Mobile Economy
Der Trend zur mobilen Datennutzung in allen Lebensbereichen ist ungebrochen.
Wir berichten über die Evolution der „mobilen Wirtschaft“ – und wie kreative Unternehmer daraus Wettbewerbsvorteile generieren.
Die Revolution ist noch frisch, doch ihre Wirkung ist gewaltig: Apple stellte 2007 das erste Smartphone vor – es sollte unser Leben und die Wirtschaft gründlich verändern. In nur acht Jahren ist die mobile Datennutzung zur Selbstverständlichkeit geworden, physische und digitale Welten verschmelzen, ganz neue Geschäftsmodelle werden möglich. In diesem Jahr sollen weltweit eine Milliarde Smartphones verkauft werden und erstmals mehr Tablets als Desktop-PCs und Laptops zusammen.
Was für den User so komfortabel funktioniert, stellt Unternehmen und IT-Abteilungen vor große Herausforderungen. Allein der Handel muss nun sämtliche On- und Offline-Verkaufskanäle bespielen. Und zwar mit dem größtmöglichen Mehrwert für Konsumenten, die sich mobil über Waren informieren, Preise vergleichen und bezahlen. Das mobile Internet verändert nicht nur die Business-to-Consumer-Märkte, sondern ermöglicht produktivere Geschäftsprozesse, etwa wenn Kundeneinsätze von Service-Mitarbeitern besser organisiert werden können, indem sie unterwegs mit für ihre Aufträge relevanten Informationen versorgt werden. Neue cloudbasierte Dienste und leistungsfähige Data Center integrieren Zulieferer, Partner und Kunden, was Reibungsverluste vermindert und Abläufe beschleunigt.
Es besteht kein Zweifel: Unternehmen müssen ihre Geschäftsprozesse auf die neuen mobilen Technologien ausrichten. Experten zweifeln bereits, ob die Strategie des „Mobile first“ noch zeitgemäß ist, da die Devise bald womöglich „Mobile only“ lautet. Wie sehr die mobile Datenwelt in allen Lebensbereichen präsent sein wird, zeigt eine Studie von Gartner: Die Marktforscher erwarten, dass „Nutzer mobiler Endgeräte künftig wohl ein halbes Jahr länger leben“. Apps, die einen gesunden Lebensstil befördern und medizinisches Monitoring anwenderfreundlich gestalten, werden ebenso dafür sorgen wie Wearables (Smartwatches oder intelligente Armbänder). Mit ihnen werden ganz normale Vitaldaten erfasst, die an den Arzt übertragen werden, wenn sich Auffälligkeiten zeigen, damit er sofort intervenieren kann.
Solche Anwendungen werden auf der diesjährigen CeBIT als Trendthema im Fokus stehen. Wie auch Mobile Payment. „Das Bezahlen per Telefon steht dank Apple Pay wohl endlich vor dem Durchbruch“, melden die Messemacher und versprechen Zeiten ohne lange Schlangen vor der Kasse. Die Analysten von Gartner sehen den weltweiten Umsatz mit Mobile Payment bis 2017 bereits auf über 700 Milliarden Dollar schnellen – fast dreimal so viel wie 2013. „Viele Verbraucher werden demnächst ohne Portemonnaie aus dem Haus gehen und mit dem Handy zahlen“, sagt Prof. Dieter Kempf, Präsident des IT-Branchenverbandes BITKOM.
Konsequenterweise wird das Mobile Banking an Fahrt aufnehmen. Selbst Finanzdienstleister werden ihre Produkte zunehmend über Apps den Kunden erklären. „Tablets und Beratungs-Apps bieten bislang nicht gekannte Möglichkeiten, komplexe Finanzthemen und -produkte einfach, fast spielerisch zu vermitteln“, erklärt Stefan Wernhart, IT-Projektleiter bei der compeople AG. „Auf diese Weise können Finanzdienstleister ihre Service-Qualität in der Kundenberatung weiter verbessern und damit ihre Marktposition gegenüber dem Wettbewerb stärken.“
Vorteilhaft ist, dass Kunden und Mitarbeiter seit Jahren selbstverständlich ihren Alltag mit mobilen Endgeräten organisieren. Daher erlauben immer mehr Unternehmen private Geräte beruflich zu nutzen, wofür sich die Abkürzung BYOD (Bring Your Own Device) eingebürgert hat. Das führt allerdings dazu, dass viele Chefs schon glauben, nur weil sie BYOD praktizieren würde dies automatisch die Produktivität der Mitarbeiter erhöhen und letztlich gar die mobile Transformation ihres Unternehmens einleiten. So einfach ist es nicht! Denn es bedarf einer Strategie und eines Sicherheitskonzeptes, wenn mobile Prozesse die Firma voranbringen sollen. Natürlich geht es im Kern beim Thema „Mobile Enterprise“ darum, Daten und Geschäftsprozesse über mobile Geräte verfügbar zu machen, so dass Mitarbeiter oder Kunden auf diese Prozesse und Informationen zugreifen können. Mehrwerte werden dabei aber nur geschaffen, wenn bestehende Abläufe aufgebrochen, neu gestaltet und mit Zusatzservices angereichert werden. Es kommt darauf an, dass Relevantes sofort, egal wo, zur Verfügung steht und idealerweise mit anderen Diensten verknüpft ist.
Checkliste Enterprise Mobility
Enterprise-Mobility-Strategien bergen die Chance, Wettbewerbsvorteile zu generieren. Citrix hat in einer Checkliste die wichtigsten Punkte zusammengefasst, die es gilt, abzudecken. Hier ein Auszug:
- ByoD-Konzepte absichern und richtig verwalten.
- Apps per Enterprise App Store zentral bereitstellen und verwalten.
- Unternehmenseigene Datenrichtlinien definieren.
- Datentrennung durch Sandbox-Umgebung.
- Business-konforme Alternativen für beliebteste und wichtige Apps.
- IT-Umgebung ganzheitlich betrachten.
Quelle: Citrix
Wer neu denkt, erschließt neue Märkte. Niemand demonstriert das besser als kreative Start-ups, die von vornherein Mobile denken wie der Streamingdienst Spotify, der Carsharinganbieter Car2go oder die Taxi-App-Macher von myTaxi. An letzterem lässt sich gut studieren, wie mobile Transformation funktioniert. Über die App wurden zunächst bequem Taxifahrten vermittelt, ohne den zuweilen mühseligen Gang über eine Taxizentrale zu gehen. Hinzu kamen mobile Features, die den Dienst noch komfortabler machten: Kunden können Taxis in der Nähe per Standortfunktion herbeirufen, das heranfahrende Auto per Kartenanzeige mitverfolgen und sogar bestimmte Fahrer anfordern. Selbstredend wird die Fahrt mobil bezahlt.
Damit, was junge Unternehmen spielend beherrschen, tun sich noch viele Mittelständler und Konzerne schwer. In Sachen mobiler Strategie stellt die aktuelle Lünendonk-Studie „Mobile Enterprise“ deutschen Unternehmen kein schmeichelhaftes Ergebnis aus: Etwas mehr als die Hälfte der 91 befragten Unternehmen, die meist mehr als 3 000 Mitarbeiter beschäftigen, gibt zwar an, eine mobile Strategie zu verfolgen, doch die beschränkt sich oft auf die mobile Nutzung von E-Mail, Kalender und Kontakten. Von den Unternehmen, die bewusst eine solche Strategie vorantreiben, setzen 80 Prozent eine MDM-Lösung ein und unterhalten zu 30 Prozent einen Enterprise-App-Store.
Was oft verkannt wird, ist, dass Mobile Enterprise weniger eine Technik- als vielmehr eine Business-Frage ist. Wichtig ist vom Kunden her zu denken und vom Geschäftsmodell. Die Studie legt nahe, dass deutsche Unternehmen gar nicht so weit sind, wie sie glauben. Der Mehrwert von Mobile beginnt nämlich erst dort, wo Geschäftsprozesse optimiert und neue Umsatzpotenziale erschlossen werden.
Was das in der Praxis bedeutet, zeigt die Deutsche Bahn. Hier arbeitet ein besonders großer Teil der Mitarbeiter mobil – und Mobilität ist ein Teil der Geschäftsprozesse. „Somit ist der Bedarf groß, alle notwendigen Informationen für die tägliche Arbeit konzentriert und zentral abrufbar zu machen“, sagt Michael Baranek, Leiter Product Engagement & Lifecycle Management Cluster Mobile bei DB Systel. Also wurde die Informations- und Kommunikationsplattform Rail-in-Motion (RiM) für Tablets aufgelegt. Damit können Mitarbeiter nun unter anderem Arbeitsaufträge, Schichtpläne und Weisungen direkt und passend zum aktuellen Auftrag in der Plattform einsehen. „So kann z. B. ein Dienstantritt komfortabel über das Tablet erfolgen, Wegezeiten können so optimiert werden. Wichtige Dokumente wie Weisungen und Richtlinien stehen dem Anwender in der aktuellsten Version elektronisch zur Verfügung. Das Anfertigen und Mitführen von Papierbelegen entfällt“, erklärt Baranek. Außerdem können über das Tablet aktuelle Informationen direkt zurückgesendet werden und es kann auf Informationen zugegriffen werden, die normalerweise mobil nicht erreichbar wären. Das geschieht alles über sichere Internetverbindungen.
Eine Mobility-Strategie sollte immer das gesamte Unternehmen einschließen und nicht allein in den Händen der IT-Abteilung und des CIO liegen. Für Michael Baranek „geht eine erfolgreiche Digitalisierung vom Mitarbeiter aus.“ Daher wurden in den Transformationsprozess bei der Bahn „vom analogen zum digitalen Mitarbeiter“ sehr erfahrene Kräfte in die Produktentwicklung mit eingebunden. Damit stellte man sicher, dass die Lösung auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Beschäftigten zugeschnitten ist. RiM wurde auf Basis von Standard-Android-Geräten entwickelt. Vorteil: Es müssen keine hardwareseitigen Extra-Voraussetzungen für seinen Einsatz erfüllt sein.
Trend: Mobile Security
App-Ray ist eine Lösung für Unternehmen und ermöglicht eine vollautomatische Analyse und Einschätzung der Sicherheit von Android-Apps nach vorher festgelegten Kriterien. Dabei stellen die Unternehmen den Katalog der Untersuchungskriterien selbst zusammen, so dass Analysen mit App-Ray genau auf die unternehmensspezifischen Anforderungen hin zugeschnitten sind.
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Wie die Umsetzung von Mobile gelingt, gerade auch im Handel, wo noch erhebliche Kundenpotenziale gehoben werden können, erläutert Hans J. Even, Geschäftsführer der TWT Interactive GmbH: „Eine gute Mobilstrategie von Unternehmen ist sehr komplex und besteht aus mehr als einer mobilen Website.“ Über die Hälfte aller lokalen Suchanfragen kämen via mobilem Endgerät und bereits jedes vierte YouTube-Video wird mobil aufgerufen. „Ein beliebter Ansatz für die Strategie ist das ‚Mobile First‘-Konzept, bei dem jeglicher Content und das Design primär für kleinere Displays entwickelt werden und erst im Nachgang für die größeren Desktop-Screens“, sagt Even und unterstreicht: „Mobile First ist kein Buzzword, sondern ein echter Wettbewerbsvorteil.“
Der lässt sich auch mit Beratungs-Apps z. B für Finanzdienstleister voll ausspielen. „Diese sollten sowohl in fachlicher Hinsicht als auch bezüglich ihrer Performance und Benutzungsfreundlichkeit den Anforderungen des Vertriebs entsprechen“, rät Stefan Wernhart, IT-Projektleiter bei der compeople AG: „Erreicht wird das, indem vor allem die Vertriebsmitarbeiter als aktive Mitgestalter der App in den Entwicklungsprozess einbezogen werden sowie der Usability bei der Konzeption und Entwicklung eine hohe Priorität eingeräumt wird.“ Bewährt habe es sich beispielsweise, den in der jeweiligen Produktkategorie erfolgreichsten Vertriebsmitarbeiter in die App-Entwicklung einzubinden. Wernhart: „Dies gewährleistet, dass die wichtigsten fachlichen Informationen und relevanten Verkaufsargumente integriert und sinnvoll miteinander verknüpft werden.“ Wesentlich ist, Kommunikationsbrüche innerhalb der unterschiedlichen Kunden-Zugangswege zu vermeiden. Hat ein Bankkunde etwa unterwegs damit begonnen ein Geschäft abzuwickeln, muss es möglich sein, dieses bruchlos mit dem Bankberater in der Filiale fortzusetzen. Ohne Multichannel-Optionen wird eine Mobile-Strategie rasch witzlos. Das treibt die Anforderungen an die IT-Abteilung enorm in die Höhe, zumal es noch keine Lösungen aus einem Guss gibt. Ganz zu schweigen von dem wichtigen Aspekt der Sicherheit.
Big Data, Mobile und Hybrid Cloud bringen neue Herausforderungen für den Datenschutz mit sich, registriert EMC. Laut einer Studie des Informationsmanagement-Anbieters kosten Datenverluste deutsche Unternehmen jährlich 33,6 Milliarden Euro – das entspricht fast einem Prozent des deutschen Bruttoinlandsproduktes. Zugleich geben 43 Prozent der Unternehmen an, noch keinen Disaster-Recovery-Plan zu haben. Ganze 53 Prozent der Firmen räumen ein, dass es für sie „schwierig“ ist, Daten in Big-Data-, Mobile- und Hybrid-Cloud-Lösungen zu schützen. Dabei haben sie bereits ein Viertel aller Primärdaten in Cloud-Speichern abgelegt. „Der wirtschaftliche Schaden durch zunehmende IT-Unsicherheit ist groß. Sorgloser Umgang hiermit bedeutet ein erhebliches Haftungsrisiko“, mahnt Prof. Dr. Dirk Heckmann, Verfassungsrichter am Bayrischen Verfassungsgerichtshof und Professor für Öffentliches Recht und Internetrecht an der Universität Passau. „Es muss mehr in IT-Sicherheitslösungen investiert werden. Die hohe gesellschaftliche Relevanz von Cloud Computing, Big Data oder Mobile Business könnte auch staatliche Subventionen in diesem Bereich rechtfertigen.“
Wie auch immer man zu staatlicher Stütze stehen mag – fest steht, dass die digitale und mobile Transformation in vollem Gange ist und die Aufmerksamkeit vieler Akteure erfordert. „Die Digitalisierung unserer Arbeitsmittel wird weiter voranschreiten und das Smartphone wird sich zu einer Art ‚Schweizer Taschenmesser‘ entwickeln, mit dem sich eine Vielzahl von Aufgaben umsetzen lässt“, sagt Jochen Jaser, CEO der Matrix42 AG. Eine Vielzahl von Aufgaben, die über eine Vielzahl von Technologien und Applikationen erledigt wird. Für Digital Natives und Creative Companies ist das Alltag. Bei älteren Nutzern und Mitarbeitern kann das anders aussehen. „Es darf nicht vergessen werden, dass in Unternehmen viele verschiedene Mitarbeiter arbeiten, wir alle auch immer länger arbeiten müssen und sich deshalb die Technologien an die Mitarbeiter anpassen müssen und nicht umgekehrt“, folgert Jaser. Nur wer die Transformationskraft der neuen Technologien in sichere und nutzerfreundliche Anwendungen gießt, wird dauerhaft auf den Märkten und im Kampf um die besten Köpfe bestehen können. Jaser schlussfolgert: „Wenn man sich mit der Arbeitsumgebung der Zukunft beschäftigt, wird klar, dass sich das mobile Arbeiten auffällig stark weiterverbreiten wird – nicht zuletzt, weil es kostengünstig ist und die Flexibilität steigert.“