Das AI Office der EU kommt: Idee gut, Umsetzung – naja
Autor: Alain Blaes, Gründer und Geschäftsführer der auf High-Tech spezialisierten Münchner Kommunikationsagentur PR-COM
Der AI Act ist beschlossen, nach dem EU-Parlament haben auch die einzelnen Staaten dem neuen Regelwerk zugestimmt. Nun geht es an die praktische Umsetzung, doch die Zeit drängt. Schon in Kürze soll der AI Act im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden, 20 Tage später tritt er dann in Kraft. Nur ein halbes Jahr später müssen Unternehmen erste Vorgaben beachten, ab Sommer 2026 gilt schließlich das komplette Regelwerk.
Eine entscheidende Rolle kommt dabei dem sogenannten AI Office der EU zu. Nach offizieller Lesart wird es die zentrale Anlaufstelle für die Ausgestaltung der KI-Regulierung sein. So weit, so gut – allerdings sind derzeit wesentliche Fragen ungeklärt, was zu einer großen Verunsicherung der Wirtschaft führt.
Unsicherheit Nr. 1: Offene Führungsrolle. Die EU-Kommission hat zwar bereits mit dem Aufbau des AI Office begonnen. Wer die Leitung übernehmen soll, liegt aber noch im Dunkeln. Die Besetzung dieser Führungsposition ist keineswegs trivial, schließlich bestimmt sie oder er die weitere Richtung. Etwa wenn es darum geht, Richtlinien für die Allzweck-KI (General Purpose AI) zu entwickeln, zu der beispielsweise Chatbots gehören. Derzeit arbeiten in den beiden zuständigen Referaten rund 60 Mitarbeitende – nahezu orientierungslos, wie es aus Parlamentskreisen heißt.
Unsicherheit Nr. 2: Politische Ränkespiele. Bereits vor einem Monat beschwerten sich deutsche Europaabgeordnete in einem Brief an die Kommission über intransparente Einstellungsverfahren. Sie wollten wissen, wer wie an der Suche nach dem besten Kandidaten „für eine der wichtigsten Aufgaben bei der Durchsetzung des KI-Gesetzes“ beteiligt ist. Eine Antwort haben die Abgeordneten bis heute nicht erhalten. Viele Beobachter befürchten deshalb, dass die Besetzung des AI-Office-Leiters zu einem politischen Ränkespiel wird – und die fachliche Kompetenz ins Hintertreffen gerät.
Unsicherheit Nr. 3: Überbordende Bürokratie. Und der Klassiker zum Schluss. Ein neues Regelwerk der EU bringt immer einen gewissen bürokratischen Aufwand mit sich. Gerade kleinere KI-Anbieter könnten damit überfordert sein. Gleichzeitig sollten alle Vorgaben praxistauglich gestaltet sein. Sonst droht, was niemand will: eine Benachteiligung gegenüber den großen Playern am Markt, allen voran aus den USA und China. Ohne ausreichend Raum für Innovationen wird der Einsatz hiesiger KI-Anwendungen in Wirtschaft, Verwaltung und Gesellschaft kaum vorankommen. Gleichzeitig darf die Umsetzung des AI Act nicht zu einer nationalen Auslegungsfrage werden, wie es bei der DSGVO geschehen ist. Denn dann entsteht ein Flickenteppich an Einzelregelungen, der die Position der EU schwächt. Wenn Europa eine Chance haben will, einen Leitmarkt für sichere KI zu etablieren, muss es mit EINER Stimme sprechen.