Ende der Globalisierung?
Viele Jahre schien die Globalisierung der Wirtschaft ungebremst voranzuschreiten. Unternehmen investierten in alle Welt, der globale Handel nahm stetig zu und nationale Grenzen spielten immer weniger eine Rolle. Diese Entwicklung kommt jetzt an ihre Grenzen, sagt Chefvolkswirt Stefan Bielmeier. Was das bedeutet, erklärt er im Interview
Herr Bielmeier, geht die Globalisierung zu Ende?
Die immer schnellere und stärkere globale Verflechtung ist für den Moment definitiv vorbei. Das muss aber nicht heißen, dass sämtliche Vorteile einer globalisierten Wirtschaft wieder verloren gehen, die Globalisierung also rückabgewickelt wird. Es gibt aber durchaus in vielen wichtigen Volkswirtschaften die Tendenz, sich wieder stärker nach innen zu orientieren. Der Weltwirtschaft durchläuft zurzeit eine Phase der Neuausrichtung bzw. Umorientierung.
Wie äußert sich denn der schwächere Globalisierungstrend?
Der klassische Indikator dafür ist der Welthandel. Der hat sich in den vergangenen acht Jahren gegenüber der vorherigen Periode mehr als halbiert und wächst mittlerweile langsamer als das BIP. Das bedeutet, die Weltwirtschaft entflechtet sich momentan sogar. Für noch wichtiger halten wir aber die Frage, wie sich die Direktinvestitionen ins Ausland wichtiger Wirtschaftsnationen entwickeln. Aus diesen Daten haben wir einen Globalisierungsindex errechnet. Und der ist bereits seit dem Jahr 2000 rückläufig.
Was ist so schlecht an dieser Entwicklung?
Nach unseren Analysen ist die langsamere Globalisierung eine wesentliche Ursache des derzeit schwachen Wachstums der Weltwirtschaft. Wenn sich beispielsweise die Konjunktur wichtiger Länder stärker auf die Binnennachfrage als auf das Ausland konzentriert, ist das Wachstumspotenzial naturgemäß kleiner, da der Wachstumsbeitrag aus dem Nettoexport kleiner wird. Im Ergebnis rechnen wir für dieses Jahr mit einem Wachstum der globalen Ökonomie von nur 2,7 Prozent. Das ist die niedrigste Rate seit dem Krisenjahr 2009.
Was ist der Grund für diese Entwicklung?
Zum einen sehen wir eine Sättigung. Viele Unternehmen in den Industrienationen haben seit den 90er-Jahren die Internationalisierung sowohl auf der Produktions- als auch auf der Absatzseite vorangetrieben und fühlen sich heute gut aufgestellt. Zudem waren die Investitionspläne in der Vergangenheit für eine höhere Dynamik des Weltwachstums ausgelegt. Zum anderen erleben wir in einigen Ländern eine zunehmende Abschottung der Märkte und Tendenzen zum Protektionismus. Das sind Herausforderungen, die eine expansive Geldpolitik im Übrigen kaum lösen kann.
Was wäre aus Ihrer Sicht zu tun?
Wir brauchen eine klare Positionierung der Politik für offene und faire Märkte, insbesondere wenn es um Freihandelsabkommen wie TTIP geht. Es gibt zwar hier berechtigte Kritikpunkte, aber es werden oft auch irrationale Ängste geschürt. Dabei ist eine freiheitliche Wirtschaftsordnung mit offenen Märkten eine Voraussetzung für die Entwicklung einer tragfähigen pluralistischen Gesellschaft und einem nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung.
Das Interview ist eine Veröffentlichung der DZ Bank (Pressemitteilung)
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