„Die Zeit für reine Expertenlösungen ist vorbei“

„Die Zeit für reine Expertenlösungen ist vorbei“

Erfolgsentscheidend für die digitalisierte Wertschöpfung wird es zunehmend sein, datenbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln. Ein wichtiger Punkt dabei sind stets aktuelle Informationen über die unternehmenseigene IT-Infrastruktur. Aber die Unternehmen werden keine Zeit mehr haben, diese mühsam zu sammeln, wie André Christ im Interview betont. Der Grund dafür liegt nicht zuletzt auch in der digitalen Transformation und dem Wandel zu Produktorganisationen. Hier kommen Enterprise-Architekten ins Spiel. Ihre Rolle erläutert der CEO der LeanIX GmbH.

„Remote first“ scheint das Gebot der Stunde zu sein – und Enterprise-Architekten rücken in der Covid-19-Krise in ihren Unternehmen verstärkt in den Fokus. Warum?
Unsere Kunden beschreiben aktuell drei große Herausforderungen: Sie müssen den Zugang aller Mitarbeiter zur notwendigen Software sicherstellen, sie stehen einem gestiegenen Kostendruck gegenüber und sie sollen dafür sorgen, das Geschäftsmodell robuster zu machen und Innovationen zu ermöglichen. Enterprise-Architekten nehmen jetzt eine Schlüsselrolle ein, weil sie mit einer guten Datenbasis direkte Antworten liefern können. Zum Beispiel bei der Einsparung von Kosten: Verschiedene Studien zeigen, dass 20 bis 30 Prozent der Software-Lösungen in Unternehmen redundant sind. Mit einer systematischen Betrachtung lassen sich solche Applikationen schnell rationalisieren oder zusammenlegen.

Hat sich die Rolle von Enterprise-Architekten in den Unternehmen denn nun verändert?
Sagen wir es so: Es wird jetzt wahrgenommen, welche Bedeutung ihre Arbeit hat und welch umfassenden Beitrag sie für das Unternehmen leisten können. Enterprise-Architekten sitzen mittlerweile wirklich in höchsten Entscheidungsgremien mit am Tisch, wenn es zum Beispiel um den Einkauf wichtiger Lösungen geht. Als Unternehmen habe ich in der Krise einfach nicht mehr die Zeit, Infos über meine IT, über meine Prozesse und deren Verknüpfung mühsam zusammenzutragen. Auch Kopfmonopole – also das Wissen in wenigen Köpfen – können sich Unternehmen nicht mehr erlauben. Transparente und verlässliche Informationen auf Knopfdruck spielen eine wichtige Rolle für datengetriebene Entscheidungen. Und das ist es, was Enterprise Architecture Management leisten kann.

Wie begegnet eine EA-Lösung wie Ihre den Bedürfnissen der Unternehmen?
Unser Fokus liegt genau darauf, diese schnellen datengetriebenen Entscheidungen zu ermöglichen. Wir setzen in unserer EA-Lösung auf einen kollaborativen Ansatz, der die Zusammenarbeit aller Stakeholder fördert. IT-Anwendungen werden nicht isoliert betrachtet, sondern immer im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeiten. Besonders wichtig ist uns, dass mit dem LeanIX-Datenmodell schon nach kurzer Zeit belastbare Ergebnisse zur Verfügung stehen – und für die Unternehmen eine schnelle Wertschöpfung möglich ist. Ich verdeutliche mal an einem Fall aus der Praxis, warum Mitarbeiter in der IT mehr als je zuvor zusammenarbeiten müssen: So gibt es zum Beispiel die Fachbereiche „Strategische Anwendungsplanung“ und „Servicemanagement“. Bislang schauten beide jeweils durch ihre eigenen Anwendungen auf eine unterschiedliche Datenbasis und unterschiedliche Funktionalitäten – mit entsprechenden Redundanzen. Wir bieten die entsprechenden Tools, die von beiden Seiten genutzt werden können. So entsteht eine gemeinsame Datenbasis mit allen Vorteilen einer zentralen Datenhaltung.

Wie und warum kann eine moderne Enterprise-Architecture-Plattform die digitale Transformation beschleunigen? Welches sind die zentralen Herausforderungen?
Es reicht nicht mehr, nur die IT-Infrastruktur anzuschauen, ohne sie mit Produkten zu verknüpfen. Eben das kann eine moderne EA-Lösung und wirkt darum wie ein Katalysator beim Wandel einer Projekt-Organisation in eine Produkt-Organisation. Ähnlich wie bei der Apple Time Machine sollte ich als Unternehmen den Stand meiner IT-Landschaft zu jedem beliebigen Zeitpunkt auch in der Zukunft betrachten können, um rechtzeitig notwendige Änderungen anzustoßen. Eine der bedeutendsten Fragen für Unternehmen ist dabei sicherlich, wie sie den Weg in das Thema Cloud Computing schaffen. 

Und wie können Unternehmen zukünftig auch Multicloud-Umgebungen optimal für sich nutzen – und dabei zentrale Fragen zu Compliance und Governance berücksichtigen?
Man muss die Mechanismen der Cloud verstehen, um sie für sich nutzbar zu machen. Es geht darum, die Geschwindigkeit der Cloud nicht zu verlieren – und trotzdem sicher damit zu arbeiten. Viele unserer Kunden sind börsennotierte Unternehmen, die sich nicht nur darauf verlassen können, dass einzelne Mitarbeiter sämtliche Regeln einhalten. Mit unserer Cloud Native Suite kann man eine sehr einfache Governance aufsetzen, die es trotzdem ermöglicht, Geschwindigkeit in die Transformation zu bringen. So behalten Unternehmen auch über die Clouds verschiedener Hyperscaler hinweg den Überblick, können automatisiert die dort vorhandenen Services auflisten, diese analysieren und dadurch schnellere Entscheidungen treffen. Aktuell unterstützen wir AWS, Microsoft Azure und Google Cloud. Wir haben Pläne, weitere Anbieter wie Alibaba zu ergänzen – auch um im asiatischen Markt stärker zu wachsen. Grundsätzlich helfen wir Unternehmen mit unserer Cloud-Lösung dabei, einen Vendor-neutralen Überblick zu bekommen über das, was sie in der Cloud effektiv nutzen.

Was meinen Sie: Hat die aktuelle Lage die digitale Transformation in den Unternehmen beschleunigt?
Ich glaube, dass mehrere Jahre digitaler Transformation in wenigen Wochen zusammengeschoben worden sind. Wenn man sich zum Beispiel anschaut, dass Themen wie Zoom im privaten Leben mittlerweile extrem gut verstanden werden. Ohne die tägliche Konfrontation damit wäre das nicht denkbar gewesen. Allein der Einsatz von modernen Arbeitsmechanismen hat dafür gesorgt, dass die digitale Transformation beschleunigt wurde. Dem muss sich bei den Unternehmen jetzt aber auch ein neues Bewusstsein anschließen. Welche neuen Führungsmechanismen brauche ich? Wie gehe ich mit Transparenz in der Erreichung von Zielen und bei der Führung von Mitarbeitern um? Diese Fragen müssen wir uns verstärkt stellen.

„Wir bieten Unternehmen einen echten Mehrwert und schreiben damit unsere eigene Erfolgsgeschichte“ führt André Christ im Interview aus.

Welche Lehren sollten die Unternehmen noch aus der Krise ziehen?
Ich muss es als Unternehmen ermöglichen, dass Daten einem großen Teil der Mitarbeiter im Unternehmen zur Verfügung stehen. Die Zeit für reine Expertenlösungen ist vorbei. Man hat in den letzten Jahren viel über Customer Experience gesprochen. Meiner Meinung nach wird das Thema Employee Experience zukünftig immer wichtiger werden. In der Krise wurde für viele Unternehmen schmerzhaft deutlich, wenn diese positive Employee Experience gefehlt hat und wichtige Bereiche einfach stillgestanden haben. Nur Lösungen, die gerne genutzt werden, werden von den Mitarbeitern auch kontinuierlich zum Wohl des Unternehmens eingesetzt.

Sie bewegen sich mit innovativen Produkten im dynamischen IT-Markt. Ist es ein Nachteil, dass das Unternehmen in Bonn und nicht im Silicon Valley sitzt?
Wir haben LeanIX im Jahr 2012 gegründet – genau 40 Jahre nach SAP. Seitdem schreiben wir an unserer eigenen Erfolgsgeschichte „made in Germany“. Derzeit arbeiten wir mit mehr als 280 Unternehmen auf der ganzen Welt zusammen. Ein Drittel unseres Umsatzes generieren wir schon heute im US-Markt – zum Beispiel mit so renommierten Software-Firmen wie Dropbox oder Atlassian. Wir sind in der Branche anerkannt und werden im aktuellen Gartner Magic Quadrant für EA-Tools als Visionär gelistet. Also nein, ich kann keinen Standort-Nachteil erkennen. Es ist ja nicht zwingend so, dass jede Innovation aus den USA kommen muss.

Seit einigen Jahren veranstalten Sie mit den EA Connect Days ein bedeutendes internationales Branchenevent. Wie meistern Sie das mit den besonderen Rahmenbedingungen im Jahr 2020?
Wir haben Ende Mai die Premiere unseres ersten virtuellen EA Connect Days gefeiert – und konnten rund 1.700 Teilnehmern ein spannendes Programm anbieten. Die kommenden EA Connect Days am 2. und 3. September sollen als kostenfreies, hybrides Event stattfinden: Unter Berücksichtigung der dann gültigen Hygienemaßnahmen freuen wir uns über Besucher in Bonn – im World Conference Center, dem ehemaligen Plenarsaal des deutschen Bundestages. Wir werden aber diese ganze Konferenz auch live übertragen. Wir starten morgens mit Inhalten speziell für australische Enterprise Architekten, dann geht es weiter über Asien und Europa bis hin zu den USA am Abend. So bringen wir die Enterprise Architekten aus aller Welt zusammen – immer genau darauf zugeschnitten, was diese in ihren Regionen interessiert. Dazu stellen wir eine ganze Reihe von Expertenvorträgen auf die Beine. Ergänzend dazu haben wir mittlerweile wahrscheinlich die größte Slack Gruppe, in der sich Enterprise Architekten austauschen. Es ist großartig zu sehen, wie intensiv Fachleute aus der ganzen Welt in diesem Kanal miteinander kommunizieren.

Wo soll die Reise für LeanIX hingehen?
Wir glauben daran, dass wir mit LeanIX ein eigenständiges großes Technologie-Unternehmen aufbauen können, das eine weltweite Relevanz hat. Mit unseren beiden Produkten können wir die Reise der Unternehmen in der digitalen Transformation komplett unterstützen – beginnend mit unserer EA-Lösung bis hin zum nativen Cloud-Management. Wir sind überzeugt, dass am Ende nicht alles in der Cloud sein wird, aber eben auch nicht mehr alles on premises. Insofern bieten wir CIOs, CTOs und auch CDOs in der Digitalisierung eine umfassende Lösung an, um diesen Wandel sinnvoll zu steuern.

Weitere Informationen unter:
www.leanix.net

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