New Work, new problems
Arlett Chlupka, Gründerin von craftsoles, sorgt sich um die Gesundheit von Mitarbeitern in der Pandemie. Sie schlägt digitale Lösungen vor, die Arbeitnehmern niedrigschwellige Hilfsangebote machen, aber auch für die Arbeitgeber Vorteile generieren können.
Wie Arbeitgeber ihre Teams in Zeiten von Remote Work in ihrem Wohlbefinden unterstützen können – und warum sie dies auch dingend tun sollten.
Seit Corona steigen die Zahlen der psychischen und körperlichen Beschwerden in der Bevölkerung. Die abrupten Umstellungen in vielen Lebensbereichen, nicht zuletzt in der Arbeitswelt, haben trotz neuer Flexibilität auch Herausforderungen und Stress heraufbeschworen. Dort, wo Arbeitnehmer auch bei Remote Work eine 40-Stunden-Plus-Woche leisten, braucht es flexible Gesundheitsangebote, um Prävention, Behandlung und Therapie auch weiterhin zu gewährleisten. Indem Arbeitgeber hier ansetzen, können sie die Mitarbeiterbindung steigern und eine zukunftsgerichtete Arbeitskultur beweisen. Der Schlüssel hierfür liegt in der Bereitstellung digitaler Gesundheitstools, die wertvolle Alternativen für klassische Versorgungswege bieten.
Die pandemischen Entwicklungen der vergangenen zwei Jahre haben den Arbeitsalltag für weite Teile der Bevölkerung deutlich verändert. Um die Ansteckungsgefahr zu minimieren, galt es größere Menschenansammlungen und belebte Orte, wie bspw. Großraumbüros, zu vermeiden. In der Folge veränderten sich nicht nur soziale Verhaltensweisen, sondern auch das Verständnis von Arbeit und die Bewegungsmuster von Arbeitnehmern. Und es zeichnet sich ab: Das Homeoffice hat sich zum neuen Standard gemausert, der gekommen ist, um zu bleiben. Digitale Gesundheitsmaßnahmen bieten hier eine Möglichkeit, um die neu entstandene Distanz zu überbrücken. Videokonferenzen und Remote Work haben zwar keine Auswirkungen auf Leistung und Qualität von Teams, doch körperliche Aktivitäten und Bewegung werden in unserem sowieso schon viel zu bewegungsarmen Alltag zusätzlich vermindert. Der Bewegungsradius von immer mehr Menschen beschränkt sich mehrheitlich auf die eigenen vier Wände. Das führt Studien zufolge zu Stress, Unzufriedenheit – und eben Bewegungsmangel. In der Folge steigen die Zahlen von Depressionen, Übergewicht und Gelenkbeschwerden.
Welche Verpflichtungen hat der Arbeitgeber?
Im Homeoffice und beim mobilen Arbeiten gilt der Arbeitsschutz ebenso wie im Büro. Für den Arbeitgeber bedeutet das, dass „eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden“ werden muss (§ 4 Nr. 1 ArbSchG). In der Theorie müsste eine Prüfung des Arbeitsortes auf mögliche Gefahren durchgeführt und dementsprechend Maßnahmen ergriffen werden. Da dies aber nur schwer umzusetzen ist, verhält es sich in der Praxis meist so, dass Arbeitnehmer Ansprüche auf eine angemessene Ausstattung, sowohl mit Technik als auch Mobiliar, geltend machen können. Die nötigen Möbel und Arbeitsmittel müssen vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, um den Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutz garantieren zu können. Doch auch diese konkrete Option ist Arbeitnehmern nicht weitläufig bekannt. Und es braucht umfangreich angelegte und niedrigschwellige Lösungen, die dem abrupten Wandel unserer Arbeitswelt gerecht werden. Natürlich tragen Arbeitnehmer letztlich immer selbst die Verantwortung für ihre Gesundheit. Aber es ist gerade für Arbeitgeber wichtig, hier Anreize zu schaffen und Optionen zu bieten – nicht zuletzt auch, um krankheitsbedingte Ausfälle oder auch Abgänge zu vermeiden. Ebenso wie die Arbeitswelt müssen auch Gesundheitsangebote flexibler werden, um den neuen physischen und psychischen Herausforderungen gerecht zu werden und möglichst viele Arbeitnehmer zu unterstützen.
Flexible Alternativen für den Gesundheitsschutz
Auch in der Gesundheitsversorgung heißt das Zauberwort „Digitalisierung“. Das Gesundheitsministerium fördert bereits viele innovative Projekte im Bereich Digital Health. Zumeist sind es junge, kreative Startups, die wichtige Impulse geben, weil sie die klassischen Strukturen unvoreingenommen und mit kritischem Geist neu und digital denken. Dabei geht es aber letztlich nicht um den Ersatz der klassischen Versorgungswege, sondern um die Ergänzung der bestehenden Angebote, damit Arbeitnehmer eine größere Auswahl haben und flexibler planen und handeln können. Neuartige Technologien können Prävention, Diagnostik und Therapie optimieren und nicht nur während der Pandemie, sondern auch in Zeiten von Remote Work und 40-Stunden-Plus-Wochen (bei gleichzeitigem Fachkräftemangel) entscheidende Versorgungslücken schließen. Die Bereitstellung durch den Arbeitgeber und die gesetzlichen Krankenkassen ist ein wesentlicher Schritt, um genau dort anzusetzen.
Prävention: Neue Versorgungswege bieten
Mit einem Mangel an Bewegung und Aktivität gehen auch immer wieder Muskel- und Gelenkprobleme einher. Hier frühzeitig gegenzusteuern, vermeidet lange Leidenswege, die ansonsten zu Ausfällen und hohen medizinischen Kosten in der Zukunft führen können. Prävention ist das wichtigste Mittel, um einen Status guter Gesundheit aufrechtzuerhalten. Viel zu selten aber werden Hilfsmittel rechtzeitig eingesetzt, da das Bewusstsein und die Affinität für diese Produkte fehlen. Von den Menschen, die orthopädische Schuheinlagen benötigen, sind nur rund 30% auch tatsächlich versorgt. Mit unserem Startup meevo Healthcare wollen wir hier einen konkreten Beitrag leisten, indem wir hochwertige medizinische Hilfsmittel schnell und niedrigschwellig zugänglich machen und der Sanitätshauskultur im Allgemeinen eine neue Wahrnehmung im Alltag der Menschen geben. Anders als bei stationären Versorgern nehmen wir online rund um die Uhr und von überall Bestellungen entgegen und ermöglichen damit Abläufe ohne Präsenztermine. In den letzten zwei Jahren war Corona hier natürlich eine der größten Hürden bei der Versorgung vor Ort, aber auch in Zukunft wird es für verschiedenste Arbeitsmodelle von Vorteil sein, dass Berufstätige in der Hilfsmittelversorgung weder zeitlich noch örtlich gebunden sind. In diesem Jahr haben wir mit der BARMER Krankenversicherung eine erste Pilotphase gestartet, um deren Kunden auch in Pandemiezeiten bestmöglich zu versorgen. Damit konnten die neuartigen Hindernisse überwunden werden, um Versorgungslücken zu verhindern und damit langfristigen Schäden vorzubeugen.
Beratung: Effizient kommunizieren, schnell handeln
Seit Corona stehen immer mehr Menschen der Telemedizin aufgeschlossen gegenüber. Während aber viele darunter nur eine Videosprechstunde verstehen, liegt das wahre Potenzial in asynchronen oder hybriden Beratungslösungen: Unabhängig von Ort und Zeit können Menschen mit Beschwerden auf diese Weise ihre Probleme einem Facharzt schildern, ohne einen Termin mit langer Vorlaufzeit oder Wartezeiten vor Ort wahrnehmen zu müssen. Auch hier ist die digitale Lösung eine wertvolle Ergänzung zum klassischen Konzept der Sprechstunde und bietet Arbeitnehmern zusätzliche Flexibilität in der gesundheitlichen Versorgung. Und auch hier haben mehrere Krankenkassen bereits die Vorteile der Anwendungen für ihre Versicherten erkannt.
Gesundheitsmanagement: Betriebsintern vorsorgen
Erste Projekte arbeiten an digitalen Rundum-Lösungen konkret für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Telemedizinische und Online-Angebote auch an Unternehmen heranzutragen, ist der nächste wichtige Schritt, um sie weiter im Alltag zu verankern. Fraglich wird aber wohl sein, inwieweit die dadurch entstehenden Daten für Arbeitgeber zugänglich sein werden und, ob diese Art der Versorgung in ihren Grundlagen Arbeitgebergebunden aufgebaut sein sollte. Idealerweise bestehen Versorgungsangebote unabhängig von einem speziellen Anstellungsverhältnis, sodass die Nutzung auch bei einem Jobwechsel oder dem Schritt in die Selbstständigkeit möglich bleibt, wenn auch zu anderen Konditionen.
Fakt ist jedoch, dass Arbeitgeber den Wandel in die digitalisierte Zukunft nicht nur in die Arbeits-, sondern auch in die Versorgungsabläufe integrieren sollten, um sowohl zukunfts- als auch wettbewerbsfähig zu bleiben und wertvolle Arbeitskräfte und Kapazitäten zu erhalten. Ein ergonomisch geformter Schreibtischstuhl allein wird diesem Anspruch auf Dauer nicht gerecht.