Ingenieure als Krisenhelfer – die Welt nach Corona

Gastbeitrag

Über SEGULA Technologies: Als vielseitig spezialisiertes Engineering-Unternehmen, das in mehr als 30 Ländern und auf allen Kontinenten tätig ist, ist SEGULA Technologies für über 300 Kunden aus allen Bereichen der Industrie tätig. Mit mehr als 140 im Unternehmen vertretenen Berufsgruppen pflegt die Gruppe aktiv die interdisziplinäre Zusammenarbeit, indem sie zum Beispiel die Fähigkeiten und das Knowhow aus der Automobilindustrie in anderen Bereichen zum Einsatz bringt.

Seit Beginn der COVID-19-Krise wird in den Medien regelmäßig über die „Welt nach Corona“ debattiert – oft wird dabei auch die sogenannte „neue Normalität“ propagiert. Häufig vermischen sich in dieser Debatte viele soziale, ökologische, wirtschaftliche und auch politische Anliegen. Auffällig ist allerdings, dass sich nur wenige dafür interessieren, was diese neue Normalität für den industriellen Wirtschaftssektor bedeutet. Hierzulande generiert dieses Marktsegment z. B. fast ein Viertel der gesamten Bruttowertschöpfung.[1]

Die Nach-Corona-Welt steht schon vor der Tür

Auch wenn die Welt „nach Corona“ sich vermutlich nicht grundlegend von unserer bisher gewohnten unterscheiden wird, wird sie doch eine geänderte Realität abbilden, die sehr viel früher als einstmals vermutet eintreten wird. Schon jetzt hat die Krise bevorstehende Entwicklungen glasklar auf den Punkt gebracht, bereits existierende, wenngleich auch noch schwache Signale deutlich verstärkt und sie wird höchstwahrscheinlich viele anstehende Umbrüche weiter beschleunigen. Natürlich wird das Ausmaß dieser Entwicklungen auch von den systemischen Auswirkungen abhängen, die für jeden Industriesektor, für jeden Markt und für jede Region spezifisch sind. Schauen wir uns aber einige gängige und/oder häufige Einflussfaktoren einmal genauer an.

So hat die Krise bereits die Haltung auf Seiten der Kunden sichtbar beeinflusst – sowohl beim Endverbraucher als auch bei institutionellen Kunden, also der öffentlichen Hand, oder den sogenannten B2B-Kunden: Neben dem Ruf nach einer wieder stärker lokal orientierten Produktion und einer moralischer als zuvor handelnden Wirtschaft (Stichwort CSR, Share Economy, Ende der Mietkostenexplosion) zeigt sich zudem auch ein Trend zu einem reduzierterem Konsumverhalten und, nicht zuletzt, auch zu einer größeren Geduld auf Kundenseite.

Darüber hinaus rückt auch eine stärkere Berücksichtigung umweltpolitischer Zwänge und Zielsetzungen in den Vordergrund. Schon jetzt werden staatliche Unterstützungen bereits davon abhängig gemacht, ob Unternehmen ihre Investitions- oder Betriebsentscheidungen unter nachhaltigeren Gesichtspunkten treffen. Es zeichnet sich ab, dass viele vorübergehende Regelungen in diesem Umfeld bis zu ihrer Umsetzung auch in dauerhafte Bestimmungen umgewandelt sein werden. Dies betrifft sicherlich auch neue Gesundheitsvorschriften: Beispielsweise könnte die aktuelle Situation dazu führen, dass künftig auch in allen öffentlichen Verkehrsmittel Luftfiltersysteme, die in der kommerziellen Luftfahrt bereits Standard sind, installiert werden müssen oder Kläranlagen ihre Prozesse neu überdenken müssen, um eine effizientere Reinigung zu gewährleisten.[2]

Gleichzeitig nimmt die Wirtschaftskrise, die von vielen Analysten bereits vor den gesundheitlichen Folgen der Krise vorhergesagt wurden, nun langsam immer konkretere Formen an. Sie wird sich insbesondere durch einen Mangel an Investitionen manifestieren – sowohl wegen fehlender Mittel als auch wegen der Schwierigkeit, in einer unsicheren Welt Planungen weiter zu konkretisieren. Viele Hersteller werden daher kurzen Zyklen, Anpassung an vorhandene Ressourcen, technologischer Multifunktionalität sowie Innovation, Pooling etc. zunächst einmal Vorrang einräumen müssen.

Optimierung und Flexibilität

Wie können wir uns aber in einem Umfeld, das viel unberechenbarer geworden ist, in Zukunft orientieren? In einer neuen Welt, in der die Bewertung eines Unternehmens wie Tesla, das noch kein Geld verdient, die Bewertung eines Unternehmens wie Volkswagen übertrifft? In einer Welt, in der die Entwicklung des Ölpreises zunehmend einem Jo-Jo-Spiel gleicht und in der die weltweite Aktivität von heute auf morgen einfach zum Stillstand kommen kann? Wie gelingt es uns, auch unter solchen Rahmenbedingungen gelassen zu agieren? Die Antwort liefern die Schlüsselwörter Agilität und Flexibilität sowie die nüchterne Betrachtung von Investitionen und, als wichtiger Faktor, auch die operative Unterstützung durch den Einfallsreichtum und die Innovationskraft von Ingenieuren.

Im Augenblick versucht die Industriebranche, den durch den Lockdown entstandenen Rückstau aufzuholen. Die vordringlichsten Einsatzfelder sind dabei im Wesentlichen mit der Produktionskapazität verbunden. Diese muss schnellstmöglich optimiert werden – Industrieunternehmen müssen nicht nur mehr, sondern auch viel flexibler und „abwechslungsreicher“ als zuvor produzieren, um ein Maximum an Aufträgen zu bewältigen. Genau diese Herausforderungen lassen sich mit moderner Ingenieurskompetenz meistern. Ingenieure sind in der Lage, Produkte und Prozesse mit Hilfe modernster Technologien an neue Rahmenbedingungen anzupassen. Allerdings erfordert dieser neue „Aufschwung“ nicht nur den Einsatz effizienter Arbeitsmethodik und innovativer Tools (digitales Design, Rapid Prototyping usw.), sondern auch eine ausreichende Manpower, die Unternehmen auch ohne die physische Anwesenheit ihrer Mitarbeiter einsetzen können. Wobei gerade letzteres eine der wenigen positiven Folgen der COVID-19-Krise darstellt: das gewachsene Vertrauen in Arbeitnehmer, die vom Homeoffice aus tätig sind. Die verteilt arbeitenden Teams konnten in der Krise ihre Effizienz aus der Ferne unter Beweis stellen – manches funktionierte dabei sogar besser als von Angesicht zu Angesicht. Das haben wir auch bei uns feststellen können, indem zunächst 2.000 Mitarbeiter innerhalb von nur drei Tagen ihre Arbeitsplätze ins Homeoffice verlagert haben und in den folgenden drei Wochen dann insgesamt 5.000 weitere Mitarbeiter folgten – und all das ohne jegliche operativen oder qualitativen Auswirkungen. Durch diese Entwicklung ist die Fortführung dieser neuen Arbeitsweise ernsthaft in den Mittelpunkt neuer Debatten gerückt, zumal sie auch die Bildung von Ad-hoc-Teams ohne Beschränkung der Wohnorte der betreffenden Experten erleichtern könnte.

Trotzdem wird nach dieser aktuellen Phase (und dann wirklich sehr schnell) auch die Zeit der tiefgreifenden Anpassung der Industriebranche an diese neue Welt „nach Corona“ bevorstehen. Auch hier werden die Schlüsselfaktoren Optimierung und Flexibilität eine wesentliche Rolle spielen, z. B. in der Optimierung von Transportflotten, bei der Überarbeitung von Produkte für eine größere Vielseitigkeit oder auch bei der Flexibilität von Produktionslinien (im Hinblick auf Geschwindigkeit, Technologien, Art der Produktion etc.). All dies sind Themen, die für Ingenieurbüros nicht nur absolut alltäglich sind, sondern die auch tief im menschlichen Wesen verwurzelt sind. Zu solchen technischen Anpassungen kommen schließlich noch Optimierungen auf der Investitionsseite hinzu. Auch hier kennt sich unsere Branche bestens aus und hat in der Vergangenheit immer wieder ihr entsprechendes Know-how unter Beweis gestellt: etwa in der Automobilindustrie mit der Carry-over-Methode (maximale Wiederverwendung vorhandener Ressourcen), im Bereich des „Design to Cost“ und ganz allgemein im Verkehrswesen oder im Infrastrukturumfeld mit optimierten Assets.

Methodik und Fachwissen

Um die Industriebranche in dieser komplexen und beunruhigenden Phase bestmöglich zu unterstützen, können Ingenieure die Grundlagen ihres Berufes einsetzen. Unsere Aufgabe ist es, technische Lösungen zu finden, sie umzusetzen und Probleme zu lösen, indem wir uns auf bewährte Arbeitsmethoden, sektorübergreifendes und internationales Fachwissen sowie auf die ständig aktualisierten Kompetenzen unserer Mitarbeiter stützen. Gerade der Eckpfeiler des Ingenieurs-Business, die pragmatische und operative Innovationsfähigkeit, kann in der aktuellen Situation ihre volle Stärke entfalten, denn: Die Industrie braucht heute mehr denn je zuverlässige und vor allem sofort einsetzbare Lösungen. Wie wichtig dies ist, konnte SEGULA kürzlich bei einer Zusammenarbeit mit Safran unter Beweis stellen: Innerhalb nur weniger Wochen war es gemeinsam mit Safran möglich, die Produktion von EasyBreath-Masken von Decathlon für die Sauerstoffversorgung von Patienten sowie den Schutz von medizinischem Personal anzupassen.

Optimierung, Flexibilität, Methodik, branchenübergreifendes Fachwissen, Innovation – genau dies sind die Kompetenzen, mit denen das Ingenieurswesen schon immer punkten konnte, auch ganz unabhängig von Krisen. Und mit genau diesem Instrumentarium werden Ingenieure den Industriesektor auch in der Nach-Corona-Zeit voranbringen. Ihre Innovationskraft ist für unsere Wirtschaft unverzichtbar.

[1] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Dossier/moderne-industriepolitik.html

[2] Im Zuge von COVID-19 etablierte sich eine neue Praxis.

Über den Autor:

Damien Convert, Director Sales & Marketing, SEGULA Technologies

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