Neue Wege für das Buch

Die Verlagsbranche gilt als traditionell, doch das Wachstum verlagert sich zunehmend in den digitalen Bereich. Das Unternehmen Bookwire will es Verlagen darum so einfach wie möglich machen, vom Boom bei Audiobook, E-Book & mehr zu profitieren. Und wächst damit selbst sehr erfolgreich. Ein Blick auf die Wachstumstreiber.

Ein Gastbeitrag von Christian Futterlieb, VR Equitypartner

Buchverlage und Blockchain – größer könnte der Kontrast wohl kaum sein. Auf der einen Seite ein Geschäftsmodell, das auf der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg vor rund 580 Jahren basiert und diesem seit Jahrhunderten grundlegend treu geblieben ist. Auf der anderen eine junge Technologie, die immer wieder neue Formen findet. Ganz aktuell: NFTs („Non-fungible Tokens“), digitale Originale von Kunstwerken, deren Echtheit (und Seltenheit) durch die Blockchain gesichert wird. Die Brücke zwischen beiden – analoger Verlags- und digitaler Kryptowelt – schlägt Bookwire, ein Unternehmen aus Frankfurt am Main. Die Mission des PubTech-Unternehmens („Publishing Technology“): Stets dem Kunden anbieten, was technologisch schon möglich ist. Darum hat Bookwire auch Ende vergangenen Jahres „Creatokia“ gestartet, eine Plattform für den Handel von NFTs aus dem Verlagsbereich. So werden aktuell zahlreiche Klassiker der Literatur als NFT Ausgabe bzw. Digitales Original aufbereitet, ergänzt um ein Audio-Exzerpt, das ein Prominenter eingesprochen hat, und in geringer Auflage angeboten. Gezahlt werden kann in Ether, der Kryptowährung der Ethereum-Blockchain – aber ebenso ganz traditionell in Euro.

„Es ist noch ein Experimentierfeld“, erklärt Bookwire-Vorstand John Ruhrmann. „Wir wollen damit unseren Kunden einen Blick in die mögliche Zukunft und erste Erfahrungen in der Blockchain-Welt ermöglichen.“ Dass NFTs, die im letzten Jahr gerade in den USA zu großer Popularität gelangt sind, mehr sind als ein kurzlebiger Hype – davon ist Ruhrmann überzeugt. Sicherlich wird sich in der nahen Zukunft noch vieles auch bei NFTs verändern, aber der Grundgedanke bleibt: Anbieter von Kunstwerken können damit auch digitale Werke verknappen und trotzdem handeln, ohne dass sie Raubkopien fürchten müssen. Das bietet nicht nur in der gestaltenden Kunst, in Musik und Film ganz neue Möglichkeiten – sondern auch den Buchverlagen. „Ein alternatives Ende von einem Bestseller, exklusive erweiterte Ausgaben, limitierte Sonderauflagen … die Optionen sind unerschöpflich“, schwärmt Ruhrmann.

Brückenschlag Verlag und Digitalvertrieb

Bookwire kümmert sich darum, dass die Barriere für Verlage so gering wie möglich ist, diese neuen digitalen Möglichkeiten auch für sich zu nutzen. So muss nicht jeder Verlag eigenes Know-how aufbauen, sondern kann die Bookwire-Plattform nutzen. Mit diesem Geschäftsmodell haben die Frankfurter schon länger Erfolg: Verlage können sich ganz auf ihr Kerngeschäft – Autoren und ihre Werke zu entdecken, aufzulegen und zu betreuen – konzentrieren. Die Vermarktung über die einschlägigen digitalen Absatzportale und Shops übernimmt Bookwire und partizipiert an jedem verkauften Produkt. So ist ein eigenes „Operating System“, das Bookwire OS, entstanden, das Verlagen nicht nur den Zugang zum digitalen Verkauf ermöglicht, sondern auch transparent über Absatzzahlen und andere wichtige Entwicklungen informiert. Sogar Marketing-Tools zur Absatzsteigerung sind integriert. Das erleichtert besonders kleineren Verlagen den Eintritt in den digitalen Markt, doch auch Großverlage gehören längst zum Kundenkreis der Frankfurter.

Die Kombination aus Technik, Marktzugang und einem stimmigen Service-Angebot überzeugt ganz offensichtlich: Mehr als 2.000 Verlage sind bereits Kunden; in Deutschland hat sich fast jedes Verlagshaus für Bookwire entschieden, 90 Prozent der digitalen Audiobook und Buchdateien befinden sich bereits in der Bookwire-Cloud. In Spanien, Frankreich und Lateinamerika sind die Wachstumsraten beachtlich. Aber auch in den USA geht es für Bookwire nach oben. „Die Verlage sind dort teilweise gedanklich schon stärker auf die neuen digitalen Möglichkeiten eingestellt – aber unser Betriebssystem finden wir natürlich besser als die bisherigen Lösungen und Angebote und wir sind überzeugt davon, dass wir uns durchsetzen können“, verkündet Ruhrmann selbstbewusst.


„Sicherlich wird sich in der nahen Zukunft noch vieles auch bei NFTs verändern, aber der Grundgedanke bleibt: Anbieter von Kunstwerken können damit auch digitale Werke verknappen und trotzdem handeln, ohne dass sie Raubkopien fürchten müssen.“


Wachstum auch nach dem Corona-Boom

Einen Mangel an Wachstumsmöglichkeiten sieht Ruhrmann für das Unternehmen noch lange nicht. Auch wenn sich das Wachstum nach dem Nachfrageboom während der Corona-Pandemie, als Audiobooks und E-Books gefragt waren wie nie, wieder normalisiert hat: „Wir sind in einigen Märkten jetzt auf einem Plateau angekommen“, erklärt er. Einen Absturz, wie ihn manches „Stay-at-home“-Geschäftsmodell erlebt hat, gab es bei Bookwire nicht. Vor allem im Audiobook-Bereich sieht Ruhrmann noch viel Potenzial; das Segment könnte mittelfristig sogar bedeutender werden als das digitale Buch. „Sehr viele Bücher sind noch nicht vertont“, sagt Ruhrmann. Ebenso versprechen Podcasts attraktive Wachstumschancen.

Neben neuen Technologien und Formaten sowie neuen Regionen trägt auch anorganisches Wachstum zum Erfolg von Bookwire bei. Bereits vor Jahren wurden kleinere Unternehmen übernommen, u.a. in Brasilien. Mit der Übernahme des direkten Konkurrenten readbox aus Deutschland haben die Frankfurter aber einen größeren Sprung getan; weitere Käufe sollen folgen. Ermöglicht hat diesen Wachstumsschub auch die Direktbeteiligung der VR Equitypartner, die Ende 2019 eingegangen worden ist. Der erfahrene Mittelstandsfinanzierer, eine 100%ige Tochter der DZ BANK, bringt dabei nicht nur Kapital, sondern auch Wachstums- und M&A-Know-how mit. Regelmäßig tauschen sich beide Unternehmen über die aktuelle Entwicklung und weitere Chancen aus. So kann sich das Bookwire-Management vor allem aufs Kerngeschäft, die Weiterentwicklung von Technologie, Kunden und attraktiven Services, konzentrieren. Der Minderheitsgesellschafter VR Equitypartner hält sich ganz bewusst aus dem Tagesgeschäft des Managements heraus – nicht zuletzt auch deshalb, weil die beiden Gründer und Vorstände Ruhrmann und Jens Klingelhöfer sich schon seit vielen Jahren kennen und eingespieltes Team sind.

Wachstumsfaktor Unternehmenskultur

Dabei zeichnen sich die beiden, die in jungen Jahren selbst als Musiker und Musikmanager gemeinsam aktiv waren, durch eine große Service-Bereitschaft gegenüber ihren Kunden in der Kulturbranche aus. „Die ersten zehn Unternehmensjahre haben wir uns eigentlich nur darauf konzentriert, uns als Partner der Verlage zu etablieren“, erzählt Ruhrmann. Offenbar mit Erfolg, wie das anhaltende Wachstum belegt. Doch mit dem Wachstum musste sich das Unternehmen auch verändern. Lange Zeit gelang es, „Werte und Feeling“ des Gründungsteams auch auf neue Mitarbeiter zu übertragen. Aber Ruhrmann hat auch erlebt, dass das nicht mehr so einfach ist. So arbeiten die Führungskräfte gemeinsam mit den Mitarbeitern daran, die Unternehmenskultur weiterzuentwickeln und manches, was bislang informell und spontan bearbeitet wurde, auch zu institutionalisieren. Ohne dabei den Geist und Ethos des Unternehmens zu verlieren.

Denn der ist es, der dem Unternehmen seit Anbeginn dazu verholfen hat, neue digitale Lösungen und Services mit Mehrwert für die Kunden zu entwickeln. Die NFT-Plattform Creatokia ist ein Beleg dafür, dass auch zwölf Jahre nach der Gründung dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern die Lust an neuer Technologie nicht vergangen ist. Im Gegenteil, sagt Ruhrmann: „Bei uns ist es auch nicht anders als bei einem Rockstar-Unternehmen wie Space-X: Man muss sehr viel ausprobieren, wenn man etwas ganz neues wie Creatokia entwickeln möchte. Denn NFTs sind eine logische Weiterentwicklung im Publishing. Auch wenn erst jeder Zehnte überhaupt weiß, was NFTs eigentlich sind, bin ich überzeugt: Wir stehen am Anfang einer spannenden Wachstumskurve.“

Über den Autor

Christian Futterlieb ist Managing Partner und Geschäftsführer bei der Frankfurter Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner. In dieser Rolle verantwortet er die Akquisition und Wertsteigerung von Direktbeteiligungen sowie Mezzanine-Finanzierungen. Er ist bereits seit 2006 bei VR Equitypartner (damals noch in der Vorgängergesellschaft DZ Equity Partner) tätig, zuerst als Investmentmanager, dann ab 2008 als Mitglied der Geschäftsleitung. Im Jahr 2014 rückte er in die Geschäftsführung auf. Bei VR Equitypartner begleitete er zahlreiche Investments und Zukäufe und betreut die Weiterentwicklung diverser Portfoliounternehmen. 

Vor seinem Einstieg bei VR Equitypartner arbeitete Christian Futterlieb in verschiedenen Positionen bei PricewaterhouseCoopers (PwC) – dort betreute er unter anderem als Key Account Manager und examinierter Wirtschaftsprüfer namhafte Unternehmen bei Fragen der Unternehmensbewertung, Due Diligence, M&A und Rechnungslegung.

Christian Futterlieb ist Diplom-Kaufmann und Certified Public Accountant (CPA). Er hat Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim studiert.