Eigeninitiative gewinnt: Wer die neue Arbeitswelt mitgestaltet, profitiert langfristig
Marc Oliver Nissen ist Teil des Leadership Teams der LinkedIn Talent Solutions für die DACH Region. Er leitet das Berliner Hauptstadtbüro des Social Networks und verantwortet in seiner Rolle kommerzielle Partnerschaften mit Groß- und Industriekunden, namenhaften Personaldienstleistern sowie dem öffentlichen Sektor. Im nachfolgenden Beitrag skizziert er, wie sich die Arbeitswelt in den kommenden Jahren verändern wird.
Die Arbeitswelt kennt keinen Stillstand, sie befindet sich immer im Wandel. In der Regel brauchen Veränderungen aber Zeit, bis sie sich auf breiter Ebene durchsetzen. Nicht so in der jüngsten Vergangenheit: die Coronapandemie hat einige Entwicklungen massiv beschleunigt, die die Arbeitswelt langfristig prägen werden. Marc Nissen, Director Talent Solutions DACH bei LinkedIn erklärt die wichtigsten Trends und was Unternehmen jetzt beachten sollten.
Wer die Arbeitswelt vor dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie mit der heutigen vergleicht, wird tiefgreifende Veränderungen feststellen. Selten hat sich der deutsche Arbeitsmarkt so schnell und umfassend verändert – aber was sind die Folgen für Unternehmen und Arbeitnehmer:innen? Und, werden sich diese Veränderungen auch nachhaltig etablieren, oder werden wir nach Abschaffung der Home-Office Pflicht in alte Muster zurückfallen?
Die Rückkehr zum alten Status quo ist quasi unmöglich
Die Coronapandemie hat dafür gesorgt, dass viele Menschen ihre Prioritäten im Leben neu ordnen – und auch ihre Arbeit neu bewerten: Wie wollen sie arbeiten? Was wollen sie erreichen? Entspricht ihre Tätigkeiten noch ihren Interessen, Werten und persönlichen Anforderungen? Die Folge ist eine Umstrukturierung der Arbeitswelt, wie wir sie selten zuvor erlebt haben. Erstmals rücken wirklich die Bedürfnisse der Mitarbeitenden in den Mittelpunkt. Auch weil diese bereit sind, ihren Worten Taten folgen zu lassen: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten in Deutschland (57 Prozent) denkt laut einer aktuellen Studie von LinkedIn darüber nach, in diesem Jahr den Job zu wechseln oder ist bereits auf der Suche.
Unternehmen, die diese Bedürfnisse nicht erfüllen wollen oder können, droht damit der Verlust kompetenter und motivierter Mitarbeiter:innen. Es lohnt sich also, nochmal genau zu prüfen, inwieweit Wünsche und Anforderungen der Belegschaft doch erfüllbar sind. Dabei ist das Gehalt nicht allein ausschlaggebend. So war den Befragten in einer weiteren Umfrage von LinkedIn beispielsweise eine gute Work-Life-Balance (63 Prozent) sogar etwas wichtiger als ihre Vergütung (60 Prozent).
Flexible Arbeitsmodelle tragen erheblich dazu bei, Privat- und Berufsleben besser unter einen Hut zu bekommen. Und Unternehmen haben in den vergangenen zwei Jahren in der Regel gesehen, dass sie funktionieren. Flexibilität ist ganz klar der Kronjuwel einer modernen Arbeitswelt. Damit Flexibilität aber auch auf Dauer gelingt, müssen Unternehmen jetzt allerdings aus ihren Erfahrungen lernen und ihre Kultur anpassen. Denn wenn ein Teil der Belegschaft im Homeoffice arbeitet, der andere aber im Büro, kann sich beispielsweise ein Umfeld entwickeln, in der eine Gruppe – häufig unbeabsichtigt – benachteiligt wird. Dem müssen Führungskräfte aktiv entgegentreten: Regelmäßige 1:1-Meetings, klare und objektive Ziele sowie Schulungen für Manager:innen sind nur einige Möglichkeiten. Wir müssen uns bewusst die Frage stellen: Wie schafft man eine moderne aber faire Arbeitsumgebung, wie bietet man allen Teammitgliedern in einer flexiblen Arbeitswelt wirkliche Chancengleichheit?
Auch anderen ungewollten Folgen hybrider Arbeitsweisen müssen Unternehmen jetzt aktiv entgegenwirken, indem sie ihre Kultur hinterfragen. Wieviele und welche Meetings brauchen wir wirklich? Wie können wir die Mitarbeiterbindung von Kolleg:innen stärken, die hauptsächlich remote arbeiten? Wie stellen wir sicher, dass wir die Belastung und mentale Gesundheit aller Mitarbeiter:innen im Blick behalten, selbst wenn wir nicht mehr im gleichen Büro sitzen? All diese Fragen erfordern einen gemeinsamen Kraftakt aller Mitarbeiter:innen. Denn es reicht nicht aus, wenn die Unternehmensleitung nur neue Regeln und Richtlinien erlässt. Sie müssen auch auf jeder Ebene mit Leben gefüllt werden. Und dabei ist es besonders wichtig,, dass die Führungskräfte mit gutem Beispiel vorangehen. Manager:innen, die ihre Teammitglieder beispielsweise ermutigen, für Meetings nicht die volle Stunde einzuplanen, dann aber regelmäßig selbst dafür sorgen, dass überzogen wird, bremsen alle Bemühungen um eine bessere Meeting-Kultur.
Neue Skills sind gefragt
Darüber hinaus sind digitale Tools im Arbeitsalltag inzwischen in den meisten (wenn nicht in allen) Unternehmen unverzichtbar – ob ihre Mitarbeiter:innen im Homeoffice, unterwegs oder im Büro arbeiten. Die Spannbreite der benötigten Fähigkeiten ist dabei lang. Diese reicht von allgemeineren Fähigkeiten, wie dem Umgang mit Videokonferenz- und Kollaborationstools, bis hin zu spezielleren Kenntnissen. Das spiegelt sich auch in den 25 Jobs wider, die in den vergangenen fünf Jahren auf LinkedIn das größte Wachstum verzeichnet haben: Bei der Hälfte von diesen (12 Jobs) sind digitale Fähigkeiten unerlässlich. Die Liste reicht vom User Experience Researcher, der Erfahrungen mit UX-Design und Usability-Tests braucht, bis hin zur Data Scientist Spezialistin, die sich mit KI, Maschinellem Lernen und Natural Language Processing auskennen sollte. Daher überrascht es nicht, dass der Mangel an qualifizierten Fachkräften mit IT-Fähigkeiten zuletzt wieder stark gestiegen ist und mittlerweile knapp 100.000 Stellen in Deutschland offen sind.
Doch es sind nicht nur neue Hard Skills gefragt, auch einige Soft Skills haben an Bedeutung gewonnen: Kundentermine finden zum Beispiel inzwischen häufig als Videokonferenz statt – viele Beschäftigte mussten erstmal lernen, sich unter diesen Bedingungen souverän zu präsentieren. Und für Mitarbeiter:innen im Homeoffice ist es beispielsweise wichtig, sich selbst zu organisieren, zu motivieren und sich auf die Arbeit zu konzentrieren – und durchaus so manche Ablenkung auszublenden.
Für eine neue Arbeitswelt, brauchen wir also auch neue Fähigkeiten – sowohl auf seiten der Hard, wie auf Seiten der Soft Skills.
Beim Bewerbungsprozess werden die Karten neu gemischt
Diese großen Entwicklungen in der Arbeitswelt haben aber nicht nur Auswirkungen auf die Arbeit an sich, sondern auch auf den Schritt davor: den Bewerbungsprozess. Darauf müssen sich Jobsuchende genau wie Unternehmen einstellen. Für letztere bedeutet dies beispielsweise, dass sie ihr Recruiting noch proaktiver angehen und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren müssen, der die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter:innen in den Vordergrund stellt. Dafür reichen keine groben Ideen – wer überzeugen will, muss handfeste Fakten vorweisen können: Wie wird das Thema Flexibilität umgesetzt, wie werden die Angestellten dabei konkret unterstützt (zum Beispiel auch finanziell), wie wird der interne Zusammenhalt gestärkt? Soziale oder Business-Netzwerke wie LinkedIn bieten hier eine gute Möglichkeit, potenziellen Bewerber:innen einen Eindruck der Unternehmenskultur zu vermitteln – gerade auch, da Vorstellungsgespräche oft nur noch virtuell und nicht mehr persönlich stattfinden.
Jobsuchende sollten sich wiederum die Möglichkeiten solcher Netzwerke zunutze machen, um Unternehmen auf Herz und Nieren zu prüfen und ihre Karriere voranzutreiben. Sie können darüber ein Gefühl für die Arbeitsbedingungen und die Werte von Unternehmen bekommen. Darüber hinaus können sie aber auch Kontakte knüpfen – etwa mit Menschen, die in Branchen oder Jobs arbeiten, für die sie sich interessieren – oder Recruiter mithilfe eines aussagekräftigen Profils auf sich aufmerksam machen oder ihnen zusätzliche Informationen zu ihrem Werdegang, ihren Skills und Interessen bieten.
Fazit
Auf dem Arbeitsmarkt findet derzeit ein starker Wandel statt – in vielerlei Hinsicht zum Vorteil für Arbeitnehmer:innen. Ihre Bedürfnisse stehen mehr denn je im Vordergrund. Allerdings müssen sie auch bereit sein, sich immer wieder anzupassen und neue Fähigkeiten erlernen, die in der modernen, digitalen Arbeitswelt erforderlich sind. Aber auch Unternehmen können profitieren, wenn sie ihre digitale Transformation weiter vorantreiben – vorausgesetzt, sie finden die dafür benötigten Mitarbeiter:innen. Dafür müssen Employer-Branding-Maßnahmen ganz oben auf der Agenda stehen.
Über den Autor
Marc Oliver Nissen ist Teil des Leadership Teams der LinkedIn Talent Solutions für die DACH Region. Er leitet das Berliner Hauptstadtbüro und verantwortet in seiner Rolle kommerzielle Partnerschaften mit Groß- und Industriekunden, namenhaften Personaldienstleistern sowie dem öffentlichen Sektor.
Er verfügt über einen großen Erfahrungsschatz im Bereich global tätiger Technologie Konzerne und Digitalisierung, durch seine vorherige Tätigkeit bei Oracle in Spanien und Irland.
Sein Wissen teilt Marc nicht nur mit Kunden und Partnern, sondern auch als Referent. So hat er bereits auf Konferenzen wie der Social Media Week, Hiring Success und verschiedenen Veranstaltungen von Bundesverbänden gesprochen.
Bildquelle / Lizenz Aufmacher: Photo by Priscilla Du Preez on Unsplash
Creative Commons Lizenz CC BY-ND 4.0
Sie dürfen:
Teilen — das Material in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten und zwar für beliebige Zwecke, sogar kommerziell.
Der Lizenzgeber kann diese Freiheiten nicht widerrufen solange Sie sich an die Lizenzbedingungen halten.
Unter folgenden Bedingungen:
Namensnennung — Sie müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Diese Angaben dürfen in jeder angemessenen Art und Weise gemacht werden, allerdings nicht so, dass der Eindruck entsteht, der Lizenzgeber unterstütze gerade Sie oder Ihre Nutzung besonders.
Keine Bearbeitungen — Wenn Sie das Material remixen, verändern oder darauf anderweitig direkt aufbauen, dürfen Sie die bearbeitete Fassung des Materials nicht verbreiten.