Zukunftsforscher Thorsten Rehder von TRENDONE im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion über die Zukunft unserer Arbeitswelten.
Wie können Unternehmen eine Innovationskultur im Unternehmen verankern? Welche Möglichkeiten und Strategien gibt es?
Es gibt hier leider keine Faustregel, die für alle Unternehmen gilt. Denn jedes Unternehmen ist anders. Die Strategie für eine große globale AG ist mitunter anders als für einen familiengeführten Mittelständler. Generell tun sich traditionelle Unternehmen jedoch schwer, das Neue zu integrieren. Denn die alten Prozesse haben die Unternehmen groß werden lassen und sollen nun hinterfragt werden – sie stecken im sogenannten „Innovator’s Dilemma“. Der Spagat zwischen Exploid (Ausschöpfung des alten Geschäftsmodells) und Explore (Exploration neuer Möglichkeiten) wird zur Herausforderung, an der Viele scheitern.
Eine beliebte Strategie ist daher, geschützte Experimentierräume zu schaffen. Dabei sollte man unterschieden: Soll das bestehende Geschäft digital transformiert werden, dann ist es sinnvoll, räumlich nah am Unternehmen zu bleiben und dort zum Beispiel ein Innovations-Lab aufzubauen. Möchte man ein komplettes Neugeschäft entwickeln, sollte man sich so weit wie möglich von den Unternehmensgrenzen lösen. Etwa eine Ausgründung als GmbH mit eigenen Strukturen, die sogar das bestehende Geschäftsmodell des Mutterunternehmens bewusst attackiert. Man gründet quasi ein neues Unternehmen auf der grünen Wiese – auch bekannt als Greenfield-Ansatz.
Was bedeutet in diesem Kontext der Begriff „Open Innovation“?
Wie der Name schon assoziiert, öffnet man bei diesem Ansatz die Unternehmensgrenzen bei Innovationsvorhaben. Das beinhaltet zum Beispiel, die eigenen Kunden in den Prozess zu integrieren – etwa bei der Ideenfindung. Aber auch das Know-How von Lieferanten oder externer Organisationen wie Universitäten werden häufig aktiviert. Das geschieht zumeist über digitale Plattformen oder Netzwerke.
Eine weitere Facette von Open Innovation ist Open Source, also die Veröffentlichung von Technologien wie z.B. Quellcodes, um diese durch eine externe Community weiterentwickeln zu lassen. Auch Hackathons oder Crowdsourcing-Projekte zählen zu beliebten Open-Innovation-Ansätzen.
Inwieweit werden die neuen Technologien wie KI, RPA, 3-D-Druck, Blockchain oder IoT unser Arbeitsleben und unsere Arbeitswelten verändern?
Sie werden in der Summe vor allem zu einer nächsten Automatisierungswelle führen. Diesmal jedoch nicht nur in den Fabriken, sondern vor allem in den Büros. Nicht wenige Experten sagen daher voraus, dass wir in 20 Jahren nur noch etwa die Hälfte an Arbeit haben werden. Denn die andere Hälfte übernehmen Maschinen – Roboter, Cobots, Softwarebots und Digitale Assistenten. Mit der Konsequenz, dass wir in Zukunft nur noch teilweise angestellt und zunehmend selbstbestimmt arbeiten werden.
Insbesondere kreative Berufe oder sogenannte Empathie-Berufe wie Coaching oder Beratung werden zunehmen. Ein weiterer Effekt der neuen Technologien könnte zudem sein, dass ausgelagerte Produktion nach Europa zurückkehrt, wovon vor allem hochqualifizierte Beschäftigte profitieren würden.
Welche Makro-Trends im Kontext von „Future Work“ machen Sie aus?
Ein großer, übergreifender Trend ist die Quantifizierung der gesamten Unternehmensprozesse durch Datenanalysen. Künstliche Intelligenz wird zum Beispiel in viele Aspekte unseres Arbeitslebens vordringen und helfen, die immer größere Flut an Daten zu interpretieren, Optionen abzuwägen und Alternativen zu suchen. Für Unternehmen wird nicht nur das Wissen von, sondern auch über die Mitarbeiter zum Wettbewerbsfaktor. Wer arbeitet wie und wann besonders gut, welche Teamzusammenstellung macht am meisten Sinn und welche neuen Mitarbeiter brauchen wir – diese Fragen werden in Zukunft nicht mehr nach Bauchgefühl entschieden, sondern mithilfe strategischer Datenanalysen beantwortet.
Neben dem Einzug der künstlichen Intelligenz in die Welt der Wissensarbeit prägen vor allem sehr individuelle „Workstyles“ die Arbeitswelt der Zukunft: Die Dauerpräsenz am Arbeitsplatz zu geregelten Arbeitszeiten weicht flexiblen, ortsunabhängigen Arbeitsmodellen und fragmentierten Tätigkeiten auf Projektbasis. Dieser Trend wird insbesondere durch die wachsende Zahl der Millennials, die zwischen 1980-2000 geboren wurden, in den Unternehmen vorangetrieben. Denn bis 2020 werden Millennials mehr als ein Drittel der arbeitenden Weltbevölkerung ausmachen.