Thomas Röhr, Wissenschaftler am Robotics Innovation Center des DFKI, erläutert im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion, wie sich schon heute KI Schwarmintellgenz zu eigen macht und IoT wie auch IIoT davon profitieren.

Inwieweit kann sich schon heute KI die Schwarmintelligenz aus dem Naturreich zu eigen machen?

Der Einsatz von Schwarmintelligenz findet schon heute in vielfältiger Form statt. Relativ prominent kommt diese für logistische Planungsprobleme oder aber kombinatorische Optimierungsprobleme wie das Handlungsreisendenproblem zur Anwendung. Dort werden u.a. sogenannte Ameisenalgorithmen eingesetzt, die auf dem modellhaften Verhalten von Ameisen bei der Futtersuche basieren.

Für mobile, autonome robotische Systeme wird oftmals eine sogenannte Partikelschwarmoptimierung eingesetzt, die dabei hilft, den wahrscheinlichsten aktuellen Aufenthaltsort eines Roboters zu bestimmen. Des Weiteren kann eine Formationsbildung von Robotern durch ein emergentes Verhalten – d.h. ein Verhalten, das erst durch die Interaktion vieler Teilnehmer beobachtbar wird – automatisch erzielt werden.

Ein Anwendungsbeispiel ist der Formationsflug von Drohnen. Weitere existierende Einsatzbereiche von Schwarmintelligenz sind die Selbstoptimierung oder auch Selbstheilung von modular aufgebauten Software- und Hardwaresystemen. Hier können z.B. fehlerhafte einzelne Teilnehmer von anderen Schwarmmitgliedern identifiziert und in Folge isoliert werden.

„Aus dem Verbund einer Vielzahl von Agenten, die selbst nur über geringe Fähigkeiten verfügen, kann ein wesentlich mächtigeres Werkzeug entstehen“

Wie können neue IIoT- und IoT-Lösungen davon profitieren?

IIoT- und IoT-Umgebungen zeichnen sich u.a. durch (a) einen hohen Grad an Verteilung, (b) einer Vielzahl von Teilnehmern bzw. Systemen, (c) der Möglichkeit zur direkten Interaktion zwischen allen Teilnehmer, und (d) einer meist geringen Rechenkapazität der Teilnehmer aus.

Die Einsatzmöglichkeiten von schwarmbasierten Lösungsansätzen in diesem Umfeld scheinen damit offensichtlich zu sein, entsprechen diese Eigenschaften doch denen von natürlichen Schwarmsystemen. Betrachtet man das Gesamtsystem, d.h. den Schwarm und nicht die einzelnen Einheiten, dann kann das Gesamtsystem damit potentiell widerstandfähiger gegenüber Ausfällen, und damit sicherer gestaltet werden. Das dynamische Ausschöpfen von gerade ungenutzten, aber für alle zur Verfügung stehenden Ressourcen, ist ein weiter Vorteil solcher Systeme.

Damit kann eine insgesamt verbesserte Ressourcennutzung auch im Sinne eines optimierten Warenflusses erzielt werden. Zudem bietet sich das Potential, neue Verhaltensmuster zu entdecken, die sich aus IoT-Verbünden herausbilden.

Welche Potenziale aber auch Gefahren stecken in diesem Kontext in einer Schwarmintelligenz?

Die mögliche Herausbildung von neuem Verhalten ist Chance und Risiko zugleich. Denn ob die Verhaltensmuster positiv oder negativ zu bewerten sind, ist vor einer Beobachtung zunächst schwer zu sagen. Damit wird eine Einsatzmöglichkeit in sicherheitskritischen Bereichen erschwert, wenn nicht gar unmöglich. Eine entsprechende Verifikation des Gesamtsystemverhaltens ist daher notwendig.

Jedoch führen eine hohe Teilnehmerzahl, die Komplexität der Interaktionen und eingeschränktes Wissen über die Einsatzumgebungen dazu, dass sich ein Verhalten nur schwer vollständig, d.h. für jedwede Situation, verifizieren lässt. Sogenannte Botnetze werden z.B. meist mit einer möglichen Gefahr verbunden, die von einer Schwarmintelligenz ausgehen kann. Im Fall von Botnetzen werden dabei die Kapazitäten des Gesamtsystems für illegale Zwecke ausgeschöpft.

Grundsätzlich zeigen sie jedoch, wie aus dem Verbund einer Vielzahl von Agenten, die selbst nur über geringe Fähigkeiten verfügen, ein wesentlich mächtigeres Werkzeug entstehen kann. Ein Missbrauch von solchen Systemen sollte natürlich verhindert werden. Daher sind Sicherheitskonzepte speziell für den Datenaustausch und für die Verteilung von Daten notwendig.

Thomas Röhr ist Wissenschaftler am Robotics Innovation Center des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI). Nach Abschluss des Studiums im Bereich der Netz- und Softwaretechnik an der Dualen Hochschule in Stuttgart, und zwischenzeitlicher Tätigkeit in der Industrie, brachte ihn das Masterstudium der Informatik nicht nur nach Wellington, Neuseeland, sondern auch zur Robotik. Am Robotics Innovation Center in Bremen ist er seit 2008 tätig und fokussiert seine Forschungsarbeit speziell auf modulare, rekonfigurierbare mehr -robotische Systeme. Sein Interesse gilt dabei der hohen Flexibilität solcher Systeme und deren Ausnutzung im autonomen Einsatz.