Zeit für berufliche Weiterbildung
Der Krise stand halten und Chancen nutzen: Mit staatlicher Förderung und mit passender Unterstützung kann die Zeit jetzt gezielt zur digitalen Weiterbildung genutzt werden.
Mehr denn je verändert die Digitalisierung die Arbeitswelt. Für Management und Mitarbeiter gilt gleichermaßen: Wer mithalten will, muss sich bewegen. Denn langfristig ist die einzige wirkungsvolle Strategie das lebenslange Lernen.
Doch dieser Anspruch kann kleine und mittlere Unternehmen genauso wie Arbeitnehmer schnell an die finanzielle Belastungsgrenze führen. Der Staat bietet daher verschiedene Fördermöglichkeiten wie das neue Qualifizierungschancengesetz.
Der technologische Fortschritt setzt Unternehmen und Mitarbeiter unter Anpassungsdruck: Für Arbeitnehmer gibt es keine Garantie mehr, den einmal erlernten Beruf bis zum Eintritt in die Rente auszuüben. Es gibt immer mehr Berufe, die durch den digitalen Strukturwandel verschwinden werden und insbesondere für Geringqualifizierte besteht die Gefahr, dass sie durch Automatisierung ihren Arbeitsplatz verlieren. Und Unternehmen bleiben im globalen Wettbewerb nur dann konkurrenzfähig, wenn die Qualifikation ihrer Mitarbeiter dem Stand der technologischen Entwicklung entspricht. In der Berufspraxis ist die Arbeitsbelastung jedoch oft so groß, dass die Zeit für regelmäßige Weiterbildung fehlt. Und Qualifizierung kostet Geld. Dabei ist sie bitter nötig, denn Arbeitnehmer aus Deutschland sind im weltweiten Vergleich nur durchschnittlich gut auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet. Zu diesem Ergebnis kommt die OECD in ihrem aktuellen „Skills Outlook 2019“. Entscheidend für eine erfolgreiche Anpassung an die Veränderungen sei es, das lebenslange Lernen zu stärken, so die OECD.
Weiterbildungen werden oft privat finanziert
Ganz oben auf der Bildungswunschliste stehen Fachthemen wie Künstliche Intelligenz oder Automatisierung, so die Ergebnisse der Studie „Digital-fit im Job?“ der Beratungsgesellschaft EY. Im Zusammenhang mit neuen Technologien werden zudem insbesondere Fertigkeiten im Bereich Informations- und Kommunikationstechnologie wichtiger. 74 Prozent der befragten Mitarbeiter und Führungskräfte gaben an, ihr Tätigkeitsprofil habe sich aufgrund der Digitalisierung bereits stark oder in Teilen verändert. Ebenso viele erwarten künftig weitere Veränderungen durch neue Technologien wie intelligente Software und Roboter. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die meisten Menschen den Ernst der Lage erkannt haben: So sind 56 Prozent der Fachkräfte bereit, sich in der Freizeit weiterzubilden, 44 Prozent würden sich finanziell beteiligen oder haben bereits eigenes Geld in Qualifizierungen investiert. Dies ist jedoch nicht immer nötig, denn es gibt Möglichkeiten, sich eine Weiterbildung staatlich fördern zu lassen. Die Bundesagentur für Arbeit hat 2018 Weiterbildungen mit knapp 1,8 Milliarden Euro gefördert. Das sei etwa doppelt so viel wie zwölf Jahre zuvor, so das IW Köln. Die wichtigsten Fördermöglichkeiten sind das neue Qualifizierungschancengesetz, der Bildungsgutschein (BGS) und der Aktivierungs- und Vermittlungsgutschein (AVGS).
Das Qualifizierungschancengesetz fördert die betriebliche Weiterbildung
Das neue Qualifizierungschancengesetz ist ein Förderinstrument für die betriebliche Weiterbildung, das Unternehmen und Arbeitnehmern zugute kommen soll: „Gerade für Beschäftigte, deren Tätigkeit bedingt durch Strukturwandel oder technologischen Fortschritt von betrieblichen Substituierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen bedroht ist, haben Arbeitgeber wenig Anreiz und Interesse, sich im Vorfeld freiwillig an beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen zu beteiligen, um beispielsweise vorbeugend gegen deren Arbeitslosigkeit aktiv zu werden“, wie es in einer Empfehlung des Bundesrates heißt. Auf Grundlage des Gesetzes können Unternehmen eine Qualifizierungsberatung bei der Arbeitsagentur in Anspruch nehmen und die Arbeitnehmer erhalten eine Weiterbildungsberatung.
Die Idee: Der Staat möchte Arbeitnehmer bereits während ihrer Beschäftigung fördern, um ihre Qualifizierung zu erweitern – besonders im Hinblick auf den digitalen Strukturwandel. Und das unabhängig von Ausbildung, Lebensalter und Betriebsgröße. Eine Förderung können Angestellte erhalten, deren Berufsabschluss mehr als vier Jahre zurückliegt und die in den vergangenen vier Jahren nicht an einer entsprechenden Weiterbildung teilgenommen haben. Darüber hinaus muss die Maßnahme Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen. Und: Der Arbeitgeber muss sich „in angemessenem Umfang an den Lehrgangskosten“ beteiligen. Beantragen können interessierte Unternehmen die Förderung direkt beim Arbeitgeberservice der örtlich zuständigen Arbeitsagentur.
Der digitale Strukturwandel kann Chancen bieten
Viele zertifizierte Weiterbildungsanbieter haben auf die neuen Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt und auf die hohe Nachfrage reagiert. Bildungsinteressierte finden zahlreiche Angebote, die sie fit für den Arbeitsmarkt von heute und morgen machen und die von den Arbeitsagenturen und Jobcentern gefördert werden können. Dazu gehören vierwöchige Weiterbildungen, die wichtige aktuelle Qualifikationen vermitteln: Vom Basiswissen wie Computerführerscheinen für Office-Anwendungen, Kenntnissen für den Aufbau von Websites, das Online Marketing, die Suchmaschinenoptimierung und die objektorientierte Programmierung mit PHP über spezialisierte Kenntnisse wie Agiles Projektmanagement, Screendesign und User Interface Design, App-Entwicklung, Cloud Computing, SEA-Marketing oder UX/UI-Design.
Die Fördermöglichkeiten sind da. Es liegt jetzt an jedem einzelnen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die bestehenden Möglichkeiten zu nutzen. Dann muss der digitale Strukturwandel nicht in eine Sackgasse führen, sondern kann eine herausfordernde Chance bieten, die neue Perspektiven eröffnet und den Horizont erweitert.
Autorin: Fanny Kabelström-Stefani
Fanny Kabelström-Stefani ist Geschäftsführerin der cimdata Bildungsakademie GmbH. Die cimdata Bildungsakademie GmbH ist seit 1983 in der Erwachsenenbildung aktiv und bietet geförderte Weiterbildungen und Umschulungen, Ausbildungen, Firmenschulungen und Coaching an. Fanny Kabelström-Stefani ist unter anderem für die Produktentwicklung und die strategische und operative Steuerung der Bildungsmaßnahmen verantwortlich.
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