Innovation entsteht aus Vertrauen

Unsicherheit, Druck und Angst hemmen Kreativität und führen dazu, dass Mitarbeiter einen Tunnelblick für ihre Tätigkeit entwickeln. Will ein Unternehmen künftig jedoch erfolgreich sein, muss es Freiräume für seine Mitarbeiter schaffen und so ihr kreatives Potenzial freisetzen. Kommunikationsexperte Peter Kleinau, geschäftsführender Gesellschafter der Executive Mediation GmbH, beschreibt im Interview, wie Kreativität Einzug in den Unternehmensalltag finden kann.

Wie kreativ darf man eigentlich sein?
Hinter dieser Art der Fragestellung verbirgt sich eigentlich schon das Problem, das in vielen Unternehmen grassiert. Aus meiner Kindheit kenne ich die Formulierung der brotlosen Kunst. Sie wurde häufig verwendet, um schöpferische Tätigkeiten zu beschreiben. Auch heute noch zeigt diese Wortwahl, wie der Begriff Kreativität vielerorts verstanden wird. Gestaltungskraft oder Ideenreichtum gelten als freischaffende Selbstentfaltung ohne Ziel, als individuelle Befriedigung schöpferischer Prozesse. Tatsächlich ist Kreativität jedoch nichts anderes als die Fähigkeit, Probleme eigenständig und eigenverantwortlich zu lösen. Vor diesem Hintergrund ist die direkte Antwort: Man sollte so kreativ wie möglich sein.

Wie kommt Kreativität in den Arbeitsprozess?
Zunächst einmal kann niemand Kreativität verbieten oder erzwingen. Sie lässt sich nicht ein- und wieder ausschalten. In einem Unternehmen geht es zunächst darum, die Voraussetzungen zu schaffen, um Ideenvielfalt zu kultivieren. Das bedeutet, Bestehendes zu hinterfragen, Experimentieren zu belohnen sowie Aufmerksamkeit und Unvoreingenommenheit zu fördern. Darüber hinaus gilt es übergreifend Freiräume zu schaffen. Das allein bringt zwar noch keine neuen kreativen Lösungen, es schafft aber die Voraussetzung, dass jeder Mitarbeiter die Chance erhält, eigene Ideen zu verfolgen und umzusetzen – und das ganz ohne Furcht vor Fehlern oder unerwarteten Ergebnissen.

Peter Kleinau: "Wünschen sich Unternehmen mehr Kreativität, geht es in erster Linie darum, Freiräume zu schaffen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben." (Quelle „Executive Mediation“)

Peter Kleinau: „Wünschen sich Unternehmen mehr Kreativität, geht es in erster Linie darum, Freiräume zu schaffen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben.“ (Bildquelle „Executive Mediation“)

Wie verhält sich das mit Workflows, die ja nicht zu Unrecht auf Effizienz getrimmt sind?
Arbeitsabläufe effizient zu gestalten, setzt voraus, dass Menschen sich kreativ mit Prozessen auseinandersetzen. Funktioniert der Workflow gut genug, verwendet jedoch kaum ein Unternehmen die Zeit und Energie darauf, mitten im Fertigungsablauf zu experimentieren. Durch die bereits angesprochenen Freiräume für Mitarbeiter können allerdings zusammengehörende Arbeitsvorgänge aufgezeichnet oder sogar nachgebaut werden. An derartigen Modellen lässt sich dann erkennen, ob es ungelöste Probleme gibt oder ob vorhandene Potenziale ungenutzt bleiben. Auch das ist Kreativität.

Schließen sich Kreativität und Effizienz nicht aus?
Im Gegenteil. Als Beratungsunternehmen nutzen wir bei unseren Kunden Methoden, mit denen einzelne Teams oder ganze Unternehmen unter Anleitung effizient kreativ sein können. So entstehen Lösungen und Ideen, die ganz gleich in welcher Branche mehr Leistung aus bestehenden Prozessen herausholen. Es geht also darum, ein bestehendes oder ein neues Problem mit kreativen Ansätzen anzugehen.

Teilweise sollen Qualitätsmanagementsysteme bestimmte Arbeitsabläufe sicherstellen. Spricht dies gegen Kreativität im Arbeitsprozess?
Meiner Erfahrung nach verhält es sich genau umgekehrt. Zertifizierte Managementsysteme manifestieren sogar eine Art kontrollierte Kreativität. Je nach Ziel des jeweiligen Standards zwingen sie die Mitarbeiter förmlich dazu, sich zunächst grundsätzlich zu überlegen, was zu tun ist. In einem weiteren Schritt finden sie dann eigenständig originelle Lösungen, wie das gewünschte Ergebnis erreicht werden kann. Außerdem geben derartige Zertifizierungen vor, jeden etablierten Prozess regelmäßig zu hinterfragen und Maßnahmen zur Verbesserung umzusetzen. Bei all diesen Schritten können kreative Methoden helfen, auch mit geringen Ressourcen neue Herangehensweisen zu finden. Selbst der Umgang mit den scheinbar starren Vorgaben eines Managementsystems kann als kreativ zu lösende Aufgabe angesehen werden, und das sogar für die gesamte Organisation.

Wie geht man mit Mitarbeitern um, die nicht kreativ sein, sondern nur ihre Arbeit erledigen wollen?
Genau wie mit allen anderen Mitarbeitern auch. Wenn es um die Erledigung ihrer Arbeit geht, haben sie etwas mitzuteilen. Sie wissen sehr gut, was funktioniert und wo Schwierigkeiten auftreten. Also gilt es ein Umfeld zu schaffen, in dem auch diese Mitarbeiter sich sicher fühlen, und ihnen Raum zu bieten, sich bereichsübergreifend über ihre Arbeit auszutauschen.

Welchen Vorbehalten begegnen Sie und wie gehen Sie damit um bzw. wie gehen Sie auf diese Mitarbeiter zu? Welche Kultur bzw. welches Change-Management ist notwendig?
Bei unseren Strategieworkshops hören wir oft, die Teilnehmer könnten sich nicht zwei Tage lang in einem Raum einschließen und spielen, während das gesamte Unternehmen von ihnen erwartet, die Zukunft zu sichern. Doch besonders dieser spielerische, freie Umgang mit Problemen kreiert neue Ansätze, die zu Lösungen führen. Daneben beobachten wir häufig Frustreaktionen auf bestimmte Begriffe wie agil, ISO 9000, gewaltfreie Kommunikation oder Fehlerkultur – vor allem wenn es bereits früher Change-Management- oder Konfliktseminare im Unternehmen gab, die einen so negativen Eindruck hinterlassen haben, dass wir angehalten werden, sehr stark auf unsere Wortwahl zu achten. Zwar nehmen wir zu Beginn darauf Rücksicht, versuchen aber im weiteren Verlauf der Veranstaltungen die Begriffe wieder von schlechten Assoziationen zu entkoppeln.

Was bedeutet das für das Unternehmen, das sich mehr Kreativität wünscht?
Wünschen sich Unternehmen mehr Kreativität, geht es in erster Linie darum, Freiräume zu schaffen und Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, sich zu entfalten. Denn Kreativität ist bereits vorhanden. Auf den ersten Blick erscheint das recht simpel. Allerdings sind solche Veränderungen häufig mit einem tief greifenden kulturellen Wandel verbunden, bei dem es um eigenverantwortliches Handeln, Vertrauen in die Mitarbeiter, den Mut, etwas Neues zu versuchen, und die Stärke, Altes loszulassen, geht.

Aus welchen Gründen wenden sich Unternehmen an Sie?
Wir richten uns vor allem an Unternehmen, die im Rahmen von organisatorischen oder persönlichen Veränderungen vor vielfältigen Herausforderungen stehen. Oft jedoch wenden sich solche Betriebe erst an uns, wenn es fast zu spät ist, wenn Konflikte zu eskalieren drohen, Mitarbeiter gekündigt haben oder kurz davor sind, wenn viel Geld in Veränderungsprojekte gesteckt wurde, der Erfolg aber ausblieb. Hier unterstützen wir regelmäßig bei der Konfliktbewältigung und der Schaffung eines Arbeitsklimas, das einen Blick in die Zukunft zulässt. Es gibt aber auch Firmen, die proaktiv auf uns zukommen, weil sie ihre tolle Unternehmenskultur dauerhaft erhalten wollen. Daneben haben wir zahlreiche Aufträge, bei denen sich alles um die innerbetriebliche Kommunikation dreht. Die Themen sind tatsächlich sehr vielfältig.

Welche Branchen fragen bei Ihnen an?
Unsere Kunden kommen aus vielen verschiedenen Branchen. Einige sind im Versicherungsumfeld tätig oder in den Bereichen Maschinenbau, Logistik und IT. Wir wollen uns hier aber auch nicht einschränken. Denn solange Menschen zusammenarbeiten und miteinander interagieren, gibt es individuelle Herausforderungen auf menschlicher Ebene – ganz gleich in welchem Sektor das Unternehmen agiert.

Wie läuft Ihr „Alltag“ im Unternehmen ab?
Tatsächlich gibt es bei uns keinen wirklichen Alltag. Werden wir in ein Unternehmen geholt, setzen wir uns immer individuell mit der Situation vor Ort auseinander und entwickeln ein maßgeschneidertes Konzept.

Welche „Kultur“ finden Sie in den Unternehmen vor, in die Sie gehen? Was sticht besonders hervor? Gibt es Gemeinsamkeiten? Gibt es wiederkehrende Herausforderungen?
Wenn wir in ein Unternehmen kommen, erschreckt es mich oft, wie leidensfähig manche Menschen, besonders im Hinblick auf schlechte Kommunikation und mangelnde Zusammenarbeit, sein können. Dabei fallen Sätze wie: „Genau das müssten Sie eigentlich meinem Chef erzählen.“ In diesen Organisationen hat sich längst eine toxische Kultur etabliert, in der Unsicherheit oder sogar Angst herrschen. Hier fällt bereits konzentriertes Denken schwer, ganz zu schweigen von kreativer Ideenfindung. Die Herausforderung, vor der wir in einer solchen Situation stehen, liegt darin, ein Bewusstsein für diese Situation zu schaffen, und das nicht nur bei den Angestellten. Denn während das mittlere Führungsteam häufig noch versucht, mit den Konflikten zu leben oder sie zu managen, werden diese auf der Geschäftsführungsebene oft nicht als Probleme wahrgenommen. Oder: In mittelständischen, inhabergeführten Unternehmen engagieren uns zwar die Eigentümer, um herauszufinden, was nicht stimmt, allerdings wollen sich unsere Auftraggeber dann nicht von alten Gewohnheiten trennen. In gewisser Weise ist das auch verständlich, denn diese Unternehmen wurden aufgrund der Entscheidungen des Inhabers erfolgreich. Es geht also darum, auch die Geschäftsleitung mit einzubeziehen. Dabei sollte aufgezeigt werden, welche Vorteile es bringen kann, den Mitarbeitern Raum zu geben, selbst Verantwortung zu übernehmen und Prozesse oder Arbeitsweisen eigenverantwortlich anzupassen.

Wie lebt die Führungsetage das vor, was sie dann fordert, bzw. wie kann sie es überhaupt vorleben?
In modernen Organisationen funktioniert das im Prinzip noch immer so wie zu Urzeiten – durch Gesten, Gebärden oder Handlungen mit symbolhaftem Charakter. Vorausgesetzt diese werden von beiden Seiten verstanden, hinterlassen sie einen bleibenden Eindruck. In einem Unternehmen hatten wir beispielsweise einen ganztägigen Workshop angesetzt, der bis in den Abend dauern sollte. Jeder Teilnehmer wurde gebeten, bis zum Ende zu bleiben, um ein Fazit des Tags zu ziehen und das Gelernte noch einmal in der gesamten Gruppe zu reflektieren. Allerdings kamen bereits nach der morgendlichen Eröffnung drei Teilnehmer auf uns zu und erklärten uns, dass sie bereits vor dem offiziellen Ende gehen müssen. Die verantwortliche Führungskraft schickte sie dann direkt nach Hause. Für den Rest der Gruppe erzeugte das mehr Aufmerksamkeit und Wirkung als alle anderen Maßnahmen zusammen. Denn so signalisierte das Management an seine Mitarbeiter, dass Veränderungen zwar unangenehm sein können, die Führungsetage aber bereit ist, ihre Komfortzone zu verlassen.

Wie gestaltet man einen solchen Change-Prozess?
Bei Veränderungsprozessen in Unternehmen tauchen beinahe täglich neue Fragen auf; es müssen Entscheidungen getroffen und bewertet werden. Damit am Ende der Erfolg steht, ist jedoch ein klar formuliertes und einheitliches Ziel zwingend notwendig. Besonders auf Führungsebene sollte bezüglich dieser Zielsetzung Geschlossenheit herrschen. Egal bei welcher Frage oder Entscheidung, das Management muss stets mit einer Stimme sprechen. Dabei gilt es ehrlich und authentisch mit sich verändernden Rahmenbedingungen umzugehen. Widersprüchliche Botschaften versetzen nachhaltigen Veränderungen den sprichwörtlichen Todesstoß, da sie Unsicherheit in der gesamten Organisation erzeugen und von der eigentlichen Zielsetzung ablenken. Wer alle Abteilungen zum Sparen verpflichtet, selbst aber einen Porsche als Dienstwagen bestellt, macht sich unglaubwürdig. Und das hat eine eigene Symbolkraft mit weitreichenden Auswirkungen in alle anderen Bereiche. Erfolg stellt sich nämlich nur dann ein, wenn es auf den Fluren heißt: „Diesmal meinen sie es wirklich ernst!“

Weitere Informationen unter:
https://www.executive-mediation.com/

CC BY-SA 4.0 DE

 
 
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