Die „Neue Normalität“ verlangt Flexibilität. Mit dem Qualifizierungschancengesetz machen Unternehmen ihre Mitarbeiter fit für unsichere Zeiten

Unternehmen stehen seit Ausbruch des Coronavirus unerwartete Veränderungen und anhaltende Unsicherheit bevor. Sollten die Infektionszahlen wieder ansteigen, kann es erneut zu Lockdowns kommen. Oder die Gesundheitspolitik ordnet Maßnahmen zur Eindämmung an, die umgesetzt werden müssen. Diese Situation kann noch Jahre andauern. Viele Arbeitnehmer sind in Kurzarbeit, von Arbeitslosigkeit betroffen oder bedroht – in der Reisebranche genauso wie in der Eventbranche, und auch in der Gastronomie ist die Unsicherheit weiterhin groß. Es wird nicht möglich sein, alle Wirtschaftsbereiche krisenfest aufzustellen und alle Arbeitsplätze zu erhalten. In der öffentlichen Diskussion bezeichnen wir diese unberechenbare Situation als die „neue Normalität“. Um die Herausforderungen zu meistern, ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Und so entwickeln Unternehmen neue Geschäftsmodelle und stellen sich insgesamt flexibler auf. In dieser Situation möchte der Staat die Wirtschaft und die Bürger unterstützen: Er vereinfacht den Zugang zu Qualifizierungen insbesondere im Bereich Digitalisierung und fördert diese finanziell.

Personalpotenzial der Bevölkerung nutzen

Für neun von zehn Unternehmen hat Digitalisierung durch die Krise an Bedeutung gewonnen: für interne Prozesse, bei der Entwicklung neuer Geschäftsfelder oder für die Automatisierung in der Produktion. Nach Angaben von McKinsey planen oder realisieren 68 Prozent der Unternehmen, die sich durch die Corona-Zeit Umsatzzuwächse erhoffen, aktuell ein neues Geschäftsfeld mit eigenständigen digitalen Produkten oder Dienstleistungen. Hierdurch werden neue Berufsfelder und neue Arbeitsplätze entstehen, viele andere jedoch werden wegfallen. Hinsichtlich des Bedarfs an technologischen Fähigkeiten geht McKinsey von einem Mehrbedarf von rund 700.000 Personen bis 2023 aus. Unternehmen stehen vor der Aufgabe, gezielt Fähigkeiten bei ihren Mitarbeitern aufzubauen, die für die Digitalisierung relevant sind. Oder sie werben auf dem Arbeitsmarkt um qualifiziertes Personal. Für viele Beschäftigte bedeutet das: Sie müssen die Kenntnisse und Fähigkeiten aufbauen, die zukünftig auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind.

Neue Gesetze eröffnen Zugang zu Fördermöglichkeiten

Das kürzlich vom Bundesrat beschlossene Arbeit-von-Morgen-Gesetz unterstützt Unternehmen und Arbeitnehmer in dieser Situation. Das Ziel ist ein leichterer Zugang zu geförderter Weiterbildung. Früher dachten Arbeitsagentur und Arbeitssuchende zumeist erst dann über eine Weiterbildung nach, wenn der Arbeitnehmer seinen Job bereits verloren hatte. Das neue „Gesetz zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung“, auch bekannt als Qualifizierungschancengesetz (QCG), soll bereits vorher greifen. Das Gesetz erweitert den förderbaren Personenkreis, der im §82 des SGBIII festgelegt ist. Bisher nutzen Unternehmen diese Fördermöglichkeit, die seit Anfang 2019 in Kraft ist, jedoch nur selten, was auch an seiner fehlenden Bekanntheit liegen mag. Dabei handelt es sich um ein wirksames Instrument, von dem Unternehmen und Angestellte gleichermaßen profitieren. Die Idee: Der Staat möchte Arbeitnehmer bereits während ihrer Beschäftigung fördern – besonders im Hinblick auf den digitalen Strukturwandel und damit einhergehende Veränderungen.

Volle Übernahme der Kosten für kleine Unternehmen

Je nach Größe des Unternehmens werden bis zu 100 Prozent der Kosten für die Weiterbildung und bis zu 75 Prozent der Lohnkosten erstattet. Beschäftigt ein Arbeitgeber weniger als zehn Angestellte, so muss er sich gar nicht an den Lehrgangskosten beteiligen. Große Firmen mit mehr als 2.500 Beschäftigten dagegen tragen mindestens 80 Prozent der Kosten selbst. Somit unterstützt das QCG in der Corona-Krise kleinere Unternehmen, die mit Umsatzrückgängen zu kämpfen haben und sich teure Weiterbildungen gerade jetzt nicht leisten können.

Antragsteller müssen normalerweise eine dreijährige berufliche Tätigkeit nachweisen. Diese Anforderung fällt weg, wenn die Weiterbildung zum Abschluss in einem Engpassberuf, etwa in der Pflege oder als Erzieher, führt. Zudem erhalten nur Qualifizierungen mit mehr als 160 Stunden eine Förderung. Häufig möchten die Arbeitgeber nicht so lange auf ihre Mitarbeiter verzichten. Im Moment sind jedoch viele Arbeitnehmer in Kurzarbeit und haben damit Anspruch auf einen Bildungsgutschein. Innerhalb der letzten vier Jahre darf der Beschäftigte keine geförderte Maßnahme in Anspruch genommen haben. Inhaltlich sollen Kenntnisse erworben werden, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Andererseits fördert das QCG keine sogenannten Aufstiegsfortbildungen, die zum Beispiel zu einem Abschluss als Meister führen.

Welche Qualifizierung ist jetzt sinnvoll?

McKinsey hat ermittelt, welche Fähigkeiten zukünftig entscheidend sein werden: komplexe Datenanalyse, nutzerzentriertes Design, Webentwicklung sowie Konzeption und Administration vernetzter IT-Systeme. Bei cimdata verzeichnen wir seit Ausbruch des Coronavirus eine starke Nachfrage nach Qualifizierungen im Bereich Social Media, Content- und Community-Marketing, UX/UI für Screendesign, E-Commerce oder Webprogrammierung wie HTML. Gewerbetreibende benötigen die Kenntnisse, um ihre Angebote digital besser zu vermarkten, indem sie ihre Websites optimieren und erweitern. Auch Marketing-Kurse werden stärker gebucht als früher, denn viele Unternehmer wollen neue Zielgruppen erschließen, um Umsatzrückgänge aufzufangen.

Schritt für Schritt zum Bildungsgutschein

Damit der Antrag bewilligt wird, sollten sich Unternehmen auf die folgenden Schritte vorbereiten:

  1. Die Arbeitsagentur möchte wissen, wie groß das Unternehmen ist, für welchen Mitarbeiter welche konkrete Weiterbildung beantragt werden soll und mit welchem Ziel, wie alt der betreffende Mitarbeiter ist und wie sein bisheriger beruflicher Werdegang aussah.
  2. Mit diesen Informationen kann der Personalverantwortliche beim Arbeitgeberservice der örtlich zuständigen Arbeitsagentur anrufen.
  3. Der zuständige Sachbearbeiter prüft die Angaben und gibt eine Rückmeldung. Stimmen die Voraussetzungen, sendet die Arbeitsagentur das Antragsformular an den Arbeitgeber.
  4. Wird der eingereichte Antrag positiv entschieden, sendet die Arbeitsagentur dem betreffenden Arbeitnehmer einen auf ihn ausgestellten Bildungsgutschein zu.
  5. Den Bildungsgutschein kann der Mitarbeiter bei einem nach der Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung (AZAV) zertifizierten Weiterbildungsanbieter seiner Wahl einlösen.

Über die Autorin

Fanny Kabelström-Stefani ist Geschäftsführerin der cimdata Bildungsakademie GmbH. Die cimdata Bildungsakademie GmbH ist seit 1983 in der Erwachsenenbildung aktiv und bietet geförderte Weiterbildungen und Umschulungen, Ausbildungen, Firmenschulungen und Coaching an. Fanny Kabelström-Stefani ist unter anderem für die Produktentwicklung und die strategische und operative Steuerung der Bildungsmaßnahmen verantwortlich.

Weiterführende Informationen:

https://www.cimdata.de/

CC BY-ND 4.0 DE

 

 

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