Der digitale Arbeitsplatz
Neue Technologien verändern unsere Arbeitswelt. Agilität, Flexibilität und Kreativität werden zunehmend gefordert.
Unternehmen weltweit investieren horrende Summen in neue Technologien und Softwarelösungen, um sich selbst zu transformieren, und versprechen sich eine höhere Produktivität und einen schnellen Return on Invest. Doch mit dem technologischen Fortschritt verändern sich auch die Erwartungshaltungen von Kunden und Mitarbeitern, sowohl in den Büros als auch in den Produktionsstätten der Industrie.
„Die Anforderungen an die Flexibilität der Unternehmen in Richtung ihrer Kunden und die Anforderungen der Mitarbeiter an flexible Arbeitsmöglichkeiten werden sich in Zukunft weiter erhöhen“, meint auch Frank Oette, Gesellschafter der Hawk Intelligent Technologies GmbH. „Dieses wird sich nur über digitale Lösungen realisieren lassen.“ Sein Unternehmen hat sich das Ziel gesetzt, betriebliche Entscheidungen mit künstlicher Intelligenz zu verbessern, und zu diesem Zweck mit getaiplan eine Schichtplanungs-Software für die Industrie entwickelt. Damit „die kostengünstige digitale Integration der industriellen Mitarbeiter weiter voranschreiten“ kann, bietet das Tool eine Mitarbeiter-App, mit der eine hohe Transparenz des Schichtplans für die Mitarbeiter einhergeht. „Darüber hinaus werden die Mitarbeiter in den Planungsprozess vollständig integriert“, so Oette. Mit der App können Mitarbeiter sich auf Schichten bewerben oder einen Schichttausch beantragen bzw. einem solchen Antrag zustimmen. Ferner bietet die App eine Abwesenheitsverwaltung, ein Chatsystem und die Fähigkeit der Arbeitszeiterfassung.
Agilität
Doch auch der Erwerb der richtigen Technologien und Lizenzen ist für die gelungene Digitalisierung nicht ausreichend. Vielmehr müssen Unternehmen sich auf einer grundsätzlichen Ebene transformieren, um die neuen Möglichkeiten gewinnbringend zu adaptieren und selber innovativ zu agieren. Im Zentrum dieses „Digital Enablement“ steht auch bei Weltkonzernen ein Konzept, welches sich eher an den Denkmustern eines Start-ups orientiert. „Agilität beschreibt die Fähigkeit einer Organisation, relevante Veränderungen in ihrem Umfeld zu antizipieren und ihnen schnell und effektiv zu begegnen“, gibt Trend Supervisor und Innovationsberater Torsten Rehder von Trendone eine einfache Definition dessen, was jetzt nötig ist. Design Thinking, Kanban, Scrum – besagte Agilität hat viele Namen, doch wer sie adaptieren will, braucht nicht nur methodisches Know-how, sondern die Bereitschaft, entsprechende Organisationsstrukturen zu schaffen.
Die Agile Coaches der ibo Beratung und Training GmbH begleiten dazu Unternehmen bei ihrer Agilwerdung. Welche Herausforderungen auf diesem Weg zu meistern sind, weiß man auch aus eigener Erfahrung, wie die Agile Coaches Jörg Faulstich und Eleonora Weistroffer berichten: „Begonnen haben wir 2014 mit Kanban-Boards in den bestehenden Funktionsteams, um die Transparenz und Ergebnisorientierung zu erhöhen. Kurz danach haben wir multifunktionale Teams gegründet und mit gewählten Scrum Mastern und Product Ownern eine große Nähe zu Scrum versucht. Mithilfe von Design Thinking, Customer Journey und Personas haben wir uns 2015 / 16 stärker mit unserer Kundenausrichtung beschäftigt.“ Durch die wachsende Agilität entstand allerdings eine neue Unklarheit der Zuständigkeiten, weswegen bei ibo schließlich noch Holacracy adaptiert wurde. „Anstatt Macht und Entscheidungsbefugnisse gemeinsam im Team zu leben, sind diese nun klar verteilt, wodurch Verantwortlichkeiten wieder transparent werden.“
Der Mitarbeiter hat sich digitalisiert und vernetzt
New Work
Die im Zusammenhang mit agilen Projektteams häufig genannten Kernkompetenzen der Selbstorganisation und Eigenverantwortung werden dabei generell im Berufsleben immer wichtiger. Denn mit dem Unternehmen hat sich auch der ehemals analoge Mitarbeiter digitalisiert und vernetzt und als Konsequenz daraus mobilisiert. Die unter dem Begriff „New Work“ zusammengefasste Prozess- und Strukturveränderung schafft Freiräume für mehr Flexibilität und Selbstbestimmung. Papierlos kommuniziert und interagiert er von zu Hause oder einem anderen netzabgedeckten Ort mit Kollegen, Partnern und Kunden. Aus Aktenordnern, -schränken und großräumigen Archiven sind digitale Dokumente geworden, die sich von überall aus der Cloud abrufen lassen. Datenschutz und Konformität mit den Anforderungen, die der Gesetzgeber stellt, vorausgesetzt.
„Ich glaube, mit einer Lösung wie Snowflakes haben Sie eine riesige Chance, Datenschutzverordnungen wie GDPR viel besser zu begegnen als in der Vergangenheit“, berichtet Pierre Thompson-Lukas, Regional Director Dach des Data-Warehouse-Anbieters. Neben den gängigen Sicherheitsmechanismen wie Verschlüsselung, rollenbasierte Zugriffskontrolle und Multifaktorauthentifizierung bietet seine Lösung einen besonderen Clou. „Wenn ein Entwicklungsteam neue Applikationen testet und für diese Entwicklungs- und Integrationstätigkeit ein Datenextrakt zieht, das wieder kopiert und nach dieser App-Entwicklung wieder vergessen wird“, veranschaulicht Thompson-Lukas, „dann habe ich ein riesengroßes Problem. Dann weiß ich nämlich nicht mehr sicher, wo diese Daten sind und wer Zugriff darauf hat.“ Wenn bei Snowflakes mehrere Parteien Zugriff auf einen Datensatz haben wollen, muss dieser nicht vervielfältigt werden. Alle arbeiten mit genau denselben Daten, allerdings auf Basis einer separaten virtuellen Rechenkapazität.
Working out loud
Nicht nur die Arbeit machen – sondern auch darüber reden: Dafür steht das Konzept des „Working out loud“. Bryce Williams hat dies bereits 2010 folgendermaßen beschrieben: „Working out loud = Observable work + Narrating your work“. Mit anderen Worten: Lässt man seine Kolleginnen und Kollegen an der eigenen Arbeit partizipieren, kann die gesamte Organisation daran lernen.
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Die Vermessung der Flexibilität
Durch die Arbeit in der Cloud hat sich die einst fest fixierte Büroarbeitszeit im diffusen Begriff der Vertrauensarbeit verloren. Da die Leistungsanforderung nun nicht mehr in Arbeitszeit bemessen ist, entsteht allzu oft ein Angstgefühl, diese ohne entsprechende unsichtbare Mehrarbeit nicht länger erfüllen zu können. „Das Gericht schiebt der Flatrate-Arbeit einen Riegel vor – richtig so“, bejubelte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach entsprechend die vor kurzem getroffene, höchstrichterliche Anordnung. Mit Urteil vom 14. Mai entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass Arbeitgeber ein System einrichten müssen, womit die tägliche Arbeitszeit der Mitarbeiter gemessen werden kann. Dies gilt auch für Mitarbeiter im Außendienst oder in Projektteams. Der mediale Aufschrei von Unternehmern und Digitalisierungsexperten war entsprechend groß. Unisono sieht man einen Rückschritt für die digitale Arbeitswelt und Arbeitszeitgesetze unvereinbar mit flexiblen Arbeitszeitmodellen.
Dass dem nicht so sein muss, beweist die Troi Live App. Die App richtet sich speziell an Agentur-Mitarbeiter und erleichtert dort die Erfassung von Aufwänden. Dabei ermöglicht sie nicht nur ein automatisches Check-in und Check-out zur Arbeitszeiterfassung, vielmehr bildet sie den gesamten Projektalltag ab. „Sowohl die Kalkulation, die Erstellung und Zuweisung von Projektaufgaben als auch die zeitliche Planung erfolgen über das System“, erläutert Kerstin Götz, Geschäftsführerin der Troi GmbH. Die gesamte Kundenhistorie kann dabei im System datenschutzkonform dokumentiert werden. Durch die Projektkalkulation und die erfassten Aufwände erfolgt zudem ein automatisiertes Projektreporting. „Der Projektverantwortliche kann so immer steuern, ob das Projekt noch im Budget und im Zeitplan liegt“, so Götz. Ein projektübergreifendes Reporting bietet zudem gerade für Führungsverantwortliche ein wichtiges Steuerungsmodul. „Hier wird in Echtzeit das aktuelle Ergebnis über alle Projekte hinweg ausgewiesen.“
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Future Work
Während der vernetzte, voll digitalisierte und mobile Mitarbeiter noch dabei ist, sich langsam durchzusetzen, schreitet die technologische Entwicklung immer schneller voran und die nächste Evolutionsstufe des Homo laborans – des arbeitenden Menschen – wirft ihre Schatten voraus. Losgelöst vom menschlichen Makel der Fehleranfälligkeit droht die neue Spezies der vernetzten Arbeitsroboter uns aus unserem Arbeitsraum zu verdrängen. „Das Substitutionsrisiko bezeichnet die Wahrscheinlichkeit, dass Aktivitäten eines Mitarbeiters durch Digitalisierung, wie z. B. IT-Systeme oder Robotik, übernommen werden“, erklären Carsten Feldmann und Wieland Appelfeller in ihrem Aufsatz „Future of Work: Wie die digitale Transformation die Arbeitswelt verändert“. Die Professoren an der Fachhochschule Münster und Vorstände des Instituts für Prozessmanagement und Digitale Transformation an der Münster School of Business erläutern weiter: „Ein eher niedriges Substitutionsrisiko weisen kreative, soziale (empathische) und wissenschaftliche Berufe sowie Professionen mit sensomotorischen Fähigkeiten wie z. B. Physiotherapeut und Arzt auf. Demgegenüber haben Arbeitsplätze mit standardisierten (Routine-)Aktivitäten mit niedriger Komplexität und geringen Qualifikationsanforderungen ein hohes Substitutionsrisiko.“ Ähnlich sieht es auch Torsten Rehder, der eine Relation zwischen Substitutionsrisiko und Hirnhälftenaktivität herstellt. Zukünftig wird es im Arbeitsleben vermehrt auf die Fähigkeiten der rechten Gehirnhälfte ankommen. „Komplexität handhabbar machen, Probleme analysieren, kreative Lösungen finden, eigene Ideen entwickeln, verhandeln, überzeugen und motivieren“, zählt er auf.
Völlig brachliegen soll indes die linke Hälfte nicht. Schließlich werden gerade durch die Digitalisierung Programmierkenntnisse immer wichtiger. So sprach unsere (Noch-)Kanzlerin schon anlässlich der CeBIT-Eröffnung 2017 davon, dass „die Vermittlung der Fähigkeit zu programmieren als eine Grundfähigkeit neben Lesen, Schreiben und Rechnen“ in unser Bildungssystem zu integrieren sei.
Über das bloße Aneignen von Programmierfähigkeit hinaus geht die Idee des „Computational Thinking“. Darunter wird die Kompetenz verstanden, „Aspekte realweltlicher Probleme zu identifizieren, die für eine (informatische) Modellierung geeignet sind, algorithmische Lösungen für diese (Teil-)Probleme zu bewerten und selbst so zu entwickeln, dass diese Lösungen mit einem Computer operationalisiert werden können“, gibt eine Internetseite des Forschungsprojekts „Computational Thinking“ am Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Paderborn eine Definition. Wer selbst wie ein Computer denkt, kann im Zusammenspiel mit Computern Großes bewirken, glauben die Befürworter des Ansatzes.
Eine KI ist in der Lage, Lösungen zu finden und Fragen zu beantworten, doch es obliegt immer noch dem Menschen, die richtigen Fragen zu stellen. Ein generelles Substitutionsrisiko für menschliche Arbeit existiert also nicht. „Die Angst, dass menschliche Arbeit maschinell ersetzt werden könnte, gab es bereits bei der ersten industriellen Revolution“, beruhigen auch Feldmann und Appelfeller am Abschluss ihres Aufsatzes. „Ein Ende der Arbeit wird es auch diesmal voraussichtlich nicht geben. Eine zentrale Aufgabe für die Unternehmen und ihre Mitarbeiter besteht darin, die Arbeitsplätze rechtzeitig umzugestalten und Qualifikationen anzupassen.“ Digitales Enablement betrifft also Unternehmen und Mitarbeiter.
von Andreas Fuhrich
a.fuhrich@trendreport.de
CC BY-ND 4.0 DE
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