‌Generative KI-Startups in Europa leiden unter mangelnder Finanzierung

Studie: Generative KI in der europäischen Startup Landscape

Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe veröffentlicht die erste Studie über den Status Quo von generativer KI in europäischen KI-Startups. Befragt wurden 95 Startups aus diesem Bereich zur Entwicklung von generativer KI sowie zu ihren Herausforderungen im internationalen Wettbewerb. Die Ergebnisse unterstreichen die dringende Notwendigkeit, die Rahmenbedingungen für KI-Startups zu verbessern und damit die Wettbewerbsfähigkeit Europas erheblich zu stärken.

  • Insgesamt gibt es etwa 6.300 KI-Startups in der EU, davon sind 669 aus dem generativen KI-Bereich
  • Die meisten generativen KI-Startups kommen aus Deutschland (19,9 Prozent)
  • Das Funding generativer KI-Startups aus Europa beläuft sich auf bisher insgesamt 2,37 Mrd. Euro
  • Die größten Herausforderungen der Startups sind Finanzierung, Regulierung und Rechenkapazität

 Das gemeinnützige appliedAI Institute for Europe hat gemeinsam mit den europäischen KI-Initiativen Hub France IA, AI Sweden, Ignite Sweden und The Netherlands AI Coalition unter generativen KI-Startups ein Mapping des Status Quo von generativer KI in der europäi­schen Startup Landscape vorgenommen. Insgesamt gibt es in der EU etwa 6.300 KI-Startups, von denen mit Hilfe eines eigens für die Studie entwickelten KI-basierten Klassifizierungssystems etwa 669 als generative KI-Startups identifiziert wurden. Die Länder mit den meisten generativen KI-Startups in der EU sind Deutschland (19,9 %), Frankreich (17,5 %), die Niederlande (10,9 %) und Schweden (8,2 %).

In diesen vier Ländern, die als wichtigste und aktivste in der EU im Bereich generativer KI gelten, wurde eine Umfrage unter den generativen KI-Startups (n = 95) durchgeführt. Die Startups wurden unter anderem zu Bereichen wie Finanzierung, spezifischen Tätigkeitsfeldern, Größe sowie ihren individuellen Herausforderungen als generatives KI-Startup in Europa befragt. Aus den zum Teil alarmierenden Ergebnissen leitet das appliedAI Institute for Europe wegweisende Handlungsempfehlungen für Politik und Wirtschaft ab.

Wesentliche Erkenntnisse der Studie* sind, die Investitionen in diesem Bereich voranzutreiben und eu­ropäische Startups dabei zu unterstützen, die Entwicklung von generativer KI in Europa zu beschleunigen. Denn diese Technologie hebt die Effizienz und Produktivität entlang der gesamten Wertschöpfungskette auf ein neues Niveau. Europäische KI-Startups sind dabei unverzichtbar. Sie haben das Potenzial, die nächste Generation von generativen KI-Modellen zu entwickeln, die europäischen Werten entsprechen.

 

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

Fokusfelder der generativen KI-Startups in Europa:

Aktuell arbeiten 31 Prozent der 95 Startups an der Entwicklung sogenannter Basismodelle. 41,6 Prozent konzentrieren sich auf die Bereitstellung von Entwicklungstools und Infrastruktur für generative KI-Modelle. Zusätzlich entwickeln 62,9 Prozent Downstream-Anwendungen auf Grundlage bestehender Basismodelle. „Downstream” bezeichnet hier eine nachgelagerte Phase und bezieht sich auf die Anwendbarkeit und Erledigung spezifischer Aufgaben, die auf den Ergebnissen von KI-Modellen aufbauen. (Bei der Beantwortung waren Mehrfachnennungen möglich.)

Etwa die Hälfte der befragten Startups (52,6 Prozent) fokussiert sich speziell auf einzelne Schichten des Technologie-Stacks, während 47,4 Prozent in mindestens zwei Schichten des Technologie-Stacks aktiv sind.

 

Die größten Herausforderungen für generative KI-Startups (Mehrfachnennungen möglich):

  • Mangelnde Finanzierung (51 %)
  • Regulierung (24 %)
  • Begrenzte Verfügbarkeit von Rechenleistung (19 %)
  • Mangel an qualifizierten Fachkräften (18 %)
  • Zugang zu hochwertigen Daten (17 %)
  • Faire Wettbewerbsbedingungen (14 %)
  • Sonstige regulatorisch-gesetzliche Aspekte (z. B. IP) (10 %)
  • Sicherheit (5 %)
  • Sonstige (11 %)

Externe Faktoren nehmen Startups Handlungsspielraum

Die Frage nach den Herausforderungen der Startups ist ein zentraler Teil dieser Studie. Mangelnde Finanzierung, die Regulierung in der EU sowie die begrenzte Verfügbarkeit von Rechenleistung sind dabei die drei Bereiche, welche die Startups am stärksten beeinflussen und in denen dringender Handlungsbedarf besteht.

Es mangelt an finanzieller Unterstützung

Investitionen in generative KI sind unerlässlich für die europäische Wirtschaft und Wettbewerbsfähigkeit. Sie führen zu einem erhöhten Maß an Unternehmertum, gesteigerter Produktivität und einer zukunftsorientierten Wirtschaft, welche die Entwicklung generativer KI aktiv mitgestaltet. Startups fungieren dabei als wirtschaftlicher Katalysator.

Etwa die Hälfte (51 Prozent) der befragten Startups gab an, dass ihre größte Herausforderung in der Finanzierung bzw. dem Funding liegt, insbesondere im Vergleich zu den USA und China. Den Daten zufolge haben europäische generative KI-Startups bisher nur rund 2,37 Mrd. Euro an Finanzmitteln gesammelt. Im Gegensatz dazu haben allein zwei Player aus den USA, OpenAI und Anthropic, bis Dezember 2023 bereits über 14 Milliarden Euro an Finanzierung erhalten. Allein diese beiden außereuropäischen KI-Startups haben sechsmal so viel Geld erhalten wie alle rund 669 generativen KI-Startups in der EU zusammen.

Die Zurückhaltung in europäische generative KI-Startups zu investieren, ist groß. Eine mangelnde Finanzierung erschwert allerdings das unerlässliche, aber kostenintensive Modelltraining enorm. Dies führt zu einem bedeutenden Wettbewerbsnachteil auf internationaler Ebene.

Startups zwischen Unsicherheit und Relevanz von Regulierung

24 Prozent der 95 Startups äußerten Bedenken aufgrund anstehender regulatorischer Maßnahmen, die teilweise als übermäßig komplex und restriktiv empfunden werden. Diese Umstände erzeugen Unsicherheit unter den Startups. Zusätzlich werden das bürokratisch geprägte Verwaltungsverfahren in Europa und die Frage des Urheberrechts als Wettbewerbsnachteil wahrgenommen.

Trotz dieser Herausforderungen betonen zahlreiche Startups die Relevanz von einheitlichen Vorschriften im Rahmen des EU AI Acts. Diese sollen die europäischen Werte sowie die Gesellschaft schützen.

Eingeschränkte Rechenleistung als Bottleneck

Die Daten zeigen, dass etwa die Hälfte (51,6 Prozent) der europäischen Startups im Bereich generative KI den Zugang zu den Supercomputern der European High-Performance Computing Joint Undertaking nutzen möchte, um ihre Modelle zu trainieren. Das EuroHPC JU ist eine Einrichtung von europäischen Staaten und privaten Partnern, die darauf abzielt, die Hochleistungsrechenkapazitäten in der EU voran­zutreiben. Die andere Hälfte der Befragten (48,4 Prozent) ist allerdings der Ansicht, dass ein solcher Zugang keinen nennenswerten Mehrwert für ihr Startup bringen würde.

Die begrenzte Verfügbarkeit von Rechenleistung wird von 18 Prozent der Startups als Herausforderung gesehen. Die eingeschränkte Verfügbarkeit in Europa sowie die hohen Kosten für Grafikprozessoren (GPU) und die Nutzung von Cloud-Services bringen Startups erhebliche Wettbewerbsnachteile im Vergleich mit außereuropäischen Startups. Dies resultiert auch aus einem generellen Mangel an Cloud-Anbietern in Europa.

„Um sicherzustellen, dass Europa eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung generativer KI spielt, ist daher unverzügliches Handeln notwendig. Andernfalls werden wir nur vom Spielfeldrand zusehen.“

Dr. Frauke Goll, Managing Director des appliedAI Institute for Europe

Dr. Frauke Goll, Managing Director des appliedAI Institute for Europe, kommentiert die Ergebnisse der Studie: „Generative KI-Startups sind an der Spitze neuer technologischer Entwicklungen und treiben Europas Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft voran.

Um sicherzustellen, dass Europa eine aktive Rolle bei der Gestaltung und Entwicklung generativer KI spielt, ist daher unverzügliches Handeln notwendig. Andernfalls werden wir nur vom Spielfeldrand zusehen.“

 


Fünf Handlungsfelder zur Stärkung der generativen KI-Landschaft in Europa

Basierend auf der Analyse des europäischen Ökosystems für generative KI-Startups ergeben sich verschiedene Handlungsfelder, um die Entwicklung von generativer KI „Made in Europe“ zu schützen und zu beschleunigen.

 

1. Vertrauen in generative KI stärken

Vertrauen ist ein wichtiger Schlüssel, um das europäische Ökosystem zu stärken. Ohne Vertrauen sind Unternehmen nicht bereit, kritische Daten und interne Dokumente für das Training von KI-Modellen zur Verfügung zu stellen. Es ist wichtig, dass Unternehmen Vertrauen in generative KI-Lösungen aufbauen. Jedoch muss ebenfalls sichergestellt werden, dass diese Lösungen das Vertrauen auch verdienen.

2. Finanzierung für Risikokapitalgeber attraktiver gestalten

Im Vergleich zu den USA oder China hinken die EU-Länder bei der Finanzierung durch Risikokapitalgeber erheblich hinterher. Um dieses Problem anzugehen, bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der die Zusammenarbeit zwischen Investoren, politischen Entscheidungsträgern und dem Startup-Ökosystem fördert. Dazu gehört auch ein verstärktes „Matchmaking“ zwischen europäischen KI-Startups und international agierenden Investoren.

3. Europäische Wertschöpfung ankurbeln

46 Prozent der generativen KI-Startups, die Bedenken gegenüber der Nutzung von EuroHPC JU äußerten, argumentieren, dass dies auf die Verwendung vergleichsweise kleiner Modellgrößen oder den Einsatz von vortrainierten Modellen zurückzuführen ist.  Die Nutzung vortrainierter Modelle kann die Kosten senken, da Startups die Grundmodelle nicht selbst erstellen und trainieren müssen. Allerdings werden diese Dienste hauptsächlich von Technologieunternehmen aus den USA angeboten. Dies bedeutet, dass europäische generative KI-Startups, die diese benötigen, mehrheitlich auch an außereuropäische Technologieunternehmen gebunden sind. Es muss daran gearbeitet werden, Europa als Arbeitsstandort attraktiver zu gestalten, damit die generative KI-Wertschöpfung in Europa und nicht in den USA oder China stattfindet.

4. Zugang zu hochwertigen Daten erleichtern

Generative KI-Startups in Europa stehen bei der Datenbeschaffung vor besonderen Herausforderungen, da sie, wie beschrieben, größtenteils von US-amerikanischen Anbietern abhängig sind. Zudem besteht Rechtsunsicherheit in Bezug auf personenbezogene Daten. Zusätzlich sind Daten in den europäischen Sprachen insgesamt nur begrenzt verfügbar. Dies erschwert den Zugang zu großen, hochwertigen Datensätzen für europäische Unternehmen. Es braucht Maßnahmen wie die Bereitstellung des Zugangs zu Datensätzen und die Schaffung eines Umfelds, in dem Startups und weitere Branchenteilnehmer Daten austauschen und gemeinsam experimentieren können.

5. Fragmentierung vermeiden und vorhandene Expertise nutzen

Die Verbindung zwischen verschiedenen europäischen Akteuren muss gestärkt werden, um eine Fragmentierung zu vermeiden und von der Expertise eines jeden Landes zu profitieren. Dazu müssen weitere Möglichkeiten für Startups und Investoren aus verschiedenen Ökosystemen geschaffen werden, um auf europäischer Ebene gezielt zusammenzuarbeiten. Daher ruft das appliedAI Institute for Europe weitere EU-Länder auf, verstärkt zusammenzuarbeiten und sich der European AI Startup Landscape anzuschließen, um das europäische KI-Ökosystem zu erweitern.

 

Den Anschluss nicht verlieren

„Das globale KI-Wettrennen ist in vollem Gange und Europa muss eine aktive und führende Rolle bei der Gestaltung der Zukunft übernehmen. Akteure aus den USA und China können unter wesentlich günstigeren Bedingungen arbeiten. Diese Umstände erschweren es europäischen generativen KI-Startups erheblich, mit stark finanzierten Unternehmen aus den USA zu konkurrieren. Die ungleichen Wettbewerbsbedingungen stellen ein Hemmnis für Wachstum und Erfolg auf dem Markt dar und erfordern enorme Anstrengungen und Ressourcen”, so Dr. Andreas Liebl, Managing Director des appliedAI Institute for Europe.

„KI-Startups sind ein wesentlicher Beschleuniger für die Innovationskraft in Europa. Daher ist es entscheidend, dass sie ein unterstützendes Ökosystem sowie attraktive Rahmenbedingungen vorfinden, damit sie nicht ins außereuropäische Ausland abwandern“, ergänzt, Dr. Goll. „Mit unserer Vision eines Open-Access Accelerators für Trustworthy AI tragen wir mit unseren Partnern dazu bei, das KI-Startup-Ökosystem zu gestalten. Unsere Handlungsempfehlungen dienen dabei als Impuls für den weiteren Dialog mit Wirtschaft, Startups und öffentlicher Hand.”

 

*Methodik

Basis der Datenerhebung waren ca. 1.170 KI-Startups, die im Rahmen der European AI Startup Landscape in den beteiligten EU-Länder identifiziert wurden. Diese KI-Startups wurden auf der Grundlage von Kriterien wie Daten, Fachkräfte, KI-Methoden, Skalierbarkeit und Gesamtqualität identifiziert. Zur Aufschlüsselung von generativen KI-Startups wurde ein KI-basiertes Klassifizierungssystem entwickelt und von zwei unabhängigen KI-Experten*innen validiert.

Die Studie (n=95) verwendete ein Querschnittsdesign. Jedes generative KI-Startup wurde durch Expert*innen der jeweiligen KI-Partnerinitiative im Zielland kontaktiert. Die Teilnahme erfolgte nur auf Einladung über verschiedene Kanäle. Die Datensammlung dauerte vier Wochen (23.10.2023 – 17.11.2023) und erfolgte in englischer Sprache. In der Umfrage wurden sowohl quantitative als auch qualitative Daten über die europäische generative KI-Landschaft erhoben.

>> Hier steht Ihnen die Studie zum Download zur Verfügung.<<<


 

Über die appliedAI Institute for Europe gGmbH

Das appliedAI Institute for Europe hat sich zum Ziel gesetzt, das europäische KI-Ökosystem zu stärken, Forschung im Bereich KI voranzutreiben, Wissen rund um KI zu entwickeln, vertrauenswürdige KI-Tools bereitzustellen und Bildungs- sowie Interaktionsformate rund um hochwertige KI-Inhalte zu schaffen.

Als gemeinnützige Tochtergesellschaft der appliedAI Initiative wurde das Institut 2022 in München gegründet. Die appliedAI Initiative selbst ist ein Joint Venture aus UnternehmerTUM und IPAI. Die Leitung des Instituts obliegt Dr. Andreas Liebl und Dr. Frauke Goll.Das appliedAI Institute for Europe stellt die Menschen in Europa in den Mittelpunkt. Es verfolgt die Vision, eine gemeinsame KI-Community zu formen und hochwertige Inhalte im Zeitalter der KI für die gesamte Gesellschaft bereitzustellen. Durch die Förderung von vertrauenswürdiger KI beschleunigt das Institut die Anwendung dieser Technologie und stärkt Vertrauen in KI-Lösungen.

Mit einem Fokus auf Wissensentwicklung, Forschung und der Bereitstellung vertrauenswürdiger KI-Tools bietet das appliedAI Institute for Europe eine wertvolle Ressource für Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im Bereich KI erweitern möchten. Durch Bildungs- und Interaktionsformate ermöglicht das Institut einen intensiven Austausch von Expertise und fördert die Zusammenarbeit zwischen Akteuren aus verschiedenen Bereichen.

Das appliedAI Institute for Europe lädt Unternehmen, Organisationen, Startups und KI-Enthusiast:innen ein, von den vielfältigen Angeboten und Ressourcen des Instituts zu profitieren. Die appliedAI Institute for Europe gGmbH wird unterstützt durch die KI-Stiftung Heilbronn gGmbH.

Weitere Informationen finden Sie unter www.appliedai-institute.de.

 

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Bild von Gerd Altmann auf Pixabay