Nach der Bundestagswahl: Wie der Mittelstand bei der Digitalisierung vorankommt
Wie können wir schneller bei der digitalen Transformation voran kommen? Könnte die Bundesregierung eventuell die Rolle eines Leuchtturms einnehmen? Maximilian Modl sieht da durchaus Potenzial, aber die Unternehmen noch mehr in der Pflicht.
Erst im September dieses Jahres landete Deutschland im Digital Riser Report des European Center for Digital Competitiveness an drittletzter Stelle der G20-Industriestaaten. Deutschland hinkt weiter hinterher und die Gründe dafür sind vielfältig: die mangelhafte Infrastruktur, der vorherrschende IT-Fachkräftemangel in Deutschland, fehlende Investitionen der Unternehmen in IT-Technologien und fehlende Digitalkompetenzen in den Führungsebenen der Unternehmen. Auch auf Seiten der Politik gibt es großen Nachholbedarf: Statt die Digitalisierung in Anbetracht des Rückstandes an die Spitze der diesjährigen Wahlkampf-Agenda zu setzen, spielte sie parteiübergreifend nur eine untergeordnete Rolle. Dabei ist sie für die Zukunft des Landes von entscheidender Bedeutung: Die KfW bezeichnete sie im letzten Digitalisierungsbericht zurecht als eine der wichtigsten Quellen für Innovationen.
Gleichzeitig laufen Unternehmen im inner- und außereuropäischen Ausland Deutschland den Rang ab – der Druck auf deutsche Unternehmen, sich zu digitalisieren, um auch weiterhin international wettbewerbsfähig zu sein, ist stark gewachsen. Speziell im Mittelstand, der gewissermaßen das Rückgrat der deutschen Wirtschaft bildet, kommt sie nur langsam voran, da die entsprechenden Rahmenbedingungen von der Politik nur zögerlich geschaffen werden.
Der Staat muss die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern
Ein Blick über die deutschen Landesgrenzen zeigt, wie der Staat mithilfe von Leuchtturmprojekten eine wichtige Rolle einnehmen kann. In Frankreich gibt es beispielsweise die Initiative French Tech, die vor allem Start-ups mit Risikokapital unterstützt. In Italien wiederum wurde das Projekt Repubblica Digitale gestartet, das dabei hilft, die digitalen Fertigkeiten der Bevölkerung zu verbessern. Derartige Projekte waren sehr erfolgreich und haben zusätzlich eine starke Signalwirkung an die Wirtschaft. Auch der deutsche Staat könnte mit neuen Großprojekten der Digitalisierung endlich den dringend benötigten Schwung verleihen. Die bisherigen Bemühungen, wie z. B. der Digitalfonds zur Förderung des Breitbandausbaus oder “Digital Jetzt” zur Förderung der Digitalisierung im Mittelstand reichen bei weitem noch nicht aus.
Auch bei der Infrastruktur zeigen andere Länder, wie man es macht: In Frankreich wird der Glasfaserausbau seit 2013 massiv vorangetrieben, bis 2025 soll eine hundertprozentige Abdeckung erreicht werden. In Spanien besitzen bereits jetzt 85 Prozent der Bürger Zugang zu schnellem Glasfaser-Internet. In Deutschland wiederum sind viele Mittelständler in ländlichen Regionen angesiedelt, in denen die digitale Infrastruktur besonders unzureichend ausgebaut ist – selbst Unternehmen, die sich digital neu aufstellen wollen, können dies nur bedingt, wenn beispielsweise Glasfaser- oder 5G-Infrastrukturen nicht vorhanden sind. Auch die OECD forderte daher aufgrund des Rückstands, wie bereits so oft, mehr Investitionen seitens Deutschlands in die Infrastruktur und in die Digitalisierung – hier gibt es in Deutschland weiterhin sehr viel Verbesserungspotenzial.
Deutschland braucht ein Digitalministerium
Eine Möglichkeit der neuen Bundesregierung, den digitalen Ausbau zu beschleunigen, wäre die Schaffung eines Digitalministeriums. Noch immer ist die Digitalisierung auf mehrere Ministerien verteilt: Das Bundesjustizministerium kümmert sich um den Datenschutz, das Bundesverkehrsministerium ist für den Breitbandausbau zuständig und das Bundeswirtschaftsministerium für die Förderung der Digitalisierung in Unternehmen. In einem Digitalministerium, das die Federführung bei der Digitalisierung übernimmt, könnten sämtliche Kompetenzen und Ressourcen gebündelt werden. Leider scheint sich derzeit jedoch abzuzeichnen, dass auch in Zukunft kein solches Ressort geschaffen wird, was zurecht von Verbänden wie Bitkom kritisiert wird.
Unternehmen und Politik brauchen Mut, Macher und Kompetenzen
Ob in der Politik oder in den Unternehmen – um die Digitalisierung voranzutreiben, braucht es mehr Mut. Benötigt werden Führungskräfte, die zum einen den Willen zur Veränderung haben und auch die notwendigen Kompetenzen für den digitalen Wandel mitbringen. Bei den mittelständischen Geschäftsführern ergab eine HTW-Studie 2019, dass nur etwa acht Prozent über umfangreiche Digitalerfahrungen verfügen. Und auch eine PwC-Studie zeigt einen gravierenden Mangel an Digitalkompetenzen in den Beiräten der deutschen Familienunternehmen. Gerade die Beiräte sind als externe Berater der Unternehmen für den digitalen Wandel sehr wichtig, aber nur etwa 27 Prozent der Mitglieder bringen diese Kompetenzen mit.
Der Staat selbst kann und muss zwar an den Rahmenbedingungen arbeiten, aber er kann nur bedingt in die Digitalisierung der Unternehmen eingreifen. Der Willen zur Digitalisierung muss von den Unternehmen kommen. Nicht selten sind die Strukturen in Mittelständlern festgefahren und werden oft erst geändert, wenn es fast schon zu spät ist. Das Potenzial digitaler Lösungen wird nicht vollständig ausgeschöpft und dementsprechend sind die internen Prozesse sowie die angebotenen Produkte und Dienstleistungen nicht auf dem neuesten Stand. Nur mit einem Kulturwandel im Unternehmen können derart verkrustete Strukturen aufgebrochen werden – das Stichwort lautet an dieser Stelle “Digital first”: sämtliche Prozesse, Dienste und Produkte im Unternehmen werden mit Fokus auf die moderne, digitale Welt entwickelt. Von grundlegender Bedeutung sind hierfür Digitalkompetenzen in den Führungsebenen und der Mut, konsequent auf neue, digitale Technologien zu setzen. Die Digitalisierung wird letzten Endes nur Erfolg haben, wenn nicht nur Politiker, sondern auch Unternehmer den Mut zu Veränderungen haben und hier aktiv die Führungsrolle bei der Digitalisierung übernehmen.
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