KI-Wissen für Führungskräfte
Dr. Mehrdad Jalali-Sohi beschreibt nochmals die wichtigsten Punkte, die Unternehmen im Kontext von künstlicher Intelligenz beachten sollten. Insbesondere die Entwicklung einer KI Roadmap sollte die größte Aufmerksamkeit erhalten.
Künstliche Intelligenz (KI) ist einer der wichtigsten zu betrachtenden Aspekte der vierten industriellen Revolution (Industrie 4.0) und war in den letzten Jahren Diskussionsschwerpunkt in der Weltwirtschaft. Unternehmen auf der ganzen Welt investieren in großem Umfang in KI, während Regierungen und Aufsichtsbehörden versuchen, sich mit den erheblichen Unsicherheiten sowie der wachsenden öffentlichen Besorgnis auseinanderzusetzen, da KI für die Struktur von Institutionen und Märkten von zentraler Bedeutung ist.
Was ist Künstliche Intelligenz?
Künstliche Intelligenz ist das Forschungsgebiet, in dem ein Computer – und seine Umsysteme – die Fähigkeit entwickelt, komplexe Aufgaben, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern, wie visuelle Wahrnehmung, Spracherkennung, Entscheidungsfindung und Übersetzung zwischen Sprachen erfolgreich auszuführen. Mit anderen Worten: Künstliche Intelligenz befasst sich mit der Lösung von Aufgaben, die für Menschen einfach, für Computer jedoch schwierig sind. Nachfolgend sind die wichtigsten Zweige des Forschungsbereichs in groben Zügen dargestellt (s. Abb. 1)
Eine Frage, die Führungskräfte sehr oft stellen, ist: „Ich brauche KI in meinem Unternehmen – wie kann ich sie implementieren?“ Die Frage sollte aber eher lauten: „Wie kann KI mir helfen, meine geschäftlichen Ziele und Herausforderungen zu erreichen oder anzugehen?“ Ausgestattet mit dem Wissen darüber, wozu KI in der Lage ist, sollten Unternehmen ihre eigene KI-Reise mit einer Head-First-Strategie beginnen.
KI-Strategie entwickeln
Im Idealfall sollten Führungskräfte KI dort einsetzen, wo sie am dringendsten benötigt wird und den größten Nutzen bringt. Bei jedem Unternehmen existiert bewusst oder unbewusst eine Geschäftsstrategie. CIOs sollten sich deshalb fragen: „Welche Geschäftsstrategie kann durch die Anwendung von KI-Technologien unterstützt werden?“ Weiterhin müssen sie bestimmen, wie ehrgeizig sie mit Ihrem KI-Programm sein wollen: Geht es darum sagen zu können, dass mit KI gearbeitet wird oder geht es darum mit Hilfe von KI essenzielle Prozesse zu verbessern sowie ganze Geschäftsteile zu transformieren?
Die Erstellung einer KI-Strategie besteht deshalb aus mehreren Schritten, die am Ende in einer Roadmap münden (s. Abb. 2).
Ausrichtung an der Geschäftsstrategie
Der erste Schritt, um den maximalen Nutzen aus jedem KI-Programm zu ziehen, besteht darin, eine KI-Strategie zu entwickeln, die mit der Geschäftsstrategie übereinstimmt – sie aber auch herausfordert. Um die KI-Strategie an der Geschäftsstrategie auszurichten, ist es notwendig, die Vorteile und den Wert zu verstehen, die sich aus dieser Gesamtstrategie ergeben. Geschäftsstrategien haben üblich eine Handvoll strategischer Ziele. Das können Dinge sein wie:
- Steigerung des Umsatzes
- Verbesserung der Kundenzufriedenheit
- Maximierung der Sicherheit am Arbeitsplatz
- Erweiterung der Produktivität
- Erhöhung der Produktqualität
- Förderung von Innovationen
Jedes dieser strategischen Ziele würde dem Unternehmen Vorteile bringen. Bevor Unternehmen also überhaupt mit der Entwicklung einer KI-Strategie beginnen, müssen die Unternehmen wissen, was sie mit KI erreichen wollen. Dann geht es darum, vom Ziel aus rückwärts zu designen, um die Fähigkeiten, Technologien, Mitarbeiter, Pläne usw. zu bestimmen, die zur Erreichung dieses Ziels notwendig sind.
KI-Ambitionen festlegen
Der zweite wichtige Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, bevor ein Unternehmen seine KI-Reise beginnt, besteht darin, zu verstehen, wie man an welches Ziel kommen möchte. Das mag offensichtlich klingen, oder aber man könnte sich die Frage stellen, warum sich ein Unternehmen die Mühe machen sollte, darüber nachzudenken, wenn sie noch gar nichts begonnen haben. Die Beantwortung dieser Frage ist aber von sehr hoher Bedeutung, um Blindaktionismus zu verhindern und unnötige Kosten zu verhindern. Bevor man eine Reise beginnt, sollte feststehen, wo die Reise hingehen soll, um dann die Route festzulegen.
Denn wie bei jeder Reise ist es von entscheidender Bedeutung, sein Ziel zu kennen. In Bezug auf KI kann man oft nicht genau wissen, wo man landen wird, aber Unternehmen sollten zumindest ihre anfänglichen KI-Ambitionen verstehen. Diese Ambitionen können irgendwo liegen zwischen „Das Unternehmen will auf dem neuesten Stand sein und einen guten Eindruck machen“ oder „Das Unternehmen will KI einsetzen, um ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln“. Sehr ambitionierte Ziele wären: „Das Unternehmen möchte seine Prozesse umfassend verbessern, das Unternehmen transformieren und/oder ein neues Unternehmen gründen.“
Nach der Bestimmung der KI-Ambitionen müssen sich Unternehmen ihre Organisation ansehen und ihren KI-Reifegrad bewerten. Manche Funktionen oder Abteilungen könnten noch manuell arbeiten, während andere bereits einfache KI bereits im Einsatz haben. Für jeden der Bereiche sollten deshalb KI-Ambitionen ausgearbeitet und die Größe des Entwicklungs-Gaps bestimmt werden, um mit der Navigation zu Ziel beginnen und die entsprechend unterschiedlichen Schritte herausarbeiten zu können.
KI Maturity Assessment
Unternehmen werden KI auf unterschiedliche Weise einsetzen. Eine Reifegradmatrix ist dabei ein relativ einfaches Konzept, das in vielerlei Hinsicht sehr nützlich ist. Es fördert nicht nur die Diskussion und Reflexion während des Erstellungsprozesses, sondern kann nach seiner Fertigstellung auch als Kommunikationstool verwendet werden. Das CMMI (Capability Maturity Model Integration) Model ist eine gute Orientierung, um eine KI-Reifegradmatrix zu erstellen. Primär sind die CMMI-Modelle ein Mittel, um die Arbeit einer Organisation zu verbessern. Sekundär sind offizielle Überprüfungen eines Reifegrades ein in der Industrie de facto anerkannter Standard. Orientiert an CMMI kann man Unternehmen in Bezug auf KI in fünf Reifegrade unterteilen:
Initial: Unternehmen in dieser Phase kennen KI, haben sie aber noch nicht richtig eingesetzt. Sie formulieren Ideen, aber keine Strategien, wie sie KI in ihren Unternehmen einsetzen können.
Managed: Diese Unternehmen spielen informell mit KI. Sie experimentieren mit KI und haben möglicherweise einige KI-Modelle bereits in ihre Prozesse implementiert.
Defined: Diese Unternehmen haben KI in ihre täglichen Aufgaben integriert. Oft haben sie ein Team von KI-Ingenieuren. Sie haben die KI-Infrastruktur eingerichtet und verwenden KI zur Unterstützung einiger Informationsverarbeitungsaufgaben.
Quanlified: Diese Unternehmen haben bereits in KI-Welt Fuß gefasst und die KI-Infrastruktur ist bereits vorhanden. Diese Unternehmen nutzen KI auf neuartige Weise, z.B. um Geschäftsmodelle zu revolutionieren.
Optimized: Unternehmen auf dieser Ebene nutzen KI allgegenwärtig. Maschinelles Lernen und Informationsverarbeitung gehört zu neuen Werten für sie und ihre Kunden.
KI Business Case
Der nächste Schritt für die Entwicklung einer KI-Strategie ist die Erstellung eines Business Case für ein KI-Programm. Das ist in vielerlei Hinsicht ähnlich wie für jedes Technologieprojekt, denn es müssen die Vorteile den Kosten gegenübergestellt werden. Business Cases für KI-Projekte sind komplex zu entwickeln, da Kosten und Nutzen schwerer vorherzusagen sind als bei den meisten anderen IT-Projekten. Zu den besonderen Herausforderungen von KI-Projekten gehören dabei zusätzliche Ebenen der Komplexität, Undurchsichtigkeit und Unvorhersehbarkeit, die in anderen Standardtechnologien nicht gegeben sind. Um einen erfolgreichen Business Case für ein KI-Projekt zu erstellen, müssen CIOs die spezifischen Faktoren artikulieren und herausarbeiten, in denen sich KI-Projekte von anderen IT-Lösungen unterscheiden.
KI Roadmap
Nachdem eine KI-Strategie ausgearbeitet wurde, folgt nun die Erstellung einer Roadmap. Die KI-Roadmap bietet einen mittel- bis langfristigen Plan zur Umsetzung einer KI-Strategie, die bereits vorliegen muss. Zu den wichtigsten Überlegungen beim Erstellen einer Roadmap gehören vor allem die ultimativen Ambitionen in Bezug auf KI. Dabei ist egal, ob zuerst das gesamte Unternehmen bewertet und dann KI implementiert wird oder das Ziel ist, durch die Implementierung in einigen bestimmten Bereichen zunächst eine schnelle Dynamik zu erzielen oder zu erarbeiten.
Zusammenfassung und Ausblick
Der Weg von Unternehmen in der KI-Welt ist kein einfacher. Die Konfrontation eines Unternehmens mit einer neuen Technologie bringt immer mehr als genug Herausforderungen. Bei der Einführung von KI sind diese Herausforderungen durch deren komplexe Natur umso größer. CIOs müssen sich bewusst sein, dass alle Ihre Konkurrenten darüber nachdenken, wie KI deren Unternehmen helfen kann. Der Wettbewerbsvorteil wird aber bei denjenigen liegen, die jetzt tatsächlich anfangen, etwas zu unternehmen. Wenn Unternehmen auf einen ausgereiften und stabilen KI-Markt warten, werden sie zu spät sein. Allerdings ist stark davon abzuraten, in Blindaktionismus zu verfallen, da dies am Ende nicht zielführend ist. Eine auf Unternehmensziele ausgerichtete KI-Strategie ist ein sicherer Weg, der vielversprechender ist.
Über den Autor:
Dr. Mehrdad Jalali-Sohi verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im IT-Bereich und der Forschung. Er ist bei der adesso SE beschäftigt, wo er als Management-Berater, Architekt, Team- und Projektleiter an der Schnittstelle zwischen Business und Technologie sitzt. Er ist Autor zahlreicher Artikel zu IT-Security und intelligenten Assistenzsystemen. Sein technologischer Schwerpunkt sind moderne Architekturen, IT-Security, J2EE, SOA, Portaltechnologie, API-Management, Cloud Computing, Mobile Computing sowie Zahlungssysteme und Blockchain.
Bildquelle / Lizenz Aufmacher: Foto von Tara Winstead von Pexels: https://www.pexels.com/de-de/foto/hand-finger-zukunft-roboter-8386437/