Krisenmanager gefragt
Die TREND-REPORT-Redaktion spricht mit Stephan Franken über die Rolle von Interims-Managern in Corona-Zeiten. Interim-Manager sind es gewohnt, in wirtschaftlichen Sondersituationen Entscheidungen zu treffen, die ein Unternehmen in Gänze betreffen. Das kann ein Vorteil sein, wie der Partner von Boyden Interim Management im Interview ausführt.
Die Corona-Krise stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Für welche Aufgaben suchen Firmen derzeit Interim-Unterstützung?
Die Nachfrage nach Interim-Managern für neue Projekte ist derzeit noch verhalten. Dies lässt sich auf eine gewisse Schockstarre – ausgelöst durch die Corona-Pandemie und ihre Folgen – in den Unternehmen erklären. In einigen Fällen, zum Beispiel wenn ein Unternehmen Kurzarbeit praktiziert, wäre es auch schwer zu vermitteln, warum ein Interim-Manager neu an Bord geholt würde und im Unternehmen startet. Einige Unternehmen interessieren sich jedoch bereits jetzt schon für Interim Manager, die ihnen künftig in den Bereichen Supply Chain, Restrukturierung oder im kaufmännischen Bereich helfen können. Sie bereiten sich also schon heute für die Zeit nach der Krise vor und planen dafür mit Interim-Managern.
Corona-bedingte Mandatskündigungen können wir bisher noch nicht feststellen. Im Gegenteil – einige Interim-Manager, die bereits vor der Krise für Unternehmen aktiv waren, avancierten in der Corona-Krise schnell zum Krisenmanager in ihrem Einsatzbereich. Sie verfügen eben oft über sehr breites Wissen über unternehmerische Sondersituationen, das in solchen Zeiten sehr viel wert ist und auf das Unternehmen nicht leichtfertig verzichten wollen.
Welche Art von Interim-Managern sind derzeit besonders nachgefragt?
Die jeweilige Sondersituation, die aufgrund der Corona-Krise auf die einzelnen Unternehmen zukommt, gestaltet sich meist sehr individuell. Viele warten noch ab, mit welchen Aufgaben sie letztendlich konfrontiert sein werden und welche Schwerpunkte sich daraus für sie ergeben. Daher ist, wie eingangs erwähnt, die Nachfrage nach neuen Managern noch eher verhalten. Wir rechnen aber damit, dass kurzfristig die Nachfrage nach CROs (Chief Restruction Officer) deutlich steigen wird. Auch HR-Manager mit Erfahrungen im Bereich Transformation sowie Operations Manager, die dabei unterstützen, die Produktion wieder hochzufahren, werden kurz- bis langfristig genauso gebraucht werden.
Welche Branchen sind am meisten betroffen? Wo wird kurzfristig Expertise benötigt, die im Unternehmen nicht vorhanden ist?
Zu den häufig genannten Branchen, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind, gehören sicherlich die Non Food Konsumgüter, Tourismus, Gastronomie und dabei vor allem auch die Systemgastronomie. Im Maschinen- und Anlagenbau ist das Bild diffus. Wir kennen viele Unternehmen, die momentan unter Volllast produzieren. Andere haben ihre offenen Aufträge abgearbeitet und stehen nun vor der Entscheidung, Kurzarbeit anzumelden. Einige sind schon in Kurzarbeit. Interessant wird es bei den Unternehmen, die krisenbedingt ihr Produktportfolio umstellen mussten. Wenn beispielsweise ein Heizungshersteller plötzlich Beatmungsmaschinen herstellen soll oder die Produktion eines Autozulieferers von Ölfiltern auf Gesichtsmasken umgestellt werden muss, braucht man externes Know-how. Interim-Manager mit Erfahrung im Bereich Medizintechnik können dann helfen, einem Autozulieferer durch die schwierigen regulatorischen Anforderungen, die an Medizinprodukte gestellt werden, zu manövrieren und die Produktion fachgerecht zum Laufen zu bringen.
Wo haben Interim-Manager die Skills für die aktuellen Krisen-Herausforderungen erworben?
Interim-Manager kommen häufig zum Einsatz, wenn sich Unternehmen in schwierigen Lagen oder in Veränderungssituationen befinden. Dies muss nicht immer gleich eine Restrukturierung oder Insolvenz bedeuten. Auch extremes Wachstum kann das Management eines Unternehmens vor neue Herausforderungen stellen und entsprechendes Wissen, wie man damit umzugehen hat, fehlen. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn woher soll ein Manager, der seit zehn Jahren einen gut laufenden Betrieb von einem unternehmerischen Erfolg zum nächsten führt, wissen, wie eine schwerwiegende Krise für sein Unternehmen am besten zu meistern ist? Interim Manager haben in der Regel schon oft Sondersituationen erlebt und können aus einem reichhaltigen Erfahrungsschatz schöpfen. Nicht alle Unternehmen können diese gefragten Experten mit ihrem dringend benötigtem Spezialwissen aber langfristig für sich gewinnen und von ihrem Unternehmen überzeugen. Meist scheitert es an der Attraktivität des Gesamtkonzepts.
Ein Beispiel: Für Interim-Manager sind solche Aufgaben, also das Lösen von unternehmerischen Herausforderungen in Ausnahmesituationen, oft nur dann interessant, wenn sie auch zeitlich begrenzt bleiben. Manager auf Zeit schlüpfen häufig in Rollen, die sie in einer Festanstellung nicht übernommen hätten, da die Aufgabe oder das Projekt für sie viel „zu klein“ wäre. Braucht also ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern kurzfristig für eine befristete CFO-Aufgabe einen erfahrenen Manager, kann es durchaus sein, dass dafür ein Interim-Manager zum Einsatz kommt, der zuvor lange Jahre CFO in Festanstellung in einem Großunternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten war. Die dort gesammelte Expertise und sein Umgang mit unterschiedlichen Herausforderungen und Unternehmenskrisen qualifizieren ihn dann für den Job im 500-Mann-Unternehmen. Beide Seiten profitieren also. Eine spannende Aufgabe trifft hier auf dringend benötigte Expertise.
Welche Skills bringen Interim-Manager mit, die Unternehmen in der Krise helfen können?
Neben der notwendigen Seniorität und Expertise verfügen Interim-Manager über jede Menge praktischer Erfahrungen in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen. Dies versetzt sie in die Lage, sich sehr schnell in neue, meist hoch komplexe Aufgabenstellungen einzuarbeiten. Oft haben Interim Manager auch in verschiedenen Branchen gearbeitet und können so „Transferwissen“ einbringen. Eine andere Branche hatte vielleicht in der Vergangenheit mit ähnlichen strukturellen Herausforderungen oder einem disruptiven Wettbewerbsumfeld zu kämpfen. Erfahrene Interim-Manager blicken über den Tellerrand und können Lösungen präsentieren, auf die sonst niemand gekommen wäre. Auch das Durchsetzen von unangenehmen Entscheidungen gehört häufig zum Tagesgeschäft. Interim Manager sind nicht lange an das Unternehmen gebunden und können Konflikte von den vorhandenen Managern abhalten.
Welche Aufgaben kommen nach Corona auf die Interim-Manager zu, welche Nachfragen gibt es bereits?
Ist die Krise in weiten Teilen vorüber, beginnt für viele Unternehmen das große Aufräumen. Neben dem Einsatz von CROs zur Restrukturierung und dem Wiederaufbau angeschlagener Unternehmen, kann ich mir vorstellen, dass Interim-Manager u.a. dazu eingesetzt werden, betriebliche Pandemie-Pläne und Schutzmaßnahmen für die Zukunft zu erarbeiten oder krisenfeste Lieferketten zu entwickeln.
Über den Interviewpartner
Stephan Franken ist seit über 20 Jahren als Personalberater tätig. Seine Erfahrung erstreckt sich über ein breites Spektrum von Branchen und Funktionen. Er hat mehrere hundert Positionen im In- und Ausland erfolgreich besetzt. Dabei hat er sowohl Erfahrung im Bereich Executive Search als auch in der Besetzung von Interim Managern. Zu seinen Mandanten gehören sowohl national und international agierende Konzerne als auch Unternehmen aus dem Mittelstand sowie inhabergeführte Familienunternehmen. Schwerpunkte sind hierbei Unternehmen aus den Bereichen der Konsumgüterbranche, der technischen Gebäudeausstattung, Automobilzulieferbranche sowie weitere produzierende Unternehmen. Seit 2019 leitet Stephan Franken als Partner den Bereich Boyden Interim Management in Düsseldorf. Zuvor war er in der internationalen Personalberatung im Bereich Executive Search tätig.
Weitere Informationen unter:
https://www.boydeninterim.de/de/germany-interim/index.html