Führungskräfte als Kulturträger im New Normal

Dies ist ein Gastbeitrag von Miriam Engel, Geschäftsführerin von loyalworks

Die Corona-Pandemie schränkt uns zwar ein und wir verlieren über Vieles die Kontrolle. Gleichzeitig beschleunigt diese Krise eine flexiblere Arbeitswelt und setzt auch für die Persönlichkeitsentwicklung einen neuen Impuls: Sie zwingt uns, neu zu denken und neu zu handeln. Während wir oft (erst) aus der Angst heraus mutig und damit wieder handlungsfähig werden, gelangen viele Menschen gerade zu der erhellenden Erkenntnis, dass Angst nicht zwingend ohnmächtig macht.

Hierin sehe ich eine große Chance, die für unser ökonomisches Weltbild zunehmend an Bedeutung gewinnen wird. Wenn wir weiterhin nach Potenzialen suchen, die wir heben wollen, dann müssen wir bereit sein, dahin zu gucken, wo wir bisher immer wieder weggesehen haben; zu den vermeintlichen Schwächen und weiteren disruptiven, irritierenden Auffälligkeiten. Wer nie Angst hatte, kann nicht mutig sein. Wer sich nie schwach fühlte, kann keine Stärke entwickeln. Diese Einsicht bedeutet die Erlaubnis zu geben, wieder ‚ganzer Mensch’ sein zu dürfen. Sie ermöglicht und fordert, mit einer neuen Form von Ehrlichkeit umzugehen, authentisch zu sein und darin den potenzierten gemeinsamen Einflussbereich zu entfalten.

Unsere Welt wird komplexer. Wir haben folglich zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren: Entweder, die Komplexität der Welt zu reduzieren oder unsere eigene zu erhöhen. In einer komplexen Welt gibt es keine klare Beziehung mehr zwischen Ursache und Wirkung. Das bedeutet, dass wir uns auf Unsicherheiten in der Vorhersagbarkeit einstellen müssen. Wer lieber agiert als reagiert, braucht die Fähigkeit, mehrdeutige und wandlungsfähige Probleme aufzudecken. Gerade solche adaptiven Herausforderungen sind schwer zu erkennen und leicht zu leugnen. Sie erfordern tiefgreifende Reflexion und Entwicklung in den Bereichen Werte, Überzeugungen, Rollen, Beziehungen, Kommunikation und Zusammenarbeit. Häufig sträuben sich Menschen, die anpassungsbedürftigen Themen anzuerkennen. Denn die Lösungen erfordern, die Komfortzone zu verlassen, sich auf Experimente einzulassen und neue Entdeckungen zu machen. Die Umsetzung ist anders als gewohnt, zunächst oft zeitintensiv und kann nicht auf Anweisung eingefordert werden.

Damit wird auch Teamarbeit vielschichtiger. Erfolgreiche Teamentwicklung bedeutet nicht nur, Menschen mit bestimmten Fähigkeiten und Erfahrungen zu einer Gruppe zu formen, sondern ebenso eine inspirierende Atmosphäre zu schaffen, in der alle Beteiligten selbst in dramatischen Umbruchphasen ihr Bestes geben und ihr Potenzial voll einbringen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit liegt die Kluft klassischer Führungsansätze, in denen Teamentwicklung bisher nicht die nötige Berücksichtigung fand. Dabei ist nicht nur der grundsätzliche Führungsstil entscheidend. Genauso ausschlaggebend ist der individuelle, persönliche Austausch zwischen der Führungskraft und ihrem Mitarbeiter.

In diesem Zusammenhang spielt Empowerment, die Ermächtigung der Mitarbeiter, eine zentrale Rolle. Diese ermöglicht den Mitarbeitern mehr Entscheidungs- und Handlungsfreiraum und schafft damit mehr Eigenverantwortlichkeit und Selbstregulation in der gesamten Organisation. Im Gegenzug für faire Bedingungen, Vertrauen und Unterstützung zeigen die Mitarbeiter mehr Loyalität, Leistung und freiwilliges Engagement; kurz: sie handeln im Sinne des Unternehmens (reziprokes Verhältnis).

Noch immer wird von Führungskräften unterschätzt, wie stark ihre eigene Einstellung die ihrer Mitarbeiter beeinflusst und sich auf die Teamkultur auswirkt. Gerade in dezentraler Teamarbeit treten kulturelle Versäumnisse zu Tage. Während sich manche Mitarbeiter im Home Office zu neuen Höchstleistungen angetrieben zeigen, fühlen sich andere nahezu abgehängt. Während die technische Seite der digitalen Zusammenarbeit weniger Probleme bereitet, bleiben persönliche Befindlichkeiten und der Teamspirit oft auf der Strecke. Emotionale und soziale Aspekte bei der Arbeit vom Home Office aus erweisen sich zunehmend als herausfordernd. Genau hier wird sichtbar, ob eine Vertrauenskultur vorliegt und schon in guten Zeiten ein Fundament für die gegenseitige Bindung geschaffen worden ist.

Miriam Engel beschreibt erfolgreiche Führung.

Auch in diesen Phasen ist die Führung als Kulturstifter gefordert, ihren Mitarbeitern Orientierung, Halt und Vertrauen zu geben und Motivation vorzuleben. Dafür braucht die Führungskraft selbst Haltung und Mut – und zeitweise sicherlich Überwindung. Einen Ausweg aus der Unsicherheit bietet der verstärkte Fokus auf Selbstreflexion als Grundlage für sichere Führung in unsicheren Zeiten. Ihre eigenen Wahrnehmungs- und Denkmuster zu kennen, ermöglicht Führungsverantwortlichen zu hinterfragen und wirklich das zu tun, was von Ihnen erwartet wird und in der Situation angemessen ist. Und im zweiten Schritt Verantwortung für das zu übernehmen, worauf sie tatsächlich Einfluss haben. In der neuen Arbeitswelt wird zunehmend gefordert, dass eigene Grenzen anerkannt und bestimmte Führungsaufgaben abgegeben werden. Wertschätzung erhält, wer konsequent verkörpert, woran er glaubt – ganz besonders in Drucksituationen. Der Führungswandel dahin bringt eine kraftvolle Integrität hervor, bewirkt ‚Führung von Innen’ und maximiert die Selbstwirksamkeit. Mit anderen Worten: Der Führungsmensch wird sich wieder bewusst, worum es ihm im Kern wirklich geht und erschließt sich damit eine der wichtigsten inneren Ressourcen: Authentizität und Resilienz. Diese innere Klarheit durch die Bewusstheit der eigenen tiefliegenden Werte macht die Rolle der Führung wieder nutzbar und gibt Orientierung, die im Außen immer weniger gefunden werden wird.

FAZIT:
Es ist Zeit für ein tiefenwirksames, loyales Führungs-Update, das die gelebte Kultur im gesamten Unternehmen revolutioniert. Erfolgreiche Führung basiert auf einer bewussten Haltung zum Unternehmen, zur eigenen Position und zum Team. Führungskräfte dürfen wieder Vertrauen auf ihre innere Resonanz entwickeln und als Persönlichkeit reifen. Dies ermöglicht ihnen ein hohes Maß an Flexibilität und Weitblick im Umgang mit Veränderung. Das neue Mindset schafft durch mehr Wahrnehmung und Filterung von vielfältigen Einflüssen ein Höchstmaß an Handlungsfreiheit für die Führungskraft selbst und ihr Team.

Zur Person:

Miriam Engel ist Kommunikationswirtin und zertifizierte Personalentwicklerin. Mit der Managementberatung loyalworks® berät und betreut sie Betriebe beim Wandel ihrer Führungs- und Unternehmenskultur. Ihr Credo: Mehr Loyalität, mehr Miteinander, mehr Wachstum!

Weitere Informationen unter:
https://loyalworks.de

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