Lieferketten und Menschenrechte

Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) ruft die Unternehmen auf den Plan. Was müssen sie tun, um den menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten innerhalb ihrer Lieferketten zu genügen? Matthias Schneider und Marc Osswald von der apsolut Group räumen mit Missverständnissen auf.


Wie ein Damoklesschwert scheint der 1. Januar 2023 – der Tag des Inkrafttretens des LkSG – über den Unternehmen in Deutschland zu schweben. Doch haben sie noch ein wenig Zeit, um sich auf die neuen Anforderungen einzustellen, wie Matthias Schneider, Principal beim SAP Gold Partner apsolut, betont: „Die jährlichen Unternehmensberichte zur LkSG-Umsetzung müssen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erst spätestens im April 2024 vorgelegt werden.“

Unternehmen sollten handeln

Unternehmen sollten jetzt handeln und die verbleibende Zeit gut nutzen, um die organisatorischen und technologischen Weichen für ein wirksames Lieferantenrisikomanagement zu stellen. Ein erster Schritt liegt in der Schaffung von Transparenz über die Menschenrechtskonformität der Lieferanten und Vorlieferanten: ob Schutz vor Kinder- und Zwangsarbeit, Antikorruptionsrichtlinien oder Zahlung von Mindestlohn, aber auch ausgewählte Umweltaspekte.   

„Zur Vereinfachung der Informationssrecherchen können spezialisierte Dienstleister hinzugezogen werden, die neben Fragebögen zur Selbstauskunft der Lieferanten auf Adverse-Media-Suchen setzen“, erläutert Marc Osswald, Partner bei apsolut. „Dabei werden täglich Milliarden Online-Quellen nach Nachrichten über die Lieferanten durchforstet und die entsprechenden Risikoparameter in einer zentralen Plattform zusammengeführt.“ Ergänzend kann ein Unternehmen individuelle Lieferantenfragebögen nutzen.    


„…die Reports müssen alle Maßnahmen enthalten, die sie zur Beseitigung von Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten ergriffen haben.“   

Matthias Schneider

Spezielle Lösung ermittelt Risiken

Dreh- und Angelpunkt für eine erfolgreiche LkSG-Umsetzung ist eine unternehmenseigene Risikomanagement-Lösung, in die sämtliche menschenrechtsrelevanten Informationen über den Lieferantenstamm einfließen. Das Tool ermittelt etwaige Risiken und informiert die Anwender über kritische Zulieferer. Mit diesen Geschäftspartnern sollte das Unternehmen direkt in kollaborative Verhandlungen treten, um die angezeigten Missstände möglichst effektiv zu beseitigen.

Zudem bietet die Lösung umfangreiche Reporting-Funktionen, mit denen die vorgeschriebenen Jahresberichte auf Knopfdruck erstellt und an das BAFA übermittelt werden können. „Mit diesen Berichten dokumentieren die Unternehmen, dass sie den gesetzlichen Sorgfaltspflichten genügen“, erklärt Matthias Schneider. „So müssen die Reports alle Maßnahmen enthalten, die sie zur Beseitigung von Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten ergriffen haben.“   

SAP-Kunden können wählen

Im SAP-Umfeld bieten sich mehrere Lösungen für ein Lieferantenrisikomanagement nach LkSG-Vorschrift an. Da ist zum einen die Beschaffungsplattform SAP Ariba, die vor allem im gehobenen Mittelstand und in Großkonzernen im Einsatz ist. Ariba enthält bereits die meisten Funktionen, um die notwendigen LkSG-Prozesse abzubilden, und kann entsprechend ausgeprägt werden. Für SAP-Kunden, die kein Ariba, aber andere SAP-basierte Einkaufslösungen nutzen, empfiehlt sich ein Add-on, das in enger Zusammenarbeit von SAP und apsolut entsteht. Diese neue smarte Lösung lässt sich leicht in die vorhandene Systemumgebung integrieren und ermöglicht auch kleineren SAP-Kunden ein verantwortliches Lieferkettenmanagement. Sie soll sich im ersten Schritt ausschließlich auf die Belange des LkSG fokussieren.


„Gerade die jüngere Generation von Bewerberinnen und Bewerbern entscheidet sich bei ihrer Jobauswahl für Arbeitgeber, die sich einer sozialen und ökologischen Unternehmensführung verschrieben haben.“

Marc Osswald

Erfahrener Beratungspartner 

Als Spezialist für die SAP-basierte Beschaffung kombiniert apsolut langjährige Projekterfahrung mit Technologie- und Prozess-Know-how, um Unternehmen gezielt bei der LkSG-Umsetzung zu unterstützen. „Dies reicht von einer initialen Risikoanalyse auf Warengruppen- und Lieferantenebene bis hin zur Ableitung konkreter Risikomanagement-Maßnahmen“, so Marc Osswald. „Zudem beraten und begleiten wir die Kunden in allen Phasen des Implementierungsprojekts und sorgen auch für eine nahtlose Einbindung möglicher Drittanbieter.“ Auch Unternehmen ohne dezidierte SAP-Strategie werden – sowohl organisatorisch als auch technologisch – fit für die Umsetzung des neuen Lieferkettengesetzes gemacht.

Nachgehakt bei unseren Experten

Matthias Schneider, Principal beim SAP Gold Partner apsolut

Herr Schneider, zum Thema menschenrechtskonforme Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen scheint ja gerade in den westlichen Ländern ein breiter Konsens zu bestehen. Was bringt das LkSG in diesem Zusammenhang?

„Das neue Gesetz hat nur verschriftlicht, was in den Köpfen vieler Menschen ohnehin schon länger existiert. Das reicht von den Vorstandsetagen und Mitarbeitern in den Unternehmen bis hin zu den Konsumenten. Die meisten haben konkrete Werte und Vorstellungen, welche Arbeitsbedingungen global herrschen sollten, um die Menschenrechte nicht zu verletzen.

Viele Unternehmen sind diesem Trend gefolgt und haben bereits entsprechende Richtlinien in ihren Lieferantenkontrakten festgelegt. Möglichst viel Qualität für möglichst wenig Geld zu erhalten – dieses klassische Einkaufsparadigma gehört immer mehr der Vergangenheit an. Stattdessen versuchen die Unternehmen, mit ihren Lieferanten langfristige Partnerschaften aufzubauen und über Netzwerke zu kollaborieren.

Das LkSG bietet ihnen nun eine zusätzliche Planungssicherheit. Es schafft einen verlässlichen Rahmen, welche Risikoparameter in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten unverzichtbar sind und vertraglich vereinbart werden müssen.“

Können Sie uns Näheres über die Risikoparameter sagen, die für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten eines Unternehmens relevant sind?

„Die Sorgfaltspflichten beziehen sich auf die weltweit anerkannten Menschenrechte, zu denen der Schutz vor Kinderarbeit, Diskriminierung und Zwangsarbeit, die Antikorruptionsrichtlinien, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, die Zahlung angemessener Löhne sowie einzelne Umweltaspekte zählen.

Viele Lieferanten sind in dieser Hinsicht schon tätig geworden und können mit  entsprechenden Zertifikaten nachweisen, dass ihre Produktionsverfahren und Arbeitsbedingungen menschenrechts- und umweltschutzkonform sind. Ein Beispiel dafür ist der internationale Zertifizierungsstandard SA 8000, der sozial akzeptable Praktiken am Arbeitsplatz bescheinigt. Verschiedene ISO-Zertifizierungen decken unter anderem die Themen Antikorruptionsrichtlinien, Mindestlöhne, Gesundheit und Sicherheit ab.

Verfügt ein Lieferant nicht über solche Zertifizierungen, muss er dem einkaufenden Unternehmen durch Selbstauskunft oder Audits bestätigen, dass er gemäß bestimmten Konventionen handelt.“ 

Marc Osswald, Partner bei apsolut

Herr Osswald, welche Unternehmen sind von dem neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) betroffen?

„Das neue Gesetz gilt für alle Unternehmen mit Sitz oder Zweigniederlassung in Deutschland und mindestens 3.000 Mitarbeitern im Inland. Ab 1. Januar 2024 findet es auch für Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern Anwendung. Die EU-weite Richtlinie wird hier sogar noch weiter gehen und auch Unternehmen ab 500 oder 250 Mitarbeiter (je nach Branche) einbeziehen.

Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Branchen zum Teil gewaltig, was den erforderlichen Aufwand für die LkSG-Umsetzung betrifft. Das hängt von den jeweiligen Marktgegebenheiten und der Wettbewerbssituation ab. Da ist zum Beispiel die Automobilindustrie, die sich schon früh mit dem Thema Digitalisierung im Einkauf und Lieferantenmanagement-Systemen auseinandersetzen musste, um der Konkurrenz gewachsen zu sein.

Diese Branche ist für die neuen Anforderungen durch das LkSG weitaus besser gerüstet als etwa die Finanzwirtschaft, die einen historischen Rückstand in puncto Digitalisierung aufweist. Viele Banken und Versicherungen müssen erst einmal die grundlegende IT-Infrastruktur bereitstellen, um die neuen Prozesse und Funktionen abbilden zu können.“  

Mit welchen Nachteilen und Strafen müssen einkaufende Unternehmen bei Verstößen gegen das LkSG rechnen?

„Bei Zuwiderhandlung können Unternehmen mit einem weltweiten Jahresumsatz über 400 Millionen Euro mit einem Bußgeld von bis zu zwei Prozent des Umsatzes belegt werden. Als weitere Möglichkeit sieht das Gesetz vor, Unternehmen, die die LkSG-Vorgaben nicht angemessen umsetzen, für bis zu drei Jahre von öffentlichen Aufträgen auszuschließen.   

Was sich finanziell allerdings noch schlimmer auswirken kann, ist der Reputationsschaden, der mit publik gewordenen Verstößen einhergeht. So wenden sich die Kunden zunehmend von Unternehmen ab, die mit sozial unverantwortlich handelnden Zulieferern zusammenarbeiten.

Darüber hinaus leidet die Arbeitgebermarke des Unternehmens, was sich bei steigendem Fachkräftemangel als starke Erfolgsbremse auswirken kann. Gerade die jüngere Generation von Bewerberinnen und Bewerbern entscheidet sich bei ihrer Jobauswahl für Arbeitgeber, die sich einer sozialen und ökologischen Unternehmensführung verschrieben haben.“  

http://www.ap-solut.com/lksg

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