Mehr als nur Chatbots: Das kann Conversational AI
Wie ist der Stand der Dinge bei Conversational AI? In seinem Gastbeitrag erläutert Daniel Völker, Senior Consultant bei valantic, wie Conversational AI zur Zeit eingesetzt wird – und was möglich wäre.
„Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion um Customer Centricity und Artificial Intelligence verwundert die zum Teil erschreckend schlechte Performance“, sagt Prof. Dr. Peter Gentsch vom Institute for Conversational Business an der Hochschule Aalen. Der Wissenschaftler hat Chatbots im praktischen Einsatz im Versicherungs- und Finanzsektor untersucht. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt, wie gut die virtuellen Assistenten mittlerweile sind und welche Fragen sie bereits beantworten können. Und das, was Professor Gentsch „erschreckend“ nennt, lässt sich klar beziffern. „Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf die Zinsen?“, war beispielsweise eine den Bots gestellte Frage.
Dabei wurden die Genauigkeit der Antwort bewertet, die Antwortgeschwindigkeit, die Einfachheit der Bedienung, der informative Charakter der Antworten sowie der unterhaltsame Charakter der Antworten. Kamen manche Bots hier in der Bewertung auf sehr gute Quoten von bis zu 70 Prozent, erreichten andere mitunter nur 5 Prozent – ein Trauerspiel.
CAI als Schnittstelle von Mensch und Maschine
Allerdings verwundert das uns bei valantic nicht. Die Entwicklung von KI-Anwendungsfällen im Feld Conversational AI stellt viele Unternehmen vor große Herausforderungen. Dies liegt auch daran, dass Erfahrungswerte, wenn überhaupt, oft nur rudimentär vorhanden sind. Die meisten von ihnen haben zwar die Vorteile von Künstlicher Intelligenz erkannt, sind ohne konkreten Leitfaden aber unsicher, wie sie diese produktiv und wirtschaftlich einsetzen können.
Ich will Ihnen deshalb einen kurzen Einblick in die Schritte geben, die Sie als Entscheider:in im Unternehmen gehen müssen, um mit Conversational AI die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine praktikabel und nachhaltig einzuführen.
Schritt 1: Einfache Anwendungsszenarien für den CAI-Erfolg
Zuallererst: CAI dient dazu, menschliches Verhalten (speziell menschliche Kommunikation) zu automatisieren, sowohl in Prozessen oder Interaktionen als auch bei der Entscheidungsfindung. Und auch wenn es hinsichtlich IT gerade in mittleren Unternehmen an personellen und finanziellen Ressourcen mangelt – das ist oftmals nicht der Hauptgrund des Scheiterns von CAI.
Denn noch allzu oft sehen Unternehmen im Einsatz von Künstlicher Intelligenz so etwas wie den heiligen Gral jedweder Herausforderung. Sie verkennen jedoch, dass CAI gerade als kostengünstiges Einsteigermodell große Vorteile bieten kann. Nämlich genau dann, wenn die Bots für weniger komplexe Probleme wie eine FAQ, einfacher gelagerte Abrechnungen oder etwa Buchungssysteme genutzt werden. Ein CAI-Bot für derlei Einsatzzwecke lässt sich schon in gut zwei Wochen aufbauen und liefert ebenso zügig erste Erfolge. Daher gilt: Erste kleine Schritte in Richtung Künstlicher Intelligenz und Conversational AI sind richtig und wichtig für Unternehmen, die sich längerfristig im komplexeren Umfang von CAI etwas versprechen (wollen).
Schritt 2: Nutzerzufriedenheit als A und O
Es ist indes entscheidend – Schritt 2 des Leitfadens – dass dieser Bot intuitiv bedienbar ist, sodass die Nutzerzufriedenheit steigt, sowohl bei externen Kunden als auch bei den Anwender*innen im Unternehmen. Deshalb ist es auch so wichtig, in Workshops alle Stakeholder abzuholen, gemeinschaftliche Ideen zu evaluieren, eine Bewertungsmatrix mit Ideen zu füllen, die sich leicht umsetzen lassen, und im Anschluss einen Prototyp zum Leben zu erwecken.
Schritt 3: Mittels Entwicklung, Monitoring und kontinuierliche Weiterentwicklung zum CAI-Erfolg
CAI wächst, entwickelt sich weiter, wird besser. Technologien wie Natural Language Understanding profitieren von der integrierten künstlichen Intelligenz. Darum sind Unternehmen gut beraten, CAI als sich ständig fortentwickelndes Produkt zu sehen und sich mehr auf die Entwicklung eines ersten Prototyps zu fokussieren. Dazu gehört aber auch ein fortlaufendes Monitoring und Erkennen von Verbesserungspotenzial. Rückmeldungen gehören immer wieder evaluiert und anschließend bewertet. Die beste Methode ist also: „Think big, but start small“.
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Punkt für Unternehmen ist es, immer auch auf dem Markt verfügbare Third Party-Entwicklungen mit in Betracht zu ziehen. Man muss nicht alles selbst machen, entwickeln und programmieren. Mitunter gibt es sogar bereits wertvolle Low-Code-Systeme, die sich mit CAI mühelos verbinden lassen. Mit schönen Schnittstellen ist vieles also einfacher und oftmals genauso gut.
Ist das CAI-System derart aufgesetzt, kann es kontinuierlich wachsen, sodass Unternehmen in kleinen Schritten neue Funktionalitäten einführen und den Prototypen weiterentwickeln können – frei nach der besagten „think big, but start small“-Methode. Entscheidend dabei: Ähnlich der Erziehung von Kindern, müssen Unternehmen auch bei Conversational AI nachsichtig sein. Ein Bot kann von Anbeginn nicht so gut wie sein menschliches Pendant sein. Es kommt darauf an, das Verbesserungspotenzial auch für seine Vorteile zu nutzen.
Schritt 4: Transparenz für mehr Schnittstellen
Last but not least gehört zu einem praktikablen Leitfaden der kulturelle Aspekt. CAI braucht Support sowohl aus den Fachbereichen als auch aus der Führungsetage. Es ist eine neue Technologie, die sowohl intern als auch extern erst noch adaptiert werden muss. Das heißt, ein offener, transparenter Austausch hilft, das Thema produktiv voranzutreiben. Es geht immer um die Schnittstellen zwischen Mensch und Maschine und das soll nicht heißen: Maschine gegen Mensch.
Dass das Thema CAI trotz der beschriebenen Herausforderungen aber in jedem Fall ernst zu nehmen ist, zeigen Studien allerorts. So geht Gartner beispielsweise davon aus, dass CAI in drei bis fünf Jahren sein Plateau der Produktivität erreicht haben wird. Laut den Analysten soll es dann möglich sein, dass die künstliche Intelligenz selbst komplexere Anliegen selbstständig lösen kann. So entsteht der maximale Mehrwert, der dann auch wiederum zu (noch) mehr Akzeptanz führen wird – die positive Schnittstelle entsteht.