Wie der Neustart gelingen kann
Nach wie vor bestimmt die Pandemie den Arbeitsalltag in den Unternehmen, Geschäftsprognosen sind schwierig bis unmöglich. Um in diesen unsicheren Zeiten der Organisation eine Orientierungshilfe zu geben, kommt es jetzt und in Zukunft auf neue Führungskompetenzen an.
Von Dr. Katja Nagel*
Vermutlich nur selten wurde das Ende eines Jahres so sehr herbeigesehnt wie dieser Tage. Ein Jahr, das viele Unternehmen und Führungskräfte nicht nur vor die größten, sondern mit ziemlicher Sicherheit auch vor die unvorhersehbarsten Herausforderungen gestellt hat. „Kräftezehrend“ würde wohl vielerorts die Antwort lauten, wenn man die Entscheidungsträger nach ihrem Befinden der letzten Wochen und Monate fragte. Denn neben dem Unternehmenserhalt waren und sind es vor allem die Persönlichkeitsmerkmale, die auf dem Prüfstand stehen und den Grundstein für eine erfolgreiche Neuausrichtung legen.
Agenda für den Veränderungsprozess
Mehr denn je bedarf es in Zeiten geringer Planungssicherheit und flexibler Arbeitsmodelle einer starken (digitalen) Präsenz von Führungskräften, besonders viel Perspektive für die Organisation und neuer respektive verbesserter Soft Skills. Neben Agilität, Kreativität und Kommunikation gewinnen emotionale Intelligenz, Flexibilität, ein starker Teamgedanke sowie persönliche Integrität an Bedeutung. Das Führen virtueller Teams setzt zusätzlich eine positive Ausstrahlung voraus, noch mehr Empathie, aber auch Natürlichkeit, um die unnatürliche Situation der nicht-persönlichen Begegnungen aufzufangen. Was bedeutet das konkret?
- Schaffen Sie genügend Raum für Pausen: Da es im privaten, häuslichen Umfeld bzw. im digitalen Raum ungleich schwerer fällt, Pausen auch wirklich als Pausen zu erleben, braucht es unbedingt neue Rituale des Zusammenkommens. Neben den Arbeitsmeetings sollte die Möglichkeit bestehen, sich zu einem vereinbarten Zeitpunkt etwa auf ein gemeinsames Mittagessen zu verständigen. Dieser Austausch kann wertvolle Ideen generieren, der Kontakt zu anderen schafft Inspiration. Gleichzeitig wird durch die eigene Mitteilsamkeit eine bessere Verarbeitung von Erlebtem gewährleistet und es entsteht eine Perspektivenangleichung, die für Entlastung sorgt.
- Sprechen Sie Klartext und schaffen Sie Transparenz: Auch wenn in Sondersituationen das Bedürfnis nach Harmonie sehr hoch ist, ist Konfliktscheue der falsche Weg. Offenheit, Transparenz und Berechenbarkeit sind die Eckpfeiler der neuen Führungskultur und umso wichtiger, da keine Beschwichtigung durch persönliche Präsenz erfolgen kann. Alle wichtigen Inhalte müssen durchgängig und für alle transparent in die Organisation vermittelt werden. Jeder Mitarbeiter hat das Recht, zu wissen, woran er ist. Jeder muss die Möglichkeit erhalten, sich durch ehrliches Feedback zu verbessern. Fortwährende, verständliche Kommunikation ist essenziell und zahlt sich langfristig auf die Produktivität aus.
- Bieten Sie Sinn und Orientierung: Eine Ausnahmesituation wie wir sie aktuell durchleben verlangt nach klaren Zielbildern für die Belegschaft. Wer ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft einfordert, der muss Sinn bieten. Jeder muss wissen, worum es gerade geht, was das Unternehmen vorhat und was er selbst anders machen sollte als vorher. Die konkrete Zielsetzung und die plausiblen Vorteile der Neuausrichtung bieten in Entscheidungssituationen Orientierung und sind für die Mitarbeiter motivierend. So müssen Führungskräfte erkennen, dass es am Ende immer die Mitarbeiter sind, die im Unternehmen etwas bewegen und den Fortschritt gestalten. Das intelligente und persönliche Involvieren einer kritischen Masse ist daher unabdingbar.
- Lassen Sie Hilfe und Unterstützung zu: Eine Veränderungssituation gelingt in den seltensten Fällen von heute auf morgen. Sie ist ganz sicher auch geprägt von Fehlern und Rückschritten. Führungskräfte sollten sich deshalb bewusst machen, dass es keine Schande ist, Hilfe und Unterstützung anzunehmen. Oftmals wird es von Ihnen selbst als ein Zeichen von Schwäche interpretiert. Nichtsdestotrotz ist die aktuelle Situation auch für sie Neuland. Ein Entwicklungsprozess, den nicht nur die Organisation als Ganzes durchläuft, sondern eine jede Führungskraft höchstselbst. Statt externe Hilfe zu verweigern, sollten sie sich beratungsaffin zeigen und im gemeinsamen interaktiven Prozess wichtige Zukunftsentscheidungen treffen.
Gestärkt aus der Krise
Es klingt wie ein Klischee, aber dieser schwierigen Zeit wohnt gewissermaßen die Chance inne, an der Situation zu wachsen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass man dem Neustart im Jahr 2021 etwas Positives abgewinnt. Indem Führungskräfte schon jetzt ein lohnendes Zielbild skizzieren, das motiviert, die Krise zu überwinden, leisten sie für die gesamte Organisation den größten persönlichen Beitrag. Und allen Widerständen zum Trotz müssen sie selbst vorleben was die wichtigste Währung eines positiven Zukunftsbildes ist: die Offenheit gegenüber dem Neuen, für die Veränderung.
Über die Autorin:
Dr. Katja Nagel ist Gründerin und Inhaberin der Unternehmensberatung cetacea und berät in dieser Funktion Top-Manager in Krisenzeiten. Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Unternehmen und Beratung, insbesondere in den Bereichen Unternehmensentwicklung, Strategie, Marketing und Kommunikation. Als Geschäftsführerin von cetacea hat sie mehrere Transformations- und Restrukturierungsprogramme internationaler Konzerne mitgestaltet sowie Rebranding- und Employer Branding-Projekte geleitet.
Weitere Informationen unter:
https://www.cetacea-gmbh.de/