Covid-19 und das Supply-Chain-Management
Geodiversität + Digitalisierung = Flexibilität – die Lösung?
Globale Lieferketten sind seit COVID-19 eine enorme Herausforderung. Diese Thematik, geprägt von Lieferengpässen und Produktionsproblemen im Zusammenhang mit der Pandemie, zieht sich mittlerweile seit über einem Jahr durch die Medien. Insgesamt verändert die Pandemie, wie Führungskräfte über das Thema Supply-Chain-Management denken und ihre Unternehmen hier für die Zukunft aufstellen, wie eine aktuelle Studie von Orange Business Services und Longitude zu „Real-time intelligence and the future of supply chain“ zeigt.
Unser Autor:
Philipp Ringgenberg, Senior Director Business Consulting & Innovation, leitet den europäischen Bereich Digital Business Consulting und Innovation bei Orange Business Services. Sein Team berät und unterstützt Kunden bei ihrer digitalen Transformation durch Geschäftsinnovation und Wertschöpfung.
Führungskräfte sehen Pandemie als Hauptrisiko für Lieferketten
Für 70 Prozent der 320 im Rahmen der Studie befragten Führungskräfte stellt die COVID-19 Pandemie das bisher größte Risiko für Lieferketten dar. Die Pandemie hat viele Führungskräfte in Sachen Lieferketten wachgerüttelt: So gaben 83 Prozent der Befragten an, dass sie nun aufmerksamer gegenüber Lieferkettenrisiken sind als noch vor einem Jahr. Auf Platz zwei und drei der größten Risiken für Lieferketten rangieren laut der Befragung „Aufruhr in internationalen Angelegenheiten“ (43 Prozent) und „der Wettbewerbsdruck“ (37 Prozent). Die Führungskräfte gaben außerdem an, dass die Pandemie besonders drei Bereiche negativ beeinflusst: Umsatz (56 Prozent), weltweite Lieferketten (56 Prozent) und das Geschäft insgesamt (55 Prozent). Was aber können Unternehmen tun, um auch in Pandemiezeiten ihre Supply Chains aufrecht zu erhalten?
Mit Innovation zu stabilen Lieferketten in der Pandemie
74 Prozent der befragten Führungskräfte gaben an, dass sie in der Krise weiter auf Innovation setzen und Stillstand als Gefahr sehen. 44 Prozent betonten, dass die Krise sogar einen positiven Einfluss auf ihre Innovationsfähigkeit hat, während 30 Prozent sagten, dass sie keine Auswirkung feststellen konnten. Die Pandemie hat Augen geöffnet und zum Umdenken angeregt – Unmögliches wird möglich. Eine Denkweise, der sich immer mehr Unternehmen anschließen.
Das betont auch Erwin Vestraelen, CDO und CIO vom Hafen Antwerpen: „Wegen COVID-19 sind viele neue Punkte auf der Agenda. Vieles wurde vorher theoretisch diskutiert. Aber alle sagten: „Ah, aber das wird nicht funktionieren. Das ist nicht möglich.“ Durch die Krise haben sich auf einmal innovative Ideen bewährt wie zum Beispiel Fernunterricht oder die remote Gesundheitsversorgung. Das Gleiche wird mit Lieferketten passieren. Man muss nicht nur einen Schritt nach vorne machen – man muss einen Quantensprung nach vorne machen.“
Geschwindigkeit und Agilität zählen mehr denn je
Doch wie könnte(n) dieser Quantensprung aussehen und unerwartete Risiken in Lieferketten eliminiert werden? Die Lösung lässt sich simpel in einer Gleichung darstellen. Geodiversität + Digitalisierung = Flexibilität. Flexibilität ist die Lösung, um Krisen so unbeschadet wie möglich zu überstehen. Sind Unternehmen flexibel, können sie sich schneller an unvorhergesehene Umstände anpassen. So gaben in der Umfrage rund 83 Prozent an, dass sie mehr Speed und Agilität benötigen, um mit Veränderungen in Krisenzeiten umgehen zu können. Doch welche Rolle spielen dabei „Geodiversität“ und „Digitalisierung“? On- und Nearshoring in der Fertigung erhöhen die Geodiversität und die Fähigkeit, sich schnell auf neue Marktgegebenheiten und Kundenbedürfnisse einzustellen sowie mit der Produktion in den eigenen Märkten schnell zu reagieren.
„Die Digitalisierung in Form von beispielsweise Smart Factories, Smart Asset Tracking oder Echtzeit-Daten-Analytik und KI gestützten Szenarien und Simulationen spielt eine wichtige Rolle bei der Flexibilisierung von Lieferketten.“
Aber auch die Digitalisierung in Form von beispielsweise Smart Factories, Smart Asset Tracking oder Echtzeit-Daten-Analytik und KI gestützten Szenarien und Simulationen spielt eine wichtige Rolle bei der Flexibilisierung von Lieferketten. Beispielsweise ist der Bedarf an und die Herstellung von bestimmten Produkten damit vorrausschauend planbar oder Produktionsstätten können schneller auf die Produktion gerade notwendiger Produkte umgestellt werden. Zudem ist die Digitalisierung ein wichtiger Faktor für das immer wichtiger werdende Thema Nachhaltigkeit. So nutzen 59 Prozent der Befragten in der Studie von Orange Business Services und Longitude moderne Technologien, um beispielsweise den Energie-, Kraftstoff- und Wasserverbrauch in der Produktion zu kontrollieren und zu senken.
Nachhaltigkeit – nicht nur für die Umwelt essenziell, sondern auch bei Lieferketten von großer Bedeutung
78 Prozent der befragten Führungskräfte in der Studie gaben an, dass Nachhaltigkeit eine große Rolle bei Lieferketten spielt. Nachhaltigkeit zahlt außerdem direkt auf Produkt- und Serviceinnovationen ein, die überlebenswichtig für Unternehmen sind – heute mehr denn je. Erwin Vestralen vom Hafen von Antwerpen verdeutlicht auch diesen Aspekt: „Die Pandemie wird enden, irgendwie. Aber Klimawandel, Nachhaltigkeit – das sind Trends und Risiken, die uns die nächsten Jahrzehnte beschäftigen werden. Beispielsweise wird der europäische Green Deal mehr Druck auf alle Beteiligten ausüben, den Ursprung von Emissionen zu identifizieren und ihren ökologischen Fußabdruck zu minimieren. Lieferketten spielen hierbei eine wichtige Rolle.“
Was lernen wir daraus?
Auch wenn die Corona-Pandemie eine für uns unvergleichbare Krise ist – unerwartete Ereignisse, treten laut McKinsey im Durschnitt alle 3,7 Jahre auf. Philipp Ringgenberg, Director Business & Solution Consulting Europe, Head of Innovation & Verticals Europe bei Orange Business Services appelliert deshalb an alle Beteiligten: „Es hat sich erneut gezeigt, dass wir uns unbedingt von alten, eingefahrenen Denkmustern trennen müssen. Flexibilität, Kreativität, Innovation und Transparenz müssen im Vordergrund stehen.“
Ein Trend, der sich aktuell herauskristallisiert, um Risiken in Lieferketten durch mehr Flexibilität zu minimieren, ist die Verfolgung einer erweiterten Ökosystem-Strategie. Dabei bauen Unternehmen beispielsweise neue Netzwerke mit zusätzlichen Partnern oder Lieferanten auf oder treten bereits bestehenden Netzwerken bei. Auch die befragten Führungskräfte setzen auf diese Möglichkeit der Risikominimierung: 90 Prozent gaben an, dass sie so eine Strategie bereits verfolgen oder in den nächsten zwei Jahren in Erwägung ziehen. Außerdem zahlen sorgfältige, iterative Überprüfungen der Lieferkette sowie Investitionen in ein größeres Supply-Chain-Management-Team oder externe Expertenunterstützung auf das Ziel Risikominimierung ein. Unternehmen sollten auf keinen Fall auf einzelne Lieferanten oder Zulieferer aus nur einem Land oder einer Region setzen.
Weiterführende Informationen: https://www.orange-business.com/en
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