flexibel anpassbaren Kompetenzbewertungsmodells einher. Optimalerweise berücksichtigt das Kompetenzmodell auch informell erworbene Kompetenzen, denn häufig verfügen die Mitarbeiter über eine Vielzahl von privat oder in anderen Tätigkeiten erworbenen Kompetenzen, die aber nur bedingt in den gängigen Modellen erfasst werden.
Die richtige Lernform auswählen
Die Auswahl und Gestaltung der geeigneten technologiegestützten Lernformen ist für Unternehmen oft eine nicht zu unterschätzende Herausforderung. Vielfach werden heute vorhandene Präsenzschulungen in Form von Foliensätzen und Handbüchern nahezu ohne Veränderungen in E-Learning- Einheiten transferiert, ohne dabei die didaktischen Vorteile oder auch Nachteile des ausgewählten Tools zu berücksichtigen. Dabei erfordert die Überführung einer Präsenzveranstaltung in eine E-Learning-Einheit eine Vielzahl von in Gleichzeitig entwickelt die Fachgruppe New Work auch federführend das nationale und internationale Weiter-bildungsangebot des FIR weiter. Ein für den mexikanischen Automotive-Sektor konzipiertes Blended-Learning- Weiterbildungsprogramm zu den Themen arbeitsbezogenes Lernen, Produktivitätsmanagement, Werkzeugbau und Lean Management wurde unter der Leitung der Business-Development-Gruppe „New Industrial Work“ am FIR an der RWTH Aachen bereits erfolgreich gemeinsam mit den Partnern MTMA und WBA etabliert. Darüber hinaus entwickelt die Business Development Gruppe gemeinsam mit dem Fraunhofer IAO einen Blended-Learning-Kurs zum Thema Personalführung 4.0.
Autor:
Roman Senderek
Leiter der Business-Development-Gruppe New Industrial Work
FIR e. V. an der RWTH Aachen
Telefon: +49 241 47705-225
E-Mail: Roman.Senderek@fir.rwth-aachen.de
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Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung durch den FIR e.V. an der RWTH Aachen