Zalf Simulationsspiel

Digital Game-based Learning – Mehr Trend als Hype

Betrachtet man heute die hohen Besucherzahlen großer Weiterbildungsmessen wie der LEARNTEC in Karlsruhe, so scheint das Thema kaum mehr zu stoppen. Oder sehen Sie das anders?
Christian Wachter: Nein, definitiv nicht. Wer bei diesem Thema genauer hinschaut, stellt schnell fest, dass es sich hier um eine kontinuierliche Entwicklung handelt, die meiner Ansicht nach durchaus durch den technologischen Wandel und all das, was die digitalen Medien uns heute erlauben, befördert wurde. Es kann also nicht von einem Thema die Rede sein, welches uns lediglich kurzfristig beschäftigt. Mit den Möglichkeiten, die wir heute haben, nimmt das Ganze im Grunde nur noch schneller Fahrt auf. Betrachtet man einmal die Entwicklung der letzten 15 Jahre im Verhältnis zu der Entwicklung der letzten 2 Jahre, so wurde natürlich eine wahnsinnige Geschwindigkeit in der Weiterentwicklung dieses Themas an den Tag gelegt, was durchaus schon länger präsent war, jedoch momentan einen Boom erlebt. Ich würde es allerdings nicht als einen Hype bezeichnen, sondern als einen Trend, der sich derzeit noch verfestigt.
Falk Hegewald: Ergänzend lässt sich dazu sagen, dass innerhalb unserer Gesellschaft auch in gewisser Hinsicht ein verändertes Medienverhalten an den Tag gelegt wird. Ein Blick in die TV-Landschaft genügt, um festzustellen, dass unsere Gesellschaft immer mehr in Richtung Entertainment geprägt ist. Zusätzlich verschmilzt das Fernsehen immer stärker mit dem Internet und es findet eine immer stärkere Beteiligung der Zuschauer an entsprechenden Shows und anderen interaktiven Formaten statt. Über Formate wie Spiele findet daher das Thema Unterhaltung natürlich auch Eingang in den Learning- und E-Learning Bereich. Darüber hinaus bieten Spiele auch einfach durch ihre Mechaniken neue Möglichkeiten. Es lassen sich beispielsweise Situationen abbilden, die man mithilfe eines Web-based Trainings nicht zeigen könnte. Der Lerner kann Szenarien ausprobieren, ohne zusätzliche Kosten zu verursachen und ohne dass durch sein Handeln tatsächlich etwas abbrennt oder kaputt geht.

 

Falk Hegewald, IM-C AG

Falk Hegewald, IM-C AG

Herr Wachter, mir wäre an dieser Stelle wichtig, dass wir noch einmal herausstellen, dass wir hier nicht über Web-based Training sprechen, wie man es von früher kennt. Hier ist es wichtig, festzuhalten, dass sich durch das Thema „Spielen“ im E-Learning beim Nutzer gewisse Erinnerungen verankern lassen, die aussagekräftiger sind als beantwortete Fragen oder die durch das Spiel länger im Kopf bleiben als durch einen Multiple-Choice Test.
Christian Wachter: Richtig. Genau in diese Richtung entwickelt sich das Thema derzeit. Tatsächlich ist der schon eben von Herrn Hegewald angesprochene Bereich der Simulationen zum Thema Wassermanagement nur ein Teilbereich dessen, was möglich ist und woran wir arbeiten. Was wir momentan zum Beispiel auch umsetzen, sind Ausbildungselemente unter Nutzung von Virtual Reality-Brillen. Im Kern geht es bei der Verwendung solcher Technologien darum, den Lerner in Situationen hineinzuführen, die man weder in einem Web-based Training noch in einem Präsenztraining umsetzen könnte. Mein Lieblingsbeispiel ist die Ausbildung von Gabelstaplerfahrern, bei der ich simulieren kann, wie ich mit meinem Arbeitsgerät agieren muss, um ein Ladegut zu verladen, und was passiert, wenn mein Stapler dabei anfängt zu kippen. Wie verhält sich derjenige, der den Gabelstapler fährt? Bekommt er die Situation im Rahmen der Simulation noch in den Griff oder springt er ab? So etwas könnte ich natürlich mit einem echten Stapler nie ausprobieren, sprich ich würde ihn nie umkippen lassen. In der Simulation kann ich mir das erlauben. Ich kann Situationen durchspielen, die mir das klassische Präsenztraining nicht ermöglicht und die mir ein WBT, das auf meinem PC oder Laptop läuft, auch nicht mehr näherbringen kann. Insofern eröffnen uns diese Themen durchaus neue Möglichkeiten im Rahmen der Ausbildung Situationen zu schulen und aufzugreifen, die man im Regelfall so nicht angehen würde.

Die Emotionen, die während des Spiels entstehen, bleiben sicher länger im Kopf und man erinnert sich auch langfristig daran.
Christian Wachter: Genau, ich begebe mich in Situationen hinein, die ich sonst nicht erleben würde. Das heißt, ich erlebe mithilfe meiner Brille im Rahmen der Simulation, wie der Gabelstapler tatsächlich umkippt. Das ist schon etwas anderes, als wenn ich mir dieses Szenario nur mithilfe einer Animation und drei abschließenden Fragen anschaue.

Nun zu einer anderen Frage. Wie sehen Sie das Thema freie Lerninhalte? Wird es verstärkt dazu kommen, dass bestimmte Tests online frei verfügbar sein werden? Würde sich dadurch ein Mehrwert für die Gesellschaft ergeben? Und: Sind frei verfügbare Inhalte aus Ihrer Sicht überhaupt ein interessantes Geschäftsmodell, mit dem sich Geld verdienen lässt?
Christian Wachter: Der Trend im Bereich der freien Inhalte ist aus meiner Sicht unübersehbar und das ganz gleich, ob es sich um sogenannte Massive Open Online Courses (MOOCs) oder allgemein um Open Education Resources handelt. Die IMC ist hier auch selbst aktiv. Mithilfe unserer MOOC-Plattform OpenCourseWorld beobachten wir, in welche Richtung sich dieses Thema entwickelt. Das tun wir zum einen, um für uns selbst Erfahrungen sammeln zu können und zum anderen, um die Erfahrungen auch an unsere Kunden im Rahmen der Konzeption und Umsetzung neuer Bildungskonzepte weitergeben zu können. Frei verfügbare Inhalte sind meiner Meinung nach ein Thema, das sich sehr stark auf standardisierte Lerninhalte auswirken wird und in Zukunft durchaus allgemeinere Themen, wie beispielsweise Financial Education, betreffen könnte.

Ich komme auf dieses Thema zu sprechen, da ich gelesen habe, dass die Bundesregierung im nächsten oder übernächsten Jahr vorhat, alle Lerninhalte unter freie Lizenzen zu stellen. Durch diese „disruptive technologies“ würden die vielen Schulbuchverlage dann natürlich ein wenig auf der Strecke bleiben.
Christian Wachter: Wenn Sie danach fragen, wie sich letztendlich mit freien Inhalten dennoch Geld verdienen lässt, denke ich, dass sich hier eine Entwicklung hin zu Premium-oder Mehrwert-Diensten abzeichnet, bei denen z. B. ein qualifiziertes Coaching oder aber ein auf diesen Inhalten aufbauender Präsenzkurs angeboten werden. Marktfähig wird dieses Modell dadurch, dass über Experten-Communities Details oder Fachwissen angeboten werden, die über die Basisthemen hinausgehen.

Herr Wachter und Herr Hegewald, was bedeutet Gamification?
Falk Hegewald: Gamification bedeutet, dass die motivierenden Elemente eines Spiels in andere Prozesse hineintransportiert werden. So kann man zum Beispiel bei klassischer Fließbandarbeit durchaus auch spielerische Elemente integrieren. Hier gäbe es unter anderem die Möglichkeit, Mitarbeitern über Monitore Highscore-Tabellen anzeigen zu lassen, auf denen die einzelnen Teams ihren Leistungsstand ablesen können und dazu angeregt werden, erfolgsorientiert zu arbeiten. Ein solches Vorgehen kann man sich natürlich auch im Learning Management System Bereich vorstellen, wo ebenfalls mit entsprechenden Highscore-Listen gearbeitet wird, beziehungsweise Auszeichnungen und Badges für besonders erfolgreich bearbeitete Themenfelder verteilt werden.
Christian Wachter: Gamification bedeutet allerdings nicht, das alle Lerninhalte zwangsläufig als multidimensionales Videospiel umgesetzt werden müssen. Vielmehr geht es darum, motivierende Elemente in die zu vermittelnden Inhalte zu integrieren. Der Fokus von Gamification liegt also im Verändern bestehender Konzepte und Ansätze und nicht in der Entwicklung von neuen Computerspielen. Letztendlich können auf diese Weise Anreize zum Lernen geschaffen werden und das Lernen an die Bedürfnisse der jungen Generation angepasst werden.

Wie gehen Sie vor, wenn ein Kunde auf Sie zukommt? Wodurch zeichnet sich ihr Kontakt mit den Kunden aus? Erhalten Sie derzeit verstärkt spezielle Anfragen von Kunden?
Falk Hegewald: Auch hier bemerken wir große Veränderungen. Beim Kontakt mit unseren Kunden erfüllen wir zusehends auch eine Beraterrolle. Wir merken, dass der Trend immer stärker dahin geht, dass wir in entsprechenden Workshops gemeinsam mit dem Kunden Themen bearbeiten, die die Lerninhalte selbst betreffen und uns dann zusammen überlegen, wie wir diese Inhalte später umsetzen wollen. Mal geschieht das in Form eines Spiels, mal in Form einer anderen interaktiven Anwendung. Wenn wir bei dem Thema „Digital Game-based Learning“ bleiben, überlegen wir uns, welcher Spieletyp am besten zu dem entsprechenden Inhalt passt.

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