Digitale Transformation
Am Anfang war die Bildung – und dann wurde es hell.
Eigentlich geht es doch bei uns in Deutschland darum, ob wir in zehn Jahren technologisch noch souverän agieren können, gerade im Hinblick auf Digitalisierung und die digitale Transformation. In diesem Kontext hat das European Center for Digital Competitiveness in Berlin in einer aktuellen Studie unserem Land einen großen Aufholbedarf im Bereich der Digitalisierung bestätigt. Der Digital Riser Report 2021 analysiert und bewertet die Veränderungen, die Länder rund um den Globus bei ihrer digitalen Wettbewerbsfähigkeit in den letzten drei Jahren durchlaufen haben. Demnach ist die Bundesrepublik im internationalen Vergleich zum zweiten Mal in Folge auf dem vorletzten Platz der sieben wichtigsten (G7) Industrienationen gelandet. Nach dem digitalen Ranking sind z.B. Frankreich und Italien agiler und an uns vorbeigezogen.
Unsere neue Regierung hat jetzt die Möglichkeit, unser Land wettbewerbstechnisch und technologisch im Kontext der digitalen Transformation besser auszurichten. Doch welches Mindset brauchen unsere Politiker dafür? Die aktuelle Pandemie hat doch bereits gezeigt, was auf uns und die Wirtschaft zukommen kann und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt. Irgendwie kommt uns die Digitalisierung in Deutschland so schleppend vor und es geht uns nicht so von der Hand. Aber genau jetzt müssen neue digitale Bildungsinhalte und Maßnahmen für unsere Jugend und damit für unsere digitale Zukunft auf den Weg gebracht werden.
Das ist wichtig für uns!
Laut einer aktuellen INSA-Studie und Befragung von über 2 000 Personen aus Deutschland stimmt die absolute Mehrheit von 66 Prozent der Aussage zu, dass die deutsche Bildungspolitik zu wenig unternimmt, um bei Jugendlichen Digitalkompetenz auszubilden. Einen nachhaltigen Ansatz verfolgt in diesem Kontext BG3000. Das seit 2014 tätige Social-Impact-Start-up, ist aus einer regionalen Initiative aus Bonn-Bad Godesberg hervorgegangen und hat sich auf die Herausforderungen der digitalen Bildung in Deutschland spezialisiert.
Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärte uns die Gründerin Simone Stein-Lücke dazu: „Mit den Smart Camps setzen wir da an, wo Zukunft anfängt: Bei den Schülerinnen und Schülern. Durch diesen Ansatz bleibt die Idee der Geburtsstunde erhalten und digitales Denken verankert sich in den Talenten von morgen.“ Auch Early-Stage-Investor Frank Thelen merkt dazu an: „Die Smart Camps sind für viele Schulen die einzige Hoffnung, das Thema Digitale Bildung zeitnah anschieben zu können. Start-ups wie die BG3000 sind der Motor, um notwendige Veränderungen zu entwickeln und voranzutreiben. Ich finde es großartig, dass Simone und ihr Team mit dieser Mentalität und Power Deutschlands Bildungssystem bewegen. Dank der Unterstützung aus der Wirtschaft ist die Umsetzung dieser Idee möglich. Ich kann nur dazu aufrufen, mitzumachen und das Projekt zu unterstützen.“
Smart Camps sind ein mehrtägiges, interaktives Bildungsformat für Schülerinnen und Schüler. Versierte Medien-Profis wie YouTuber und Instagram-Stars, Experten aus der Wirtschaft sowie junge Profis aus der Praxis geben Einblicke in ihre Arbeit und führen die Jugendlichen an die Themen Chancen und Risiken der neuen Medien, sensibler Umgang mit Daten, kreative Verwirklichung eigener Ideen und Projekte sowie Berufsorientierung heran. Wenn unsere Jugend in ein paar Jahren neue digitale Geschäftsmodelle für Europa etablieren soll, dann braucht es jetzt digitale Bildung. Wir brauchen also einen Kulturwandel und mehr Agilität sowie Neugier im Kontext der Digitalisierung von den Schulen bis hin zu den Unternehmen.
Die digitale Transformation gewinnt immer mehr an Fahrt, dabei stehen momentan technologische Aspekte noch an erster Stelle. Betrachtet man jedoch die Innovationskraft von Unternehmen, so spielt die Unternehmenskultur eine tragende Rolle. Es wird deutlich, dass beide Themen eng miteinander verknüpft sind. Unternehmen, die nicht auf die digitale Unternehmenskultur setzen, können Innovationen nur schwer und sehr langsam umsetzen. Aber wie kann es Unternehmen und Führungskräften gelingen, den „Cultural Change“ erfolgreich zu gestalten? Also zunächst funktionieren digitale Arbeitsweisen nicht in starren Hierarchien und abgeschotteten Silos.
Lesen Sie die ausführlichen Beiträge unserer Experten | ||
Von Capex zu Opex | Digitale Bildung braucht Macher! | CLM: Der unterschätzte Beitrag zur Digitalisierung der Unternehmen |
Nehmen wir den Optimalfall an: Die Unternehmenskultur ist bereits agil, jeder einzelne Mitarbeiter besitzt entsprechende Freiheiten und Mitverantwortung. Es wird in autonomen und in übergreifenden Teams gearbeitet. In diesem Fall nutzt die Unternehmenskultur bereits die immensen Chancen der Digitalisierung. In dieser Unternehmenskultur wird der Change-Prozess nicht als störender Faktor empfunden, sondern als echte Bereicherung, als Akzelerator und damit als wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Erst jetzt ist eigentlich die Basis geschaffen, um an neue digitale Geschäftsmodelle und Smart Services zu denken.
Ein Beispiel dafür, wie schnell sich die digitale Kultur weltweit verändert, ist die Subscription Economy. Unternehmen innerhalb der Subscription Economy konzentrieren sich darauf, bestehende Abonnenten zu binden, Nutzungsverhalten zu überwachen, wiederkehrende Umsätze zu erfassen und neue Möglichkeiten zu finden, ihren Kunden einen dauerhaften Mehrwert zu bieten, der langfristige Treue fördert. Die Subscription Economy ist ein von Tien Tzuo, CEO Zuora, geprägter Begriff, der diese Ära neuer Unternehmen und Geschäftsmodelle beschreibt.
„Ein Unternehmen mit digitalen Produkten und Prozessen muss anders geführt werden, als das klassische, analoge Modell von vor 20 Jahren“, berichtet Alexander Wottrich, CEO der Truma Group.
Abomodelle sind momentan auch in der Industrie en vogue und tragen dazu bei, die digitale Transformation von Maschinenparks jeglicher Art schnell zu meistern. Predictive-Maintenance- und Machine-Learning-Lösungen sowie die Vernetzung von Produktionsanlagen können so an Spezialisten ausgelagert werden.
Aber warum kann es für industrielle B2B-Player attraktiv sein, neue Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen zu entwickeln? „Investitionen in Maschinenparks werden zunehmend ersetzt durch Abomodelle. Geschäftsmodelle mit wiederkehrenden Umsätzen wie X as a Service (XaaS) mit Monetarisierungsmodellen wie pay per part oder pay per use generieren einen 5- bis 10-fachen Unternehmenswert pro Umsatz im Vergleich zum 1- bis 2-fachen bei traditionellen Geschäftsmodellen“, betonte Dr. Thomas Trautmann von Cylad im Gespräch mit unserer Redaktion.
Gerade die Subscription Economy ist in diesem Kontext auf eine innovative Vertragsgestaltung angewiesen. Hier im Hinblick auf wichtige Geschäftsprozesse und das Maschinenanlagenmanagement. Martin Mohr von Icertis ergänzt dazu: „Immer mehr Organisationen haben erkannt, dass es nicht darum gehen kann, ineffiziente physische Prozesse nun in der gleichen ineffizienten Form digital abzubilden, sondern mithilfe von CLM („Contract Lifecycle Management“) den nächsten Schritt zu machen. CLM in seiner höchsten Form ermöglicht dann die Integration der Vertragsinhalte in die Geschäftsprozesse und die dafür eingesetzten Plattformen.“
Alle zuvor beschriebenen Beispiele erfordern einen grundlegenden Mindset- und Kulturwandel auf Personenebene in der Art und Weise, wie Organisationen ihre Angebote entwickeln und verkaufen. Der digitale Kulturwandel lässt sich gut am Beispiel der Firma Truma nachvollziehen. Die Truma Gerätetechnik GmbH & Co. KG ist ein deutscher, weltweit agierender Hersteller von Komfortprodukten für Wohnwagen und Reisemobile. Mobilisten schätzen die Heizungen für ihre Wohnmobile. Unsere Redaktion sprach mit Alexander Wottrich über das Zukunftsthema „Car Connectivity“: „Ein Freizeitmobil bildet doch im Prinzip die spannende Schnittstelle zwischen Car und Home Connectivity.
Das Truma-iNet-X-System ermöglicht die zentrale Steuerung von verschiedenen Geräten unterschiedlicher Hersteller im Fahrzeug. Es ist aber gleichzeitig – und das ist viel wichtiger – der Schlüssel zu unserer Technologie und damit zu einem smarten Fahrzeug.“ Das Team von Alexander Wottrich arbeitet an intelligenten Geräten, Systemen und Services, die sukzessive auf den Markt kommen und dem System hinzugefügt werden können, beispielsweise über Cloud-Dienste und zukünftig over the air.
Abschließend erklärte uns Wottrich: „Unser Weg vom reinen Produktunternehmen zu einem Systemanbieter startete mit der Vernetzung. Das hat Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Unternehmensbereiche: angefangen bei der IT über den Service, die Supply-Chain, Forschung und Entwicklung bis hin zur Vermarktung am POS. Alle Units werden in ihrer Arbeit von der Technologie und einer noch stärkeren Kundenorientierung beeinflusst und das gilt selbstverständlich auch für die Unternehmensführung. Denn ein Unternehmen mit digitalen Produkten und Prozessen muss anders geführt werden, als das klassische, analoge Modell von vor 20 Jahren.“ Ohne diesen grundlegenden Wandel im Mindset droht es düster zu werden in Deutschland.