FuckUp Nights: Mut zur neuen Fehlerkultur
Michael Henninger hat bei Sulzer zu den FuckUp Nights eingeladen. Welche Motivation dahinter steckt und wie eine neue Kultur des Scheiterns etabliert werden kann, beschreibt er im folgenden Gastbeitrag. Die dabei gewonnenen Learnings werden aktiv genutzt, um das Unternehmen voran zu bringen.
Wir bei Sulzer haben uns aktiv für eine offene und transparente Fehlerkultur entschieden. Das hat ganz praktische Gründe. Um es einmal plakativ auszudrücken: „Der Deutsche hat Angst vor Fehlern!“ Tief sitzt die Angst, etwas falsch zu machen. Da kommen ganz schnell Erinnerungen aus der Schule, bei der jedes Abweichen Punktabzug bedeutete. Mit der daraus gelernten Anpassung an „richtig“ und „falsch“ lässt sich zwar sehr gut mit dem Strom schwimmen. Was damit nicht so gut gelingt, ist das Lösen von bisher nicht gekannten Problemen. Dafür braucht es etwa Experimentierfreudigkeit und eine gewisse Gelassenheit, wenn etwas mal nicht sofort funktioniert.
Da viele von uns mit diesem Gefühl der Gelassenheit im Umgang mit Fehlern nicht aufgewachsen sind, beleben und trainieren wir ihn aktiv bei Sulzer jeden Tag in unseren Projekten. Und um das Bewusstsein für diesen positiven Umgang unternehmensweit weiter zu etablieren, tauschen wir uns regelmäßig dazu aus – im Rahmen einer so genannten FuckUp Night in unserer agilen Community.
Was ist eine FuckUp Night?
FuckUp Nights sind seit einigen Jahren ein populäres Phänomen und sie werden in entsprechenden Events regelrecht zelebriert. Das Sprechen über (unternehmerische) Fehler für eine neue Kultur des Scheiterns, ist in Mode gekommen. Aber gerade in Deutschland tut man sich oft noch immer noch schwer im Umgang mit Fehlern und Rückschlägen.
Oberstes Ziel einer FuckUp Night ist das Lernen aus den Fehlern anderer und das Akzeptieren der eigenen. Dabei soll das Ganze in einer bewusst lockeren und humorvollen Atmosphäre geschehen. Mit diesem Vorbild haben wir unsere Agile Community zu einer firmeninternen FuckUp Night eingeladen und dabei gelacht, spannende Fragen gestellt und interessante Erkenntnisse gewonnen.
Was haben wir dabei erlebt?
Scheitern tut weh und kann Angst machen: Das zu akzeptieren, kann zu einer gleichzeitigen Gelassenheit auf einer tieferen Ebene führen.
Übers Scheitern kann man häufig erst im Nachhinein lachen: Jeder von uns lacht heutzutage über Anekdoten aus seiner Kindheit. Wir können drüber lachen, weil es vorbei ist. Wenn wir uns in aktuellen Schwierigkeiten befinden, können wir uns bewusst machen: „Kannst du noch nicht drüber lachen, ist das Thema noch nicht abgeschlossen.“
„Blaupausen über Bord werfen und stattdessen experimentieren – das öffnet neue Horizonte: Mal etwas Neues zu versuchen an Stellen, wo es noch nicht so gut klappt.“
– Michael Henninger
Beim Scheitern stellen wir uns selbst in Frage: Das hilft uns dabei, persönlich zu wachsen. Scheitern bedeutet einen Weg gefunden zu haben, wie etwas nicht funktioniert. Wir brauchen noch einen weiteren oder mehrere Versuche.
Mein Scheitern beeinflusst in der Regel auch mein Umfeld: Wenn ich aktiv mit meinen Fehlern und Irrtümern umgehe, kann das als Vorbild für meine Kollegen dienen.
Das klingt nun erstmal gar nicht sehr positiv, jedoch ist es ein zentraler Bestandteil für das Scheitern und dessen Akzeptanz. Wir bei Sulzer haben bereits einige Erkenntnisse aus unseren Fehlern und Irrtümern gezogen. Diese stellen wir im Folgenden vor:
Aus Fehlern gemeinsam lernen
Fehler sind ein wichtiger Impuls für positive Entwicklungen: Viele Wege zu kennen, wie etwas nicht funktioniert – das nennt man Erfahrung. Die wird im Berufsleben geschätzt. Wenn von ihnen berichtet und gelernt wird, können andere sich davon inspirieren lassen.
Blaupausen über Bord werfen und stattdessen experimentieren – das öffnet neue Horizonte: Mal etwas Neues zu versuchen an Stellen, wo es noch nicht so gut klappt. Das hilft dabei, das eigentliche Problem besser zu verstehen. Selbst wenn das Experiment nicht sofort Früchte trägt. Man gewinnt zumindest eine Erfahrung.
Fehler macht man nur auf bekannten Wegen. Wer Neues ausprobiert und wagt, begeht nur Irrtümer. Für uns war eine wichtige Erkenntnis die Unterscheidung zwischen Fehler und Irrtum. Denn nicht alles, was schiefläuft, ist ein Fehler. Stellen wir uns bisher unbekannten Situationen, sind wir darauf angewiesen uns vorzutasten. Das zu verstehen, bringt Gelassenheit im Umgang mit Neuem.
Irrtümer von anderen haben wir alle in ähnlicher Form erlebt – wir sind mit unserem Scheitern also in guter Gesellschaft: Dies ist ein zentraler Punkt von FuckUp Nights. Zu verstehen, dass man mit seinen Fehlern und Irrtümern nicht allein ist und dass andere, auch wenn es vielleicht im Alltag nicht so aussehen mag, ebenfalls auf Irrwegen unterwegs sind.
Schenke der Stimme in deinem Kopf nicht so viel Glauben: Unser Gedankengenerator produziert meist viel schlimmere Bilder als es dann in Wirklichkeit ist: Zu verstehen, dass unser Gedankengenerator automatisierte Gedanken produziert, kann uns helfen, entspannter mit diesen Phantasien umzugehen. Es sind nicht wir als Personen, die diese Gedanken produzieren. Es ist ein Automatismus. Genauso wie wir es nicht sind, die unser Herz schlagen lassen. Es passiert auch einfach.
Wer sich häufiger etwas traut, um sich zu verbessern, wird mit der Zeit mutiger: Wer mit kleinen Experimenten beginnt: „Heute probiere ich mal einen neuen Weg nach Hause“ und sich mit der Zeit steigert, setzt eine mentale Positivspirale in Gang. Auf diesem Weg passieren auch Irrtümer. Doch man bekommt Erfahrung im Umgang damit. So gelangt man zu gelasseneren Reaktionen auf negatives Feedback.
Verbesserungen aus dem Feedback sind Gold wert: Sich Rückmeldungen anzunehmen und daraus zu lernen kann nur gelingen, wenn man diese auch bekommt. Es ist Teil der Kultur bei Sulzer, nach Feedback zu fragen.
All dies sind Learnings aus individuellen Erkenntnissen. Doch es gibt noch mehr…
Die Experimentierfreudigkeit der Organisation weiter stärken
Je mehr Menschen aktiv eine neue Fehlerkultur bei Sulzer leben, desto mehr verändert sich auch die Unternehmenskultur – also das Habitat der Mitarbeitenden.
Neue Mitarbeitende werden automatisch von der neuen Fehlerkultur „beeinflusst“ und merken, dass sie durch ihr Umfeld weitergehende Freiheiten haben, sich auszuprobieren. Das erfordert weniger Mut des Einzelnen, weil ja auch alle anderen experimentieren. Die ganze Organisation wird mutiger und experimentierfreudiger. Wir bei Sulzer wollen diese Entwicklung weiter stärken.
Denn wir glauben, dass viele kleine Fehler und Irrtümer wesentlich kostengünstiger und leichter zu korrigieren sind, als die großen Fehler. Viele Experimente der Mitarbeitenden und daraus resultierendes Feedback ermöglicht Sulzer, seine Position am Markt ständig zu überprüfen und sich schnell an Kundenwünsche und Marktveränderungen anzupassen.
Über den Autor:
Michael Henninger ist seit fast 4 Jahren bei Sulzer und Leiter der Delivery Unit Project Management & Agile. Nach dem Informatik-Studium hat der 49-jährige über unterschiedliche Stationen seine Passion für Projektmanagement und Agilität entdeckt und über die Branchen Medien, Retail bis hin zu Automotive weiterentwickelt. Hierdurch ist auch der Antrieb für Veränderungsprozesse und das stetige Arbeiten an Verbesserung, Teil seiner Überzeugung geworden. Hier finden Sie weitere Informationen
Creative Commons Lizenz CC BY-ND 4.0
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