Der größte Hebel der Klimatransformation: Die Lieferkette
Warum die Lieferkette besondere Beachtung bei den eigenen Klimaschutzvorgaben haben sollte, erläutert Lara Obst, Mitgründerin und Geschäftsführerin von THE CLIMATE CHOICE in einem ausführlichen Gastbeitrag
Obwohl die Dringlichkeit einer ganzheitlichen Klimatransformation mittlerweile deutlich zu spüren ist, befinden wir uns heute noch immer in den Startlöchern der Klimatransformation. Der Wille ist da: Fast jedes zweite Unternehmen in Deutschland will perspektivisch klimaneutral werden (Quelle: Bitkom). Doch gesetzte Ziele und die Realität passen bislang noch kaum zusammen. So melden bisher nur 7 Prozent der Unternehmen, die den Fortschritt umfassender Klimaziele messen, auch tatsächliche Emissionsreduktionen (Quelle: World Economic Forum).
Lieferkette mit größtem Anteil an Treibhausgasen
Woran liegt das und welcher Hebel könnte den dringend nötigen Umschwung bringen? Die Antwort liegt ganz eindeutig in der Lieferkette. Hier entstehen bis zu 90 Prozent der Treibhausgasemissionen eines Unternehmens (Quelle: World Economic Forum). Eine erfolgreiche Umsetzung der eigenen Klimaziele ist daher für die meisten Unternehmen nur möglich, wenn sie ihre Lieferkette genau verstehen und Lieferanten aktiv in ihre Klimatransformation einbeziehen.
Das wissen auch die meisten Unternehmen. Trotzdem bleibt die Lieferkette und ihr Klimaeinfluss auf die eigene Klimaleistung häufig eine “Black Box”. Das kann die Zusammenarbeit zwischen Klimaabteilung und Einkauf ändern! Beim Procurement Barometer 2021 gaben bereits 69 Prozent aller Befragten an, dass sie die Nachhaltigkeitsleistung bei der Auswahl sowie bei Vertragsverlängerungen ihrer Lieferanten mit berücksichtigen. 2019 gaben dies nur 51 Prozent an. Der Trend zum klimarelevanten Einkauf steigt also. Aber trotz der Steigerung bedeutet das Studienergebnis auch, dass nach wie vor 31 Prozent der befragten Unternehmen die enorme Klimarelevanz der eigenen Lieferkette unterschätzen bzw. keine entsprechenden Maßnahmen für ihre Dekarbonisierung bereitstellen können.
Herausforderungen der Lieferkettendekarbonisierung
Durch steigende Marktanforderungen, Kundennachfrage und internationale Regulation stehen Unternehmen heute vor der Herausforderung, ihre Lieferkette zu transformieren. Allerdings verfügen sie hierfür häufig nicht über die nötigen Ressourcen und entsprechenden Tools. So wundert es kaum, dass die Einschätzung der Klimaleistung einzelner Lieferanten oft noch manuell und kompliziert via Excel-Tabellen erfolgt. Hinzu kommt, dass die Daten meist unzureichend bleiben und kaum mit den sich immer weiter entwickelnden Klimastandards abgestimmt sind. Klimabeauftragte und Einkäufer:innen stehen somit gleichermaßen vor der Problematik, klimarelevante Daten erheben zu müssen, ohne die sich keine umfassende Dekarbonisierung der Lieferkette einleiten lässt.
Analyse und Kommunikation im Zentrum des Lieferantenmanagements
Um diese Hürden zu überwinden, gilt es zunächst, im Einkauf mit der Klimaabteilung zusammenzuarbeiten und die ganzheitliche Klimaanalyse der eigenen Lieferkette als erste Priorität zu setzen. Spezialisierte und softwaregestützte Analyse-Tools können hierbei sowohl helfen, die Datenerfassung von einzelnen Lieferanten schneller und effizienter zu gestalten, als auch sämtliche für die Klimatransformation relevanten Daten gemäß international anerkannter Standards in einem gemeinsam zugänglichen Klima Scoring abzudecken. Auf Basis dieser gründlichen Status-Quo-Analyse entsteht ein genauer Überblick über die ganzheitliche Klimaleistung entlang der Wertschöpfung sowie die Möglichkeit, Klimaziele handlungsorientiert umzusetzen.
Zur Erreichung der gesetzten Ziele kommt ein zweiter zentraler Faktor ins Spiel: Kommunikation. Denn die Dekarbonisierung der Lieferkette lässt sich nur in der Zusammenarbeit mit den eigenen Lieferanten umsetzen. Ohne eine transparente Kooperation sowie die geteilte Bereitschaft, die eigene Klimaperformance zu verbessern, ist kein Fortschritt möglich. Anstatt also Vorgaben nach unten zu diktieren, sollten Unternehmen einen offenen Austausch auf Augenhöhe suchen. Ebenso wichtig für den Erfolg der Umsetzung ist es, Lieferanten im Prozess zu unterstützen, kleine Schritte schnell zu realisieren und langfristige Ziele als gemeinsame Verbesserung der Klimawirkung anzustreben.
Von Transparenz zu Climate Actions
Um den Erfolg der laufenden Dekarbonisierungsmaßnahmen sicherzustellen, müssen Zwischenergebnisse regelmäßig gemessen und sichtbar gemacht werden. So lassen sich Prozesse gegebenenfalls anpassen sowie Handlungsfelder weiterentwickeln und optimieren. Transparenz bildet hierfür die grundlegende Voraussetzung – sowohl auf Seiten der Lieferanten als auch auf der Seite einkaufender Unternehmen. Die Offenlegung der eigenen klimarelevanten Daten wird dabei ohnehin in der vorgeschriebenen Kommunikation durch Klima-Reportings immer wichtiger, unterstützt aber auch maßgeblich den Vertrauensaufbau zu sämtlichen Stakeholder:innen. Politische Vorschriften wie die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) oder die EU-Taxonomie verpflichten Unternehmen bereits dazu, ihre ganzheitliche Klimaperformance in jährlichen Berichten sichtbar zu machen. Dazu zählt nicht nur die eigene CO₂-Bilanz, sondern besonders die Themen Governance, Strategie und Metriken. Die Offenlegung dieser kann über ein entsprechendes Klima Scoring erfolgen, welches Aufschluss über den Reifegrad der eigenen Klimastrategie, des Klimarisikomanagements sowie der eingesetzten Dekarbonisierungsmaßnahmen gibt.
Transparenz, Kommunikation und eine umfassende Datengrundlage ermöglichen letztlich eine zukunftsorientierte Zusammenarbeit – sowohl im eigenen Unternehmen zwischen Klimaabteilung und Einkauf als auch entlang der Lieferkette. Diese bildet die Grundvoraussetzung für echte Klimatransformation, die Unternehmen dabei unterstützt, ihre Klimaziele in die Tat umzusetzen und Dekarbonisierungsmaßnahmen entlang der Lieferkette zu realisieren.
Über die Autorin
Lara Obst ist Mitgründerin und Geschäftsführerin von THE CLIMATE CHOICE. In ihrer Masterthesis entwickelte sie ein Modell zur Sustainability-Performance-Messung auf Geschäftsebene, welche den europäischen Philipp-De-Wood-Preis von Deloitte erhielt. Seitdem war sie u. a. Co-Founder von MOWEA (modulare Windenergieanlagen), Venture Developer von Weeve.network (Blockchain IoT Platform) und Corporate Accelerator Manager DACH