Der Mensch in hoch automatisierten Prozessen
PD Dr. Martin Krzywdzinski, Principal Investigator am Weizenbaum-Institut, sprach mit der TREND-REPORT-Redaktion über den digitalen Wandel der Arbeitswelt.
Chancen und Risiken: Das IoT verändert die Bedingungen und Qualifikationsanforderungen der Beschäftigten.
Herr Dr. Krzywdzinski, welchen Forschungsbereich betreuen Sie und welche Fragen beschäftigen Sie?
Ich befasse mich damit, wie sich die Arbeitswelt durch den technologischen Wandel – und das ist heute insbesondere die Digitalisierung – sowie die Globalisierung von Unternehmen und Wertschöpfungsketten verändert. Dabei interessieren mich vor allem Umbrüche in industriellen Kernsektoren, wie der Automobilbranche, dem Maschinenbau oder der chemischen Industrie. Es geht um die Entwicklung der Beschäftigung, Qualifikationsanforderungen, Arbeitsinhalte und Arbeitsorganisation, Personalmanagement sowie Mitbestimmung.
Welche Rolle spielen das IoT und das IIoT im Kontext Ihrer Forschungsaufgaben?
Ohne das IIoT sind die heutigen Entwicklungen im Bereich der cyber-physischen Systeme, der modularen Fertigung, aber auch der neuen Systeme zur Steuerung und Optimierung von Prozessen in der Smart Factory nicht denkbar. Das IIoT ermöglicht neue Schritte in Richtung transparenter und autonomer Prozesse. Ich selbst befasse mich damit, wie der Einsatz dieser Systeme die Arbeitsbedingungen und Qualifikationsanforderungen an die Arbeitskräfte verändert. Es geht um Chancen der Aufwertung von Arbeit.
Wir untersuchen beispielsweise, wie sich Aufgaben und Anforderungen im Bereich industrieller Facharbeit verändern. Es geht aber auch um die Gefahren der Überwachung von Beschäftigten (Stichwort „gläserner Mitarbeiter“) und der Standardisierung von Arbeitsinhalten durch Assistenzsysteme. Wir analysieren hier Veränderungen im Bereich der sogenannten Einfacharbeit, beispielsweise in der Logistik. Hier werden Assistenzsysteme eingesetzt, die den Arbeitsprozess so weit standardisieren und kontrollieren, dass kaum mehr Entscheidungs- und Handlungsspielräume für Beschäftigte bestehen.
„Wichtig ist es, nicht nur auf die Ausbildung der kleinen Gruppe von Experten im Betrieb zu setzen; die Beschäftigten auf allen Hierarchieebenen müssen befähigt werden, die neuen digitalen Systeme zu verstehen.“
Welche Vorteile bringen heute RPA-Lösungen für Unternehmen mit sich?
Unter dem Stichwort „Robotic Process Automation“ (RPA) wird der Einsatz von Bots diskutiert, die auf existierenden Softwareumgebungen (z. B. SAP) aufsetzen und einfache Routinetätigkeiten wie die Eingabe von standardisierten Daten oder Pflege von Akten übernehmen. Diese werden in Bereichen wie Einkauf oder Finanz- und Rechnungswesen eingesetzt. Damit kann natürlich die Geschwindigkeit der Abarbeitung solcher Aufgaben gesteigert und die Fehleranfälligkeit reduziert werden.
Zugleich werden die Beschäftigten von den besonders monotonen und stupiden Aufgaben entlastet. Die Anbieter von RPA versprechen insbesondere deutliche Kostenreduktionen sowie Vorteile gegenüber den bisherigen Modellen des Outsourcings solcher Aufgaben an Anbieter in Niedriglohnländern. Allerdings sind zum jetzigen Stand die RPA-Anwendungen nur auf ganz einfache Aufgaben ausgerichtet.
Wie wirkt sich RPA und Automatisierung auf die Quantität und Qualität der Arbeit aus?
Was RPA betrifft, so sehe ich beim jetzigen Stand der Technik nur sehr begrenzt Gefahren der Automatisierung kompletter Arbeitsplätze. Das Thema Automatisierung ist aber viel breiter. Wir sehen Fortschritte bei der Entwicklung der Leichtbauroboter und insbesondere bei autonomen Transportsystemen.
Dieser letztere Punkt kann zu erheblichen Beschäftigungsverlusten im Logistikbereich führen. Zudem erlauben autonome Transportsysteme auch ein neues Design der Fertigungsprozesse, was sich wiederum auf Qualität und Quantität der Arbeit auswirken kann. Hier könnten Tätigkeiten beim Einlegen und Handling von Teilen im Fertigungsprozess wegfallen. Wichtig sind zudem die Entwicklungen im Bereich von Entscheidungsunterstützungssystemen, etwa für Planer oder Einkäufer in Unternehmen. Hier könnten insbesondere stark routinisierte Aufgabenbereiche von Automatisierung betroffen sein. Die Arbeit wird dadurch anspruchsvoller, was durchaus positiv ist.
Inwieweit werden zukünftig neue Tätigkeitsprofile im Arbeitsleben benötigt?
Digitalisierung wird die Tätigkeitsprofile in vielen Bereichen verändern. Die Beschäftigten werden viel mehr mit datenbasierter Prozessteuerung und Prozessoptimierung zu tun haben. In klassischen Berufen wie dem des Maschinenbauingenieurs, des Mechatronikers oder des Industriemechanikers wird es immer mehr darauf ankommen, dass die Beschäftigten die entsprechenden Systeme verstehen und programmieren können. Zudem werden wir in Zukunft immer mehr Informatiker und vor allem Datenanalysten in den Unternehmen sehen. Wir sehen ja bereits, wie händeringend Unternehmen solche Experten auf dem Arbeitsmarkt suchen.
Dieser Text stammt aus dem Open-Content-Buchprojekt „Handbuch Internet of Things“. Lesen Sie hier weiter…
CC BY-SA 4.0 DE
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